Ärzte, Pharmakonzerne und staatliche Institutionen können unter Umständen für Impfschäden haftbar gemacht werden. Die besten Erfolgschancen bietet das österreichische Impfschadengesetz.

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Schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Covid-Impfungen sind sehr selten. Angesichts der Meldungen über Thrombosen, die nach Impfungen mit Vakzinen von Astra Zeneca und Johnson & Johnson aufgetreten sind, fragen sich dennoch viele, wie man in einem solchen Fall zu Schadenersatz gelangen kann.

Ärzte, Pharmakonzerne, staatliche Institutionen – sie alle können unter Umständen für Impfschäden haftbar gemacht werden. Im Detail unterscheiden sich die Voraussetzungen und Erfolgschancen. Zahlungen an geschädigte Personen scheitern oft daran, dass der Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden nicht nachgewiesen werden kann. Am realistischsten ist ein Ersatz nach dem österreichischen Impfschadengesetz.

Anspruch gegen den Staat

Das Gesetz sieht bei Impfungen, die per Verordnung empfohlen werden, einen Anspruch der geschädigten Personen gegen die Republik Österreich vor. Davon sind auch die zugelassenen Covid-19-Impfstoffe umfasst. Übliche Reaktionen wie Übelkeit oder leichtes Fieber reichen freilich nicht aus. Erst Schäden mit kurzfristigen schweren Folgen oder Dauerfolgen begründen einen Ersatzanspruch.

Betroffene Patientinnen und Patienten können sich an das Sozialministerium wenden und einen Antrag auf die staatliche Leistung stellen. Da es sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt, entscheidet im Streitfall ein Verwaltungsgericht darüber, ob der Staat zahlen muss oder nicht.

Beweiserleichterung

Auch im Bereich des Impfschadengesetzes muss ein Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden hergestellt werden. Allerdings wird in den Erläuterungen zum Gesetz festgehalten, dass der Anspruch auf Entschädigung bereits dann besteht, "wenn die Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf die verabreichte Impfung zurückzuführen ist".

Dem folgt auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung. Der Entschädigungsanspruch besteht nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Fall der "Kausalitätswahrscheinlichkeit". Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Impfung für die Gesundheitsschädigung verantwortlich ist, ist laut Höchstgericht dabei von drei Faktoren abhängig: dem zeitlichen Zusammenhang, der entsprechenden Symptomatik und dem Umstand, dass es keine andere, wahrscheinlichere Ursache für die Beeinträchtigung gibt. (VwGH 15.7.2011, 2008/11/0199)

Ersatzansprüche gering

Laut Andreas Kletecka, Professor für Zivilrecht an der Universität Salzburg und Experte für Haftungsrecht, könnten diese Voraussetzungen etwa in Fällen von Thrombosen durchaus erfüllt sein. "Es gibt mittlerweile relativ genaue Angaben darüber, wann und bei welchen Personen derartige Nebenwirkungen auftreten können. Besteht keine andere, wahrscheinlichere Ursache für die Thrombose, wären die Voraussetzungen des Impfschadengesetzes bereits erfüllt."

Die Ersatzansprüche seien allerdings relativ gering. Das kritisierte auch Patientenanwalt Gerald Bachinger in einem Interview mit der APA und forderte eine Überarbeitung des Gesetzes. Grundsätzlich muss der Staat Behandlungs- und Rehabilitationskosten übernehmen. Verursacht eine Impfung Dauerschäden, kann allerdings auch ein Anspruch auf lebenslange Beschädigtenrente bestehen. Beim Tod eines Patienten haben Angehörige zudem Anspruch auf Witwen- oder Waisenrente.

Haftung der Pharmakonzerne

Schlagzeilen machte zuletzt die Meldung, dass die EU die Haftung der Pharmakonzerne vertraglich übernommen habe. Dass die EU letztlich zur Kasse gebeten wird, ist allerdings äußert unwahrscheinlich. Im Bereich der Hersteller ist grundsätzlich das Produkthaftungsgesetz anwendbar, das einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen die Produzenten vorsieht. Es muss aber nachgewiesen werden, dass die Impfung für eine bestimmte Gesundheitsschädigung verantwortlich war.

Dieser Kausalitätsnachweis dürfte laut Kletecka bei der Herstellerhaftung deutlich schwieriger zu erbringen sein. Die geschädigte Person muss beweisen, dass ein Produkt fehlerhaft ist und nicht die Sicherheit bietet, mit der man rechnen darf. "Praktisch jedes Medikament hat Nebenwirkungen, auf die die Hersteller hinweisen. Gibt es einen entsprechenden Hinweis, müssen Konsumenten auch damit rechnen."

Ausnahmen bei Innovationen

Darüber hinaus gibt es im Produkthaftungsgesetz Ausnahmen für das sogenannte "Entwicklungsrisiko". Wenn Fehler auftreten, die für den Hersteller nach den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen nicht vorhersehbar waren, ist die Haftung ausgeschlossen. Dass die Pharmakonzerne in ihren Vertragsverhandlungen dennoch auf einer Haftungsübernahme durch die EU bestanden haben, ist laut Kletecka auf deren starke Verhandlungsposition zurückzuführen. Das ohnehin niedrige Haftungsrisiko habe so weiter reduziert werden können.

Eine gewisse Rolle dürfte auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2017 gespielt haben, das für die Produkthaftung in Frankreich lediglich "klare und übereinstimmende Indizien" für den Kausalitätsnachweis akzeptierte. (EuGH 21.6.2017, C-621/15, Sanofi Pasteur MSD) Die reine Vermutung eines Zusammenhangs reiche jedenfalls nicht aus. Die Entscheidung hat für die österreichische Rechtslage auch kaum Auswirkungen, weil die genauen Beweiserfordernisse national geregelt werden.

Haftung der Ärzte unwahrscheinlich

Ärztinnen und Ärzte haften nur dann, wenn eindeutige Behandlungsfehler vorliegen oder Patientinnen und Patienten über mögliche Nebenwirkungen nicht aufgeklärt werden. Damit dieser Pflicht auch unter Zeitdruck in Impfstraßen entsprochen werden kann, hat das Gesundheitsministerium einen standardisierten Aufklärungsbogen entworfen. (Jakob Pflügl, 19.4.2021)