"Die Schulöffnung am 26. April ist fix. Lockerungen, die wir machen, werden langanhaltend sein", sagt Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos.

Foto: Robert Newald

Auch wenn der Termin zuletzt mehrmals nach hinten verschoben wurde: Die Schulöffnung am 26. April in Wien ist fix, sagt Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos im STANDARD-Interview. Dass das Burgenland bereits am Montag öffnet, bezeichnete er als "Zickzackkurs".

STANDARD: War es notwendig, die Schulen in Wien seit Ostern über Wochen erneut ins Distance-Learning zu schicken?

Wiederkehr: Es ist bitter, aber es war leider notwendig. Die Intensivstationen sind überlastet. Um Menschenleben zu retten, musste es gravierende Einschnitte auch in den Schulen geben. Ich habe mich aber sehr dafür eingesetzt, dass wir als Erstes von allen Maßnahmen die Schulen wieder öffnen. Die Lockerung ab 26. April ist ein Kompromiss.

STANDARD: Im Dezember haben Sie den Schul-Lockdown als "falsche Entscheidung" des Bundes kritisiert. Warum haben Sie Ihre Meinung komplett geändert?

Wiederkehr: Die Umstellung auf Distance-Learning war angesichts der vollen Intensivstationen leider erforderlich.

STANDARD: Der Lockdown gilt bald nur noch in Wien und Niederösterreich. Im Burgenland kehren die Schüler bereits ab dem kommenden Montag wieder an die Schulen zurück. Hätten Sie sich das auch für Wien gewünscht?

Wiederkehr: Ich hätte mir ein gemeinsames Vorgehen der Ostregion gewünscht. Im Burgenland sehe ich einen Zickzackkurs von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.

STANDARD: Wien hat die Öffnung der Schulen zizerlweise immer weiter verschoben.

Wiederkehr: Es ist mir wichtig, eine Perspektive zu geben. Die Schulöffnung am 26. April ist fix. Die Lockerungen, die wir machen, werden langanhaltend sein. Im Mai folgen weitere. Alle Empfehlungen der Experten zeigen, dass wir sehr behutsam sein müssen.

Christoph Wiederkehr: "Die Schulöffnung am 26. April ist fix." Es wird demnach zu keiner weiteren Verlängerung des Schul-Lockdowns kommen.
Foto: APA / Hans Punz

STANDARD: Laut einer Studie aus den Niederlanden haben Volksschüler im Homeschooling praktisch keinen Lernfortschritt erzielt. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Wien?

Wiederkehr: Wir werden in Förderunterricht direkt in Schulen investieren, 13 Millionen Euro stehen Wien zur Verfügung. Im Sommer werden wir über Kurse und die Summer City Camps schauen, dass nicht nur Lernerfolg nachgeholt wird, sondern auch Bewegung oder Schwimmkurse stattfinden. Auch auf psychische Gesundheit muss geachtet werden.

STANDARD: Wann startet die Förderung?

Wiederkehr: Mit Ende des Lockdowns. Wir können zusätzlich mehr als 250 Dienstposten finanzieren, zum Teil über Überstunden.

STANDARD: Kinder, die im Distance-Learning zu Hause nicht die entsprechende Unterstützung erhalten, bleiben oft auf der Strecke. Um wie viele Kinder handelt es sich hier?

Wiederkehr: Mehrere Zehntausend Kinder haben Förderbedarf. Mit dem Budget, das wir jetzt zur Verfügung haben, können wir das bewerkstelligen. Aber: Die Defizite sind nicht sofort auszumerzen, sie werden noch in mehreren Jahren zu sehen sein.

Christoph Wiederkehr: "Mehrere Zehntausend Kinder" haben wegen den Auswirkungen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Förderbedarf. "Die Defizite sind nicht sofort auszumerzen, sie werden noch in mehreren Jahren zu sehen sein."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Wann kommt die Förderung an?

Wiederkehr: Die Schulen haben ihren Bedarf eingemeldet und können selbst entscheiden, wie sie die Förderstunden verwenden. Schüler können gezielt an die Schulen geholt werden. Ich gehe davon aus, dass es oft Kleingruppen geben wird.

