Wolfgang Mückstein wurde am Montag von Alexander Van der Bellen als Gesundheitsminister angelobt.

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Ein Minister in Turnschuhen bei der Angelobung: Als sich vor gut 35 Jahren der deutsche Grüne Joschka Fischer diesen Stilbruch erlaubte, sorgte das noch für Aufregung. An diesem Montag schritt Wolfgang Mückstein wie selbstverständlich in legerem grauem Schuhwerk zu seiner offiziellen Inauguration in die Hofburg. Offener Hemdkragen ohne Krawatte zählt bei den Grünen ohnehin schon zum Standard.

Viel zu besprechen gab es im Vorfeld nicht. Gerade einmal für fünf Minuten hatten sich Mückstein, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler zurückgezogen, ehe sich die rote Tapetentür in der Präsidentschaftskanzlei auch schon wieder knarrend öffnete. "Hautnah, direkt und ungefiltert" habe der neue Ressortchef die Corona-Pandemie erlebt, hielt das Staatsoberhaupt fest, schließlich war der Allgemeinmediziner in Wien-Mariahilf im ersten Primärversorgungszentrum Österreichs, einer Gruppenpraxis mit breitem Angebot, tätig. "Pionierarbeit" habe Mückstein da geleistet, lobte VdB. Nun gelte es nicht nur, die Pandemie in den Griff zu bekommen, sondern auch die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

Die formelle Akt der Angelobung war schnell abgehakt. "Sehr aufregend, eine wunderschöne Zeremonie", kommentierte Mückstein. Nun freue er sich auf die Arbeit.

Schlüsselfiguren besetzt

Pünktlich zum offiziellen Startschuss hat der Newcomer sein Team formiert. Als Kabinettschefin hat er sich für die Anfangszeit Eva Wildfellner, bisher Generalsekretärin im von Vizekanzler Kogler geführten Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, geliehen. Wildfellner bringt in diese Schlüsselfunktion viel Erfahrung mit, sie war bereits (Vize-)Kabinettschefin unter mehreren Ressortchefs im Gesundheitsministerium, unter anderem unter den Sozialdemokraten Alois Stöger und Sabine Oberhauser. Im Juni soll sie als Generalsekretärin zu Kogler zurückkehren.

Die bisherige Kabinettschefin Ruperta Lichtenecker, eine langjährige Wegbegleiterin von Mücksteins Vorgänger Rudolf Anschober, trete auf eigenen Wunsch einen Schritt zurück, heißt es. Sie werde vorerst aber weiterhin für Beratung zur Verfügung stehen.

Die Kommunikationsleitung übernimmt Stephan Götz-Bruha, der bei Ö3 gearbeitet und die Agentur Media Brothers geleitet hat. Politische Vorprägung: Götz-Bruha hat die Social-Media-Kampagne im Bundespräsidentenwahlkampf von Alexander Van der Bellen orchestriert.

Viel zu tun gleich am ersten Tag

Schon am ersten Tag in seinem neuen Job steht für Mückstein einiges auf der Agenda: Im Anschluss an die Angelobung gibt es für den Neo-Minister ein "Briefing zur aktuellen Corona-Lage" mit Expertinnen und Experten, wo auch die aktuelle Impfsituation besprochen wird. Seine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung wird Mückstein dann am Nachmittag bei der Regierungsklausur zum "wirtschaftlichen Comeback" näher kennenlernen können. Die nächste Vorstellungsrunde hat Mückstein schließlich am Mittwoch, wenn er sich dem Nationalrat als neuer Gesundheitsminister präsentieren soll.

Neben diversen Kennenlernrunden startet Mückstein direkt in die Arbeit der Pandemiebekämpfung – ohne Schonfrist.

Was auf Mückstein zukommt

Detaillierter Öffnungsplan: Bis Ende der Woche soll ein detaillierter Öffnungsplan vorliegen. Ein genaues Datum, wann in Österreich gelockert wird, gibt es noch nicht. Bekannt ist vorerst nur, dass die Lockerungen "Mitte Mai" kommen sollen. Und zwar in allen Bereichen von Kultur über Sport und Gastronomie bis zu Tourismus gleichzeitig. Gerade von westlichen Ländern soll beim Corona-Gipfel das Feiertagswochenende rund um den 13. Mai (Christi Himmelfahrt) als Termin gewünscht worden sein. Das Aufsperren soll jedenfalls "behutsam" erfolgen. Aushandeln muss sich Mückstein den Fahrplan mit der von der Regierung installierten Öffnungskommission.

Testverweigerer: Laut einer Studie der Uni Wien lässt sich etwa die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher nicht oder nur selten testen. Zwischen Mitte Februar und Mitte März waren es 31 Prozent, die noch nie einen Covid-Test gemacht hatten. 19 Prozent gingen in diesen vier Wochen einmal testen – vermutlich weil sie einen Eintrittstest gebraucht haben. In Vorarlberg, das als Modellregion für Öffnungen gilt, sind Tests etwa für einen Besuch in der Gastronomie notwendig. Der Anreiz dürfte jedenfalls wirken: Allein am Sonntag meldete das Ländle bei der Ages 18.660 Testungen ein. Das sind rund 4700 auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner gerechnet. Zum Vergleich: In Wien beträgt dieser Wert 2914, in Kärnten nur rund 160.

Impfskeptiker: Derzeit gibt es noch weniger Impfstoff als Personen, die den Stich herbeisehnen. Aktuell gilt es also, das Tempo der Impfkampagne möglichst zu erhöhen. Doch vermutlich im Laufe des Sommers wird sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage drehen: Bis Ende Juni werden sieben Millionen Dosen erwartet, im Laufe des dritten Quartals weitere zwölf Millionen. Derzeit rechnet die Regierung mit etwa fünf Millionen Impfwilligen. Im Gesundheitsministerium schielt man aber schon jetzt auf den Rest und betrachtet etwa die bisher zurückhaltende Impfbereitschaft beim Bildungspersonal mit Sorge. Denn eine hohe Durchimpfungsrate wird letztlich dazu beitragen, die Pandemie in Schach zu halten.

Grüner Pass: In ihm soll alles gebündelt sein: der Nachweis über eine Impfung, ein negatives Testergebnis genauso wie eine zurückliegende Corona-Erkrankung. Auf EU-Ebene soll dieses Projekt bis Ende Juni umgesetzt werden und Reisen wieder ermöglichen. Doch auch im Inland könnten die Nachweise als Eintrittskarte zu Veranstaltungen, in die Gastronomie oder den Handel dienen, sobald das gesellschaftliche Leben wieder Fahrt aufnimmt. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde allerdings jüngst durch die Opposition im Bundesrat bis Ende Mai blockiert.

Soziale Folgen: Als Gesundheits- und Sozialminister hat Mückstein gleich auch jenen Themenbereich im Haus, der die "Nebeneffekte" der Corona-Pandemie betrifft. Nicht nur die psychosozialen Probleme verschärfen sich in der Gesamtbevölkerung zusehends, auch im Bereich der Mindestsicherung wird das Ressort künftig gefordert sein.

Riesenbaustelle Pflege: Es gibt viele Bereiche, die durch Corona ins Hintertreffen gerieten. Doch in vielen hat sich die Situation dadurch bloß verschärft. So wartet die groß angelegte Pflegereform nach wie vor auf Umsetzung. (Gerald John, Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, 19.4.2020)