Eine Gedenktafel in einer Teheraner Moschee erinnert an den Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh, der im November 2020 erschossen wurde.

Foto: AFP / Atta Kenare

Wien ist einmal mehr Schauplatz von Gesprächen über das Atomabkommen mit dem Iran: In der österreichischen Hauptstadt, in der die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ansässig ist, wurde es zwischen 2013 und 2015 ausgehandelt, hier soll es "gerettet" werden. Die erste Gesprächsrunde fand beginnend mit 6. April statt, die zweite in der vergangenen Woche. Zwar werden die Verhandlungen als "konstruktiv" bezeichnet, ein Erfolg ist jedoch alles andere als sicher.

Frage: Worum geht es bei den Wiener Verhandlungen konkret, warum muss das Atomabkommen überhaupt "gerettet" werden?

Antwort: Die USA unter Präsident Donald Trump haben den Atomdeal im Mai 2018 verlassen. Trump verhängte 2015 aufgehobene US-Sanktionen wieder, neue kamen dazu. Sekundärsanktionen wurden gegen Staaten und Unternehmen erlassen, die mit dem Iran – unter dem Deal erlaubte – Geschäfte machen wollten. Dadurch wurde die Einhaltung des Abkommens für den Iran wirtschaftlich sinnlos. US-Sanktionen behinderten auch die technische Umsetzung des Atomdeals.

Ab 2019 begann Teheran, Regeln des Abkommens zu brechen, zuerst mäßig, dann immer heftiger. In Wien soll erreicht werden, dass die USA unter Präsident Joe Biden zum Atomdeal zurückkehren und der Iran sich wieder daran hält.

Frage: Um welche Regeln geht es da, was war der Zweck des Wiener Abkommens?

Antwort: Der Atomdeal hatte folgenden Sinn: Der Streit über das iranische Atomprogramm lief damals seit einem guten Jahrzehnt, ab 2006 verhängten Uno, USA und EU Sanktionen gegen den Iran. Dafür, dass sie aufgehoben würden, sollte der Iran sein Atomprogramm unter strenge Beschränkungen und verschärfte Kontrollen stellen.

Vor allem ging es um das Anreicherungsprogramm. Mit angereichertem Uran kann man sowohl Brennstoff für Atomreaktoren herstellen als auch – mit sehr hoch angereichertem Uran – Nuklearwaffen. Weiters ging es darum, einen Atomreaktor, mit dem Plutonium hätte produziert werden können, unschädlich zu machen. Auch Plutonium ist ein Weg zur Bombe.

Frage: Was dürfte der Iran laut Abkommen machen, und was macht er jetzt?

Antwort: Der Iran dürfte Uran nur auf 3,67 Prozent anreichern, und es ist auch geregelt, welche Anreicherungszentrifugen er dazu verwenden sollte – es gibt da ältere und neuere, effizientere. 2019 begann der Iran Teile seiner Anreicherung auf 4,5 Prozent zu erhöhen, das war damals also eher im insignifikanten Bereich. Zu Beginn dieses Jahres kletterte die Anreicherung jedoch auf 19,75 Prozent. Das ist ein Grad, auf den der Iran auch vor dem Atomdeal angereichert hatte. Aber diese Woche gab der Iran bekannt, auf 60 Prozent anreichern zu wollen – und hat nach eigenen Aussagen am Freitag bereits damit begonnen.

Frage: Kann man mit diesem Uran einen Atomsprengkopf produzieren?

Antwort: Von "waffenfähigem" Uran spricht man ab etwa 90 Prozent. Aber wenn man einen Bestand von höher und hoch angereichertem Uran hat, geht es natürlich viel schneller, wenn man tatsächlich waffenfähiges Uran haben will. Man nennt das "breakout time": die Zeit, die man benötigt, um genügend Material für eine Bombe herzustellen.

Prinzipiell ist zu sagen: Der Iran betont, dass er keine Atomwaffen will. Aber er hat keinerlei zivilen Bedarf an Uran, das auf 60 Prozent angereichert ist – anders als bei 19,75 Prozent, denn in Teheran gibt es einen Forschungsreaktor, der Brennstäbe mit diesem Anreicherungsgrad braucht. Aber 60 Prozent: Das ist eine schwere Provokation.

Frage: Und warum macht der Iran das, mitten in den Wiener Verhandlungen?

