Philharmoniker-Geschäftsführer Michael Bladerer plädiert auch für Durchimpfung anderer Künstlergruppen.

Foto: Karl Schöndorfer/Toppress

Seit öffentlich wurde, dass zwei Drittel der Wiener Philharmoniker bei der Impfung vorgereiht wurden, ist darüber eine Debatte entbrannt, die dissonanter als jedes Schönberg-Opus ist. Die bevorzugte Behandlung stellt für die IG Freie Theaterarbeit einen "Schlag ins Gesicht" aller Kunstschaffenden dar. Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren wiederum hält es zwar für "bedauerlich, wenn es nun auf Schleichwegen zu notwendigen Impfungen kommt", er fordert aber eine umgehende Einbeziehung der Kunstschaffenden in den Impfplan.

Bei einem Gespräch mit Medienvertretern reagierte der Geschäftsführer der Philharmoniker gereizt auf diese "Neiddebatte". Michael Bladerer führte an, dass die Philharmoniker in ihrer Funktion als Mitglieder des Staatsopernorchesters dort in den letzten fünf Monaten vier Premieren und vier Wiederaufnahmen gespielt hätten – oft unter schwierigsten Bedingungen.

Plädoyer für Durchimpfung der Kultur

Bei der siebenstündigen Parsifal-Hauptprobe habe der Chor an der Rampe "aus Leibeskräften" gesungen: "Das ist eine Gefährdung!" Auf den Einwurf des STANDARD, dass die noch viel gefährdeteren Chormitglieder anscheinend nicht in den Genuss einer Impfvorreihung gekommen sind, antwortete Bladerer mit einem Plädoyer für die Durchimpfung aller Beteiligten.

Auch ein knappes Dutzend an Fernsehproduktionen habe man in den letzten Monaten gestemmt: "Wer sonst in diesem Land hat kulturell so etwas geleistet? Da gibt es einen großen Abstand zu allen Institutionen. Das können nur wir." Verdient hätten die Philharmoniker daran nur unwesentlich: "Wir machen das für die Menschen in diesem Land. Damit sie, wenn sie den Fernseher aufdrehen, noch Kultur erleben können. Sonst hätten sie nämlich gar nichts."

Millionenverlust befürchtet

Das Orchester kündigt auf seiner Homepage 14 Auftritte im europäischen Ausland von Anfang Mai bis Anfang Juni an. Das in über 30 Länder übertragene Konzert an der Mailänder Scala mit Riccardo Muti sieht Bladerer dadurch gefährdet, dass die Wiener Staatsoper, die ab Mitte Mai wieder probt, berechtigt sei, im Krankheitsfall eines Musikers in Wien Kräfte aus Mailand abzuziehen. Die Absage des Konzerts und hohe Strafzahlungen für das Orchester wären die Folge.

Das Sommernachtskonzert sieht Bladerer aufgrund dieses Rechts der Staatsoper, die sich momentan zu dem Themenkreis nicht äußern möchte, ebenfalls in Gefahr. Eine Absage würde "einen Millionenverlust" für das Orchester bedeuten. "Wir verdienen viel Geld im Ausland, das wir hier versteuern. Wir bringen diesem Land Millioneneinnahmen, netto. Wir haben bisher von den Einnahmeausfällen drei Prozent bekommen." (Stefan Ender, 18.4.2021)