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Juventus-Präsident Andrea Agnelli war offenbar eine der treibenden Kräfte hinter der Super League, er ist zum Start einer der zwei Vize-Vorsitzenden.

Foto: REUTERS/Massimo Pinca

An jedem anderen Montag hätte die Uefa ein PR-Debakel erlebt. Europas Kontinentalverband segnete die Reform der Champions League ab: 36 statt 32 Teams in einer großen Liga – inklusive zwei Plätze für Topklubs, die die Qualifikation sportlich vergeigen, ab 2024 aber dank einer Fünf-Jahres-Rangliste in den Bewerb rutschen würden.

Es war aber nicht jeder andere Montag, denn um 0.30 Uhr unserer Zeit gaben zwölf Klubs die Gründung der sogenannten Super League bekannt. Manchester United, Manchester City, Liverpool, Chelsea, Arsenal, Tottenham, Milan, Juventus, Inter Mailand, Real Madrid, FC Barcelona und Atletico Madrid sind schon an Bord, drei weitere Teams sollen als "Gründungsmitglieder" folgen. Die deutschen Topklubs Bayern, Dortmund und RB Leipzig lehnen die Liga ab.

Das Konzept

Der Bewerb soll "so früh wie möglich" starten. Pro Saison gibt es fünf Plätze für Qualifikanten, die Liga soll in zwei Zehnergruppen mit Hin- und Rückspielen ausgetragen werden. Die drei besten Teams pro Gruppe würden sich für das finale K.-o.-Turnier qualifizieren. Die Gruppenvierten und -fünften spielen um die zwei letzten Plätze in der K.-o.-Phase, in der über vier Wochen der Titel ausgespielt werden soll.

Die Rechnung ist simpel: mehr Duelle von beliebten Klubs, viel mehr Geld durch TV-Rechte und sonstige Vermarktung. Die Spiele sollen unter der Woche gespielt werden, damit ist die Super League ein direkter Angriff auf die Uefa. Sie würde mit der Champions League konkurrieren und damit die große Cashcow des europäischen Fußballs entwerten.

Fans sind unglücklich über die Super League-Pläne
DER STANDARD

Fragezeichen Fifa

"Meiner Meinung nach müssen die Teams und Spieler von all unseren Wettbewerben ausgeschlossen werden. Es wird ihnen auch nicht mehr erlaubt sein, für ihre Nationalmannschaften aufzulaufen", sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin am Montag. "Es geht um Gier, Eigennutz und Narzissmus einiger Personen", schimpfte er.

Die Fifa brachte in einem kurzen Statement in der Nacht nur ihr "Missfallen zum Ausdruck". Gut möglich, dass der Weltverband in den kommenden Tagen und Wochen eine spannende Rolle in der Debatte einnehmen wird. Präsident Gianni Infantino hatte schon früher mit einer globalen Superliga geliebäugelt, in einem ersten Schritt treibt er den Ausbau der Klub-WM voran.

Die Super League könnte anbieten, als Qualifikationsturnier für die Klub-WM zu dienen und der Fifa damit schöne Augen machen. Das nächtliche Statement des Weltverbands war jedenfalls deutlich zahmer als frühere Stellungnahmen zu Super-League-Plänen, von einem WM-Ausschluss der Spieler war diesmal keine Rede. Infantino sollte morgen als Gast beim Uefa-Kongress sein.

Money, money

Die Superliga richtet sich explizit an ein globales Publikum. Der Vorsitzende Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid, betonte in der Gründungsaussendung "vier Milliarden Fans". Anhänger in den USA oder China haben zu den nationalen Ligen kaum Bezug, von ihnen ist weniger Widerstand zu erwarten – aber sehr, sehr viel Geld. Niemand in Schanghai will Liverpool gegen Malmö kicken sehen – aber Liverpool gegen Arsenal geht immer. So weit wohl das Kalkül der Super-League-Hintermänner.

Dank der Investmentbank JP Morgan wird der Rubel schon vor dem ersten Anstoß rollen, die beteiligten Teams können mit Milliarden rechnen. Das käme einigen der Riesenklubs sehr gelegen, vor allem der FC Barcelona steckt finanziell bekanntlich in größten Schwierigkeiten.

Viel Geld für die immer gleichen

Der Cashflow der Fixteilnehmer würde den Fußball zu einer Zweiklassengesellschaft machen und die nationalen Ligen unabhängig der Teilnahme von Real und Co entwerten. Es wäre nicht überraschend, wenn sich die Super League anfangs zu hohen Solidaritätszahlungen an die Fußballbasis verpflichtet – wie langlebig diese wären, läge dann aber auch in ihrer Hand.

Auch der Anteil der Spieler an der erwartbaren Geldschwemme ist ein Fragezeichen. In den Superliga-Plänen ist von einem nachhaltigen finanziellen Fundament und einem "spending framework" die Rede. Das könnte in einem Endausbau in Richtung Salary Cap mit Gehaltsobergrenzen gehen, wie es in den großen US-Sportligen bereits üblich ist.