Antwort: Als Grund dafür nennt der Iran einen Sabotageakt gegen seine Urananreicherungsanlage in Natanz, der am Wochenende offenbar schwere Schäden angerichtet hat. Als Urheber wird Israel genannt. Das war auch nicht der erste Angriff auf das iranische Atomprogramm oder auf iranische Atomphysiker. Die Iraner sagen, dass sie die Anreicherung auf 60, aber auch auf 20 Prozent sofort einstellen werden, sollten die Verhandlungen in Wien erfolgreich sein.

Frage: Wer verhandelt in Wien außer den USA und dem Iran noch?

Antwort: Der Iran und die USA verhandeln – auf Wunsch von Teheran – nicht direkt, Vermittler tragen die Botschaften zwischen zwei Ringstraßenhotels hin und her. Eigentlich tagt die "Gemeinsame Kommission" des JCPOA, wie der Atomdeal offiziell heißt (Joint Comprehensive Plan of Action), und da gehören die USA seit ihrem Austritt ja nicht mehr dazu. Die verbleibenden Partner des Iran sind die EU – unter deren Ägide die Gespräche stehen –, die sogenannten E3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) sowie Russland und China. Alle wollen sie eine Wiederbelebung des Atomdeals, weil sie meinen, dass das der sicherste Weg ist, das iranische Atomprogramm unter Kontrolle zu halten.

Frage: Wenn auch die USA das wollen, warum heben sie die von Trump verhängten Sanktionen nicht einfach auf – und der Iran macht die entsprechenden Schritte?

Antwort: Das ist leider alles viel komplizierter: Unter Trump wurden viele unterschiedliche Sanktionen gegen den Iran verhängt, nicht nur solche, die sich gegen den Atomdeal richten. Auch Biden will jedoch nur Letztere aufheben, das heißt, US-Sanktionen wegen des iranischen Raketenprogramms oder wegen Menschenrechtsverletzungen könnten bestehen bleiben. Die Sanktionen sind jedoch alle eng miteinander verflochten. Die USA werden dem Iran einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten.

Aber der Iran will diesmal zusätzlich mehr Sicherheit, dass nach dem Fallen der US-Sanktionen die Geschäfte auch wirklich anlaufen können: Internationale Firmen und Banken haben sich nämlich ab 2016, als der JCPOA umgesetzt werden sollte, sehr zögerlich gezeigt. Aber natürlich können die JCPOA-Partner das dem Iran nicht garantieren.

Auf der anderen Seite muss es Sicherheiten und eine strenge Verifikation geben, dass der Iran alle Regelverstöße seit 2019 zurückfährt – zum Beispiel müssen die Uranbestände wieder aufgelöst werden, bestimmte Zentrifugen wieder eingemottet werden. Das ist alles möglich, aber hochkomplex.

Frage: Warum hat Trump den Atomdeal eigentlich verlassen?

Antwort: Er ist dessen Kritikern – in den USA, Israel, aber auch den arabischen Golfstaaten – in der Argumentation gefolgt. Er wollte einen "besseren" Deal, der ist aber auch heute nicht in Sicht. Der JCPOA hat zwei Defekte: erstens einmal bezieht er sich ausschließlich auf das nukleare Thema. Irans Raketenprogramm, das in der Region ebenfalls als Drohung wahrgenommen werden – wird nicht, oder nur ganz am Rande und nicht wirksam, thematisiert. Weiters berührt er nicht die aggressive iranische Regionalpolitik. Den Verhandlern von damals war es wichtig, das akute Problem des sich trotz der Sanktionen rasch entwickelnden iranischen Atomprogramms zu lösen. Der Iran betonte auch damals – und heute –, nur darüber verhandeln zu wollen.

Zweitens haben die Beschränkungen des iranischen Urananreicherungsprogramms ein Ablaufdatum und werden deshalb als "sunset clauses" kritisiert: das heißt, bei Einhaltung der Regeln durch den Iran würden die Limits nach und nach fallen. Sie haben jedoch teilweise eine lange Laufzeit, und die verschärften Kontrollen, die durch die IAEO durchgeführt werden, blieben bestehen. Auch diese Kontrollen lässt der Iran derzeit nicht mehr in vollem Umfang durchführen. Da gibt es einen Kompromiss mit der IAEO, der Ende Mai ausläuft. Die Zeit drängt auch deshalb. (Gudrun Harrer, 17.4.2021)