Von Alice Weidel musste sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel scharfe Kritik anhören.

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Alle ziehen an einem Strang in der Pandemiebekämpfung – dass dieser Wunsch Illusion ist, musste die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Freitagvormittag im deutschen Bundestag erfahren. Die erste Lesung, also die erste Debatte, über die sogenannte "Bundesnotbremse" stand an, und Merkel schlug viel Widerstand entgegen, auch wenn sie eindringlich noch einmal für ihr Gesetz warb.

"Die Lage ist ernst, sehr ernst, die dritte Welle hat unser Land fest im Griff", sagt Merkel wieder einmal (bei einer Inzidenz von 160), aber "das Virus verzeiht kein Zögern". Das sehe man an der Zahl der belegten Intensivbetten. "Die Intensivmediziner senden einen Hilferuf nach dem anderen – und wer sind wir denn, wenn wir diesen nicht erhören?", so Merkel. Es sei wichtig, die Kräfte besser zu bündeln.

Daher will der Bund künftig ab einer Inzidenz von 100 nicht mehr den Ländern und Landkreisen die zu ergreifenden Maßnahmen überlassen, sondern sie per Gesetz anordnen. Dazu gehören Ausgangsbeschränkungen zwischen 21 und 5 Uhr, die besonders umstritten sind.

"Wir können es jetzt wieder schaffen"

Doch Merkel verweist auf Länder wie Großbritannien und Portugal, die zum Teil noch schärfere Beschränkungen eingesetzt hätten. Es gehe nicht darum, den Aufenthalt an der frischen Luft zu unterbinden, sondern darum, Besuche zu reduzieren. Sie greift auch auf eines ihrer berühmtesten Zitate zurück und fordert: "Wir haben es doch schon einmal geschafft, wir können es jetzt wieder schaffen."

Die Stimmung ist gereizt, es kommen vor allem aus der AfD immer wieder Zwischenrufe, sodass sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zum Eingreifen gezwungen sieht. Er ersucht, bei allen Meinungsverschiedenheiten, "angesichts der Notlage und der Sorgen" der Bürger, um einen angemessenen Ton.

Scharfe Angriffe kommen dann von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, sie nennt den Gesetzesentwurf ein "alarmierendes Dokument obrigkeitsstaatlichen Denkens" und spricht von einer "Notstandsgesetzgebung durch die Hintertür". Ebenso wenig wie die AfD will die FDP zustimmen. Deren Partei- und Fraktionschef Christian Lindner plädiert für Masken, Kontaktbeschränkungen, Testen und schnelleres Impfen. Die Bundesnotbremse sei ein Misstrauensvotum gegenüber den Kommunen und in der geplanten Form verfassungswidrig. Die FDP will, wenn das Gesetz so beschlossen wird, vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen.

"FC eigene Tasche"

Auch die Linke will nicht zustimmen, Fraktionschef Dietmar Bartsch nutzt seinen Redebeitrag gleich zur Generalabrechnung. Man sei in der schwierigsten Phase der Pandemie, und die Union leiste sich eine ausufernde Debatte über Kanzlerkandidaten. "Es geht hier ständig um Laschet oder Söder – dafür, wer dann ab kommendem Herbst der Oppositionsführer ist?", ätzt er. Die Regierung habe zudem nicht für Luftfilter in den Schulen gesorgt, jetzt aber wolle Berlin den Schulen in Passau vorschreiben, wann sie zu schließen hätten. Die Union mit ihren Maskendeals nennt er "FC eigene Tasche".

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt geht der Plan der Regierung hingegen nicht weit genug, sie fordert mehr Homeoffice und mehr Tests in Firmen. Der Gesetzesentwurf geht nun in die parlamentarische Beratung, am Mittwoch soll der Beschluss gefasst werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.4.2021)