STANDARD: Selbst wenn die Volksschüler zurückkehren, bleiben Ältere im Schichtbetrieb. Wann wird es wieder Normalität geben?

Wiederkehr: Ich kann mir vorstellen, dass trotz Schichtbetriebs noch im Mai an mehr Tagen in Schulen unterrichtet werden wird. Der Freitag im Distance-Learning ist sicher ein Thema, das wir angehen.

STANDARD: Einige Schulen wollten die Kinder in den Abschlussklassen im Distance-Learning lassen, wurden aber zurückgepfiffen. Warum hat man ihnen diese Möglichkeit nicht gegeben?

Wiederkehr: Ab nächster Woche können Schulen das selbst entscheiden. Die Verordnung ist in Ausarbeitung, es wird keine Weisung des Bildungsdirektors mehr geben. Fünf Schulen haben bisher den Wunsch deponiert.

Schulen können für Abschlussklassen ab sofort selbst entscheiden, freiwillig im Distance Learning zu bleiben, sagt Wiederkehr.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Schülerinnen und Schüler können für Schularbeiten in die Klassen geholt werden. An den Unis wird mittlerweile auch digital die Leistung überprüft. Warum gibt es keine Alternativen für Schulen?

Wiederkehr: Schulen haben auch bei der Leistungsbeurteilung stark auf Online umgestellt. Ich halte es aber für vertretbar, die Schüler für so ein Ereignis hereinzuholen. Vor Schularbeiten wird jedes Kind getestet. Darum ist es sinnvoll, das vor Ort zu machen.

STANDARD: Wie viele Kinder und Jugendliche sind derzeit trotz Lockdowns in Betreuung?

Wiederkehr: In den städtischen Kindergärten waren 57 Prozent in der vergangenen Woche in Betreuung, bei den Volksschülern war es ein Drittel, in der Sekundarstufe I 14 Prozent und in der Sekundarstufe II nur noch 8,5. Je mehr Kontakte reduziert werden, umso mehr sinken die Infektionszahlen und desto eher können wir im Mai Öffnungsschritte setzen.

STANDARD: Zumindest die Erstimpfungen im Bildungsbereich sind in Wien abgeschlossen. Wie hoch war die Impfbereitschaft?

Wiederkehr: Über 70 Prozent haben sich angemeldet. Insgesamt wurden über 35.000 Personen aus den Bereichen Kindergarten und Schulen geimpft.

STANDARD: Können Sie sich eine Impfpflicht für pädagogisches Personal vorstellen?

Wiederkehr: Ich halte aktuell nichts davon. Überzeugungsarbeit in den Schulen funktioniert sicher besser als die Impfpflicht.

Laut dem Bildungsstadtrat haben sich über 70 Prozent des Bildungspersonals in Wien zur Impfung angemeldet. "Insgesamt wurden über 35.000 Personen aus den Bereichen Kindergarten und Schulen geimpft."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Sollen die Sommerferien gekürzt werden, um Schüler stärker zu fördern?

Wiederkehr: Davon halte ich wenig. Was ich mir vorstellen kann, ist: Es gibt jetzt schon die Möglichkeit, dass Lehrer ein Kind mit einem Fünfer aufsteigen lassen können, ich würde den Faktor Sommerkursbelegung als Voraussetzung sehen. Wenn Kinder den Kurs nicht belegen, müssen sie das Jahr wiederholen. Es braucht noch eine Bundesregelung.

STANDARD: Wie viele Sommerkurs-Plätze gibt es für die Kinder mit Fünfern im Zeugnis?

Wiederkehr: In Wien gibt es rund 5000 Plätze in den Sommerschulen des Bundes.

STANDARD: Zusätzlich gibt es die Summer City Camps in Wien. Hier wurde wegen der Nachfrage auf 23.000 Plätze aufgestockt. Reicht das?

Wiederkehr: Jeder, der auf der Warteliste gestanden ist, bekommt einen Platz, dazu gibt es noch weitere. Wir haben über zehn Millionen Euro investiert, um mehr Plätze zu schaffen und Gruppen zu verkleinern. (INTERVIEW: Oona Kroisleitner, David Krutzler, 17.4.2021)