Frankreich hat einen stärkeren Kinderschutz gesetzlich verankert.

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Die Nationalversammlung hat am Donnerstagabend ein Gesetz zum Schutz von Minderjährigen einstimmig – bei vielen Absenzen – genehmigt. Vorausgegangen war eine mehr als dreijährige Debatte, die vor allem von Frauen angetrieben worden war.

Die wichtigste Neuerung ist die Einführung eines Schutzalters, das Frankreich in dieser Form bisher gar nicht gekannt hatte. Wer sich an Mädchen oder Burschen unter 15 Jahren vergeht, wird mit 20 Jahren Haft bestraft, wenn es zu einer Vergewaltigung – das heißt Körperpenetration, und sei es via Mund – kommt; für andere sexuelle Gewalt setzt es zehn Jahre Gefängnis.

Debatte um Alter

Wichtig ist, dass sich die Täter in Zukunft nicht mehr auf die Zustimmung der Minderjährigen berufen können: Das Gesetz geht davon aus, dass man unter 15 Jahren zu unreif ist, um in Sex mit einer erwachsenen Person einzuwilligen. Einzelne Abgeordnete und auch der Staatsrat hatten das Schutzalter zuerst auf 13 Jahre beschränken, also 14-Jährige davon ausnehmen wollen.

Den Umschwung im Parlament für das Schutzalter 15 gab ein Buch namens Le consentement (Die Einwilligung) von Vanessa Springora. Diese Autorin beschrieb, wie sie als 14-Jährige von dem Schriftsteller Gabriel Matzneff missbraucht worden war.

Umstrittene Klausel

Mit Unterstützung der Regierung brachte die Parlamentskommission eine Ausnahme von der Unmöglichkeit der Einwilligung ins Spiel: Wenn der Altersunterschied weniger als fünf Jahre beträgt, geht der oder die Ältere straflos aus, falls die Minderjährigen in den Sex eingewilligt haben.

Diese Ausnahme, mit Bezug auf ein Shakespeare-Drama "Romeo- und-Julia-Klausel" genannt, war bis zum Schluss umstritten. Abgeordnete fast aller Parteien sträubten sich nicht prinzipiell dagegen; wollten aber den Altersunterschied auf vier Jahre beschränken. Doch die Mehrheit der Nationalversammlung und auch des Senats blieb bei fünf Jahren.

Fortschritt

Schärfer als ursprünglich geplant werden hingegen Inzesthandlungen geahndet. Das französische Gesetz geht in Zukunft davon aus, dass minderjährige Familienangehörige bis zum Alter von 18 Jahren gar keine Einwilligung geben können. Infrage kommen Eltern und Partner derselben, Geschwister, Onkel und Tanten, Großonkel und -tanten sowie Nichten und Neffen, sofern sie eine "rechtliche oder faktische Autorität" ausüben.

Für Frankreich, wo Inzest bis vor kurzem noch ein Tabuthema war, ist die Neuerung ein Fortschritt. Auslöser war eine Buchenthüllung: Die Anwältin Camille Kouchner klagte den Politologen und Stiefvater Olivier Duhamel in La familia grande der Vergewaltigung ihres Bruders in den 1980er-Jahren an.

Da die heutige Verjährungsfrist von 30 Jahren bestehen bleibt, ist Duhamel unbelangbar. Abgeordnete forderten vergeblich die Abschaffung der Verjährungsfristen für sexuelle Gewalt gegen Minderjährige.

Immerhin konnte die Vertreterin der Macron-Partei La République en Marche, Alexandra Louis, nach der Debatte das Fazit ziehen: "Unter 15 Jahren heißt es ab sofort: ‚Nein!‘. Und auch für Inzest heißt es: ‚Nein!‘" (Stefan Brändle aus Paris, 16.4.2021)