Vor einer Woche, am 9. April, sprach sich der Freiheitliche Parlamentsklub "klar und deutlich gegen einen fliegenden Wechsel und somit gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ mit der Kurz-ÖVP in der aktuellen Gesetzgebungsperiode aus". Am 19. Februar wiederum beschloss der Parteivorstand der SPÖ, die Partei werde "inkeinem Fall für einen fliegenden Regierungswechsel zur Verfügung stehen", sollte die türkis-grüne Koalition zerbrechen.

Der Hintergrund: Es hielten sich schon vor dem Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober hartnäckige Diskussionen in der politischen Sphäre, dass es mit Türkis und Grün bald aus sein werde. In der SPÖ gibt es einen Flügel um den Irrläufer und Querschläger Hans Peter Doskozil, der als Juniorpartner in eine türkis-rote Koalition einsteigen möchte – ohne Wahlen. Dasselbe wird dem nominellen FPÖ-Chef Norbert Hofer nachgesagt. Die Überlegungen haben so viel Substanz, dass in der SPÖ Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und in der FPÖ Klubobmann Herbert Kickl rasch einen Blockadebeschluss herbeiführten. Selbst wenn es letztlich nicht dazu kommt, ist es selbstbeschädigend, ohne vorherige Wahlen bei der türkisen ÖVP um Unterschlupf zu bitten.

Es ist tatsächlich fraglich, ob die türkis-grüne Koalition den nächsten regulären Wahltermin erleben wird.
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Davon abgesehen, ist es tatsächlich fraglich, ob diese türkis-grüne Koalition den nächsten regulären Wahltermin erleben wird. Die Gründe dafür liegen zunächst in der Tatsache, dass sich beide Parteien nicht ändern werden. Die Türkisen sind konstitutionell unfähig zu einer fairen Partnerschaft. Sie haben mit Tricks und geschickter Unterminierarbeit zuerst die ÖVP erobert und dann das Kanzleramt. Politik ist für sie eine Mischung aus Selbstüberhöhung und Heruntermachen der anderen. Das gilt auch für Partner, die zu groß zu werden drohen. Die Türkisen können nicht anders, sie werden sich nicht ändern.

Praktische Politik

Nicht viel größer ist die Chance, dass sich die Grünen in einem wichtigen Punkt ändern: in der Professionalität ihres Herangehens an praktische Politik. Anschober wurde gelobt, wie er unter Verzicht auf traditionelle Männerbilder seine Erschöpfung offen thematisierte. Aber das bittere Faktum ist, dass er es in Zeiten von Corona verabsäumt hat, in seinem Ministerium ein straffes Management einzuführen, dass er sich zu sehr auf fragwürdige Ratgeber verließ und gegenüber den störrischen Landeshauptleuten zu soft blieb. Das gilt – mit Abstrichen – auch für andere Grünen-Politiker. Sie ergehen sich erfreulicherweise selten in zynischen Machtspielen, aber manchmal fehlt ihnen auch für die gute Sache der politische Killerinstinkt.

So sind wachsende Spannungen zwischen Türkis und Grün sehr wahrscheinlich. Die Pandemie wird sie noch eine Weile zusammenhalten. Aber eines Tages werden den Grünen die orbánesken Instinkte der Kurz-Truppe zu viel werden.

Inzwischen kursieren bereits Szenarien. Wie wär’s, heißt es, wenn sich Rot, Grün und Neos zusammentun? Etwa nach einem besonderen türkisen Bubenstück, wenn auch der Bundespräsident nicht mehr zuschauen kann? Und wenn es zu einer Mehrheit nicht reicht (derzeit liegen sie zusammen knapp unter 50 Prozent), dann könnte man ja eine Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ bilden …

Viel Glück. Die FPÖ ist längst zur "Querdenker"-Partei geworden. Wer sich auf sie verlässt, war und ist verloren.

Nein, die türkis-grüne Koalition wird früher oder später scheitern, aber dann muss es Wahlen geben. Dann wird sich vielleicht eine Koalition gegen die Türkisen ausgehen. (Hans Rauscher, 17.4.2021)