Mit einer Corona-Infektion darf man nicht arbeiten. Das gilt genauso für einen Bauarbeiter, der verurteilt wurde, weil er es trotzdem tat, wie für jene Sicherheitsmitarbeiter, die eine Mail bekommen hatten, in der Corona-Tests verboten wurden.

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Herr D. lag gerade recht geschwächt mit seiner Frau auf dem Sofa, als ihn eine SMS seines Schichtleiters H. erreichte: "Dein letzter Tag in Quarantäne ist am 25.4. Bitte mach keine Tests mehr, da du schon positiv warst", heißt es da darin. Und weiter: "Wenn es dir das nächste Mal schlecht geht, MACHE KEINEN TEST! (...) Durch deinen bei der Gesundheitsbehörde gemeldeten Test geht es uns schlecht wegen der Besetzung! BITTE KEINE TESTS!!"

D. und seine Frau haben gerade mit mittelschweren Covid-Symptomen zu kämpfen und waren "verärgert und überrascht" über die Nachricht, erzählen sie. Kurz darauf verschickte der Schichtleiter auch an die restlichen 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Team eine Mail. Darin war etwa Folgendes zu lesen: "Falls sich eine Person nicht gesund fühlt, so SOLL DIESE AUF KEINEN FALL EINEN Covid-Test durchführen lassen (in der Teststraße) und dies bei der Gesundheitsbehörde veröffentlichen, sondern wie im normalen Leben eine Krankmeldung tätigen."

Verunsicherte Mitarbeiter

Denn: Durch falsch-positive Tests, so heißt es in der Mail, könnten die Mitarbeiter nicht eingesetzt werden, man könnte bald den Auftrag für den Schutz eines Objekts verlieren. Abschließend betont H., dass diese Regeln für alle "Mitarbeiter OHNE AUSNAHME" gelten – und kündigt "drastische Konsequenzen" an.

D. bemühte sich noch am Wochenende um ein direktes Gespräch mit H., stieß aber auf "verschrobene Ansichten", sagt er. Also wandte D. sich an die Chefetage. Viele seiner Kollegen seien junge, sehr unsichere Menschen, die sich große Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. "Ich will, dass das richtiggestellt wird und dass Menschen geschützt werden", sagt D. Er und seine Frau befinden sich langsam auf dem Weg der Besserung.

Mehrere Verurteilungen

Dass immer wieder Corona-infizierte Personen dennoch arbeiten gehen, zeigen auch die immer mehr werdenden Prozesse wegen der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Da ging es etwa kürzlich in Vorarlberg um einen Altenheimleiter, der trotz Infektion im Heim war, in Graz wurde der Fall eines Paketzustellers verhandelt, weil er beim Contact-Tracing gelogen hatte. Schon im August wurde in Wien ein Bauarbeiter nicht rechtskräftig verurteilt, weil er trotz Infektion am Bau war.

Bei der Arbeiterkammer schlugen dennoch bisher keine Fälle wie jener aus dem Sicherheitsunternehmen auf. Von der Gewerkschaft Vida heißt es dazu, man müsse den Fall nun genau prüfen. "Eine Verunsicherung von Beschäftigten gerade in der Bewacherbranche ist sehr problematisch und zu vermeiden, da die Kolleginnen und Kollegen Kontakt zu sehr vielen Menschen haben und eine so wichtige Rolle in der Bekämpfung der Pandemie einnehmen", sagt Ernst Kreissler, Vorsitzender des Fachausschusses Bewachungsgewerbe der Gewerkschaft. Er ruft Beschäftigte, die derartige Anweisungen bekommen, auf, sich bei der Gewerkschaft zu melden.

Geschäftsführer widerspricht

Der Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens widerspricht den Nachrichten auf Nachfrage des STANDARD jedenfalls entschieden. Erstens habe der Mann, der sie gesendet hatte, keine Vorgesetztenfunktion, sondern kümmere sich lediglich um die Schichtplanung für den Schutz eines Objekts. Und zweitens widerspreche der Inhalt der Nachricht diametral der Firmenpolitik, sie sei nicht mit Vorgesetzten abgestimmt.

Noch am Montagnachmittag gehe daher eine weitere Mail an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man wolle sie, so der Geschäftsführer, darüber informieren, dass derartiger "Unsinn" Privatmeinung und damit nichtig sei. Außerdem wird der Mitarbeiter zum Regionalleiter zitiert, arbeitsrechtliche Konsequenzen stehen im Raum.

Zweifelhafte Quellen

Doch wie kommt der Mann auf diesen "Unsinn"? Er bezieht sich in seiner Mail auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wien. Das existiert tatsächlich, darin geht es eigentlich um eine Demo, die die FPÖ angemeldet hatte. Sie wurde im Vorfeld untersagt – zu Unrecht, wie der Verwaltungsrichter feststellte. Was er eben damit begründet, dass ohnehin die gesamte Pandemiebekämpung falsch laufe, eben etwa, weil PCR-Tests nicht zur Diagnostik des Coronavirus geeignet seien.

Das Urteil ist heftig umstritten, Verwaltungs- und Verfassungsjurist Peter Bußjäger nannte es nicht nur "kühn", sondern auch "schräg". Anstatt Sachverständigenbeweise für die gewagten Aussagen zu bringen – immerhin widersprechen sie dem wissenschaftlichen Konsens –, bezieht sich der Richter unter anderem auf ein zweiminütiges Youtube-Video. In dem geht es um Aussagen eines Chemikers, der schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie starb.

Die Landespolizeidirektion (LPD) Wien will gegen das Urteil vorgehen. Nur: Das ist nicht besonders aussichtsreich. Denn eigentlich ist für Fragen der Versammlungsfreiheit der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zuständig, und bei dem kann die LPD als Behörde keine Beschwerde einbringen. Schafft es die LPD aber, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit einer außerordentlichen Revision befasst, sagt Bußjäger, dann hätte die Polizei wohl gute Chancen, dass sie recht bekommt. Damit wäre das Urteil, das nicht nur den Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, sondern seitdem auch viele andere Corona-Skeptiker befeuert, hinfällig. (Gabriele Scherndl, Olivera Stajić, 19.4.2021)