Jetzt ist Krieg

Die erste Runde des PR-Kriegs verlor die Super League jedenfalls. "Dieser geschlossene Wettbewerb wird der letzte Nagel im Sarg des europäischen Fußballs sein und alles zerstören, was ihn so beliebt und erfolgreich gemacht hat", schrieb das europäische Fannetzwerk FSE. Zahllose Fanklubs und auch einige Spieler und Trainer sprachen sich klar gegen das Projekt aus. "Der Gier sind anscheinend keine Grenzen mehr gesetzt", sagte Stephan Reiter, Geschäftsführer von RB Salzburg.

Laut einem anonymen Vorstandsmitglied von einem der beteiligten Klubs sei die Reaktion einkalkuliert gewesen. "Um ehrlich zu sein, waren sie nicht sehr besorgt", sagte der Funktionär Sky Sports News. Den oft in den Händen von Investorengruppen liegenden Klubs geht es offenbar um Geld. "Die Gesundheit des Sports ist sekundär", wurde der Funktionär zitiert. Dass Spieler künftig von WM und EM ausgeschlossen werden könnten, sei für die Teambesitzer sogar erfreulich. "Sie geben ihre Spieler nur ungern für sehr wenig Geld an ihre Länder ab." Gefragt, ob das nun ein Bürgerkrieg im Fußball sei, sagte der Funktionär: "es ist ein Atomkrieg."

Der englische Ex-Kicker Alan Shearer sprach von einer "riesigen Granate" auf den Sport. "Die Premier League sollte mit einer eigenen Granate reagieren und sagen: 'OK, ihr werdet von der nächsten Saison an aus der Premier League verbannt.'", empfahl der Führende der ewigen Premier-League-Torschützenliste.

Machtspiele

Und genau diese Frage dürfte die zentrale sein. Reagieren die nationalen Verbände und die Uefa zahm, geben sie sich geschlagen und verlieren den Machtkampf. Gehen sie auf Konfrontation – beispielsweise durch einen Ausschluss von Chelsea, Real und ManCity aus der laufenden CL-Saison –, beschädigen sie ihr eigenes Königsprodukt. Würde die Premier League ihre sechs Topklubs wirklich rausschmeißen, wären die Konsequenzen kaum abschätzbar. Auch deshalb ist offen, mit wie viel Einigkeit und Durchsetzungskraft die nationalen Verbände in der Frage auftreten werden.

Setzt sich die Super League durch, würden die Ligen durch das ausgehebelte Prinzip der Qualifikation durch Leistung wohl abseits aller Verteilungsfragen an Reiz verlieren. Das wird schon nächstes Jahr relevant, wenn die TV-Verträge von Premier League und La Liga auslaufen.

Rechtsfragen

Bei allen Maßnahmen müssen zudem laufende Verträge und sonstige Konsequenzen von beiden Seiten mitgedacht werden, auch die Wettbewerbsbehörde der EU könnte noch einige Wörtchen mitzureden haben. Die Super-League-Teams haben bereits rechtliche Schritte ergriffen, um eine Einmischung von Uefa und Fifa zu verhindern.

Nach der Einschätzung des deutschen Sportrechtlers Paul Lambertz hat die Uefa "keine Handhabe. Denn rechtlich ist sie Monopolist, schließlich ist sie der einzige Anbieter eines europäischen Wettbewerbs. Sie darf also nicht alles machen, was sie will." Lambertz verwies im Interview mit der Funke Mediengruppe auf einen Präzedenzfall, in dem der Eislauf-Weltverband ISU die eigenen Statuten ändern musste, damit Athleten auch an externen Events teilnehmen können

Agnelli im Fokus

Ein Gegengewicht zu den vorgepreschten Zwölf will die europäische Klubvereinigung ECA sein, die die Super-League-Pläne ablehnt. Sie vertritt eben nicht nur die Superreichen, sondern auch die zweite Reihe – Klubs aus der Preisklasse Bayer Leverkusen, Ajax Amsterdam oder auch Salzburg. Der langjährige ECA-Boss Andrea Agnelli hatte die Vereinigung in der Nacht verlassen, nachdem er jahrelang eine Reform der Champions League zugunsten der reichsten Klubs forciert hatte. Die Gazzetta dello Sport warf ihm nun vor, die Uefa wie die ECA "verraten" zu haben.

Auch Uefa-Präsident Aleksander Ceferin war mäßig gut auf Agnelli zu sprechen. "Er ist die größte Enttäuschung von allen, ich habe noch nie jemanden so oft und beharrlich lügen sehen. Es ist unglaublich", sagte Ceferin, der übrigens Taufpate von Agnellis Tochter ist. Auch mit ManUnited-Chef Ed Woodward habe Ceferin erst am Donnerstag gesprochen: "Er sagte, er ist sehr zufrieden mit der CL-Reform und wollte nur über Financial Fairplay sprechen, obwohl er offensichtlich schon etwas anderes unterschrieben hatte." (Martin Schauhuber, 19.4.2021)