Der gegenwärtige Umbau des Energiesystems steht der Liberalisierung der Energiemärkte vor 20 Jahren, die mehr Wettbewerb gebracht hat, in nichts nach.

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Wer gedacht hat, die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte vor 20 Jahren sei ein kaum zu toppender Kraftakt gewesen, muss sich vermutlich eines Besseren belehren lassen. Die kommenden zehn Jahre würden für die Branche zumindest ebenso herausfordernd werden, wie es die vergangenen 20 Jahre waren. Davon sind die Chefs der Regulierungsbehörde E-Control, Wolfgang Urbantschitsch und sein frisch bestellter Vorstandskollege Alfons Haber überzeugt. Am Ende des groß angelegten Umbaus soll ein Energiesystem stehen, das zumindest bilanziell zu 100 Prozent auf erneuerbaren Quellen basiert.

Haber (49) ist Anfang April statt Andreas Eigenbauer neu in die Vorstandsetage der Regulierungsbehörde gekommen. Für ihn ist es die Rückkehr in ein Haus, das er bereits gekannt hat. Der gebürtige Kärntner, zuletzt Professor für Netz- und Systemintegration sowie Prodekan an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut und bis 2018 auch an der TU München tätig, war von 2002 bis 2009 schon einmal bei der E-Control, als Senior Expert. Urbantschitsch (51) war zu der Zeit Chefjurist des Hauses, bevor er 2016 zusammen mit Eigenbauer die Nachfolge von Walter Boltz und Martin Graf an der Spitze der weisungsfreien Behörde antrat.

Warten auf Enegeeffizienzgesetz

115 Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen sind in der E-Control beschäftigt. Für die Kosten, zuletzt etwas mehr als 18 Millionen Euro, kommen die Energieversorger nach einem bestimmten Schlüssel auf. Für Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen wie beispielsweise Tarifkalkulator oder Energiestatistiken, gibt es Geld vom Bund.

Wolfgang Urbantschitsch (li.) macht weiter an der Spitze der E-Control, Alfons Haber (re.) sitzt statt Andreas Eigenbauer die nächsten fünf Jahre an seiner Seite.
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Damit der Umbau des Energiesystems weg von fossilen hin zu sauberen, CO2-freien Quellen gelingen kann, genügt es nicht, Wind, Sonne, Wasserkraft, und was es sonst noch an klimaschonenden Erzeugungsmöglichkeiten gibt, auszubauen. Zumindest ebenso wichtig sei es, Energie effizienter, sprich sparsamer einzusetzen. Das alte, von vielen Seiten als zahnlos bezeichnete Energieeffizienzgesetz ist Ende 2020 ausgelaufen. Die Nachfolgeregelung hat sich Corona-bedingt verzögert, soll nach Auskunft des zuständigen Energieministeriums aber "demnächst" vorgelegt werden. Statt der Energieagentur, in der die Monitoringstelle für Energieeffizienz bisher angesiedelt war, soll in Sachen Einsparung künftig die E-Control eine zentrale Rolle einnehmen. "Wir haben das Know-how dazu und kennen uns gut aus", sagte Urbantschitsch. Die Entscheidung des Gesetzgebers stehe allerdings noch aus.

Neue Aufgaben für E-Control

Neue Aufgaben dürften auf das Haus auch in Sachen Konsumentenschutz oder Netzreserve zukommen, um nur einige zu nennen.

Wettbewerb bleibe "das zentrale Anliegen" der E-Control, sagte Urbantschitsch. Gerade durch die im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vorgesehenen Energiegemeinschaften werde es zusätzliche Dynamik geben. Beim EAG, das den Ausbau erneuerbarer Energien in Österreich auf eine neue gesetzliche Basis stellt, hat nach der koalitionsinternen Einigung die Suche nach der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Parlament begonnen. Urbantschitsch wie Haber rechnen mit einem Beschluss noch vor dem Sommer und einer zügigen Inkraftsetzung.

An der Säumigkeit vieler Energieversorgungsunternehmen (EVU) beim Rollout neuer, intelligenter Stromzähler sollte der Start von Energiegemeinschaften jedenfalls nicht scheitern. Bei jedem Kunden und jeder Kundin, der oder die einen Smart Meter beantrage, müsse dieser vom EVU "in schicklicher Zeit" installiert und aktiviert werden. Smart Meter messen den Stromverbrauch in 15-Minuten-Intervallen und sind Voraussetzung für gemeinschaftliche Energieproduktion und -verbrauch. In Zukunft soll es nämlich möglich sein, dass sich mehrere Haushalte zusammenschließen, auf einem geeigneten Dach eine PV-Anlage errichten und den Strom gemeinsam nutzen. Dadurch sparen sie Strom- und Netzkosten und schützen das Klima.

Neues Tarifsystem in Ausarbeitung

Außerdem auf der Agenda der E-Control: ein neues Tarifsystem. Dieses soll dem vermehrten Aufkommen von E-Autos Rechnung tragen. Die Idee dahinter: Wer sein Auto gleichmäßig über Nacht lädt, soll weniger zahlen als jemand, der eine Schnellladung vornimmt und damit das Netz viel stärker beansprucht.

(Günther Strobl, 20.4.2021)