Die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz bespielt das Kunsthaus Bregenz mit rätselhaften Werken.

Pamela Rosenkranz, Kunsthaus Bregen

Der Verstand gibt zwar Entwarnung, trotzdem regt sich der Instinkt, wenn sich zu unseren Füßen plötzlich etwas seitwärts windend fortbewegt. Vorsicht, Schlange! Merkwürdig, wie viel Unbehagen so ein Bündel aus Kabeln und Sensoren auslösen kann, wenn es von einer reflektierenden Schuppenhaut umhüllt ist und dann und wann das Roboterköpfchen hebt. Pamela Rosenkranz führt als Erklärung für derlei Prozesse gerne evolutionsbiologische Gründe ins Feld.

Das betrifft auch unser Verhältnis zur Farbe Blau, das von der Tatsache geprägt sein soll, dass das Leben aus dem Wasser kam. Doch so sehr sich die 1979 geborene Schweizer Künstlerin auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse, biochemische Prozesse, Synthesen und Osmosen bezieht, so wenig zielt sie damit auf die Ratio, sondern vielmehr auf die Emotion. Um das Auslösen widersprüchlicher Empfindungen ging es auch in ihrem Beitrag für die Biennale in Venedig 2015, die Rosenkranz zu größerer Bekanntheit verhalf. Sie hatte den Schweizer Pavillon mit einer hautfarbenen Flüssigkeit geflutet und selbige auch in PET-Flaschen abgefüllt. Synthetisch hergestellte Haut zum Trinken: eine gruselige Vorstellung. Man könnte darüber fast vergessen, dass die Realität in puncto gegenseitiger Durchdringung von Natürlichem und Künstlichem längst die ärgeren Schocker zu bieten hat.

Rosenkranz ruft es einem im Kunsthaus Bregenz, das sie in ein House of Meme verwandelt hat, in Erinnerung. Etymologisch leitet sich die Bezeichnung für das Internetphänomen aus dem altgriechischen Wort für nachgeahmte Dinge ab und taugt somit als Steilvorlage für allerlei aktuelle Authentizitätsfragen von A wie Alexa bis Z wie Zoonosen. Dass Letztere durch die Eingriffe des Menschen in die Natur begünstigt werden, hat sich jüngst ziemlich herumgesprochen.

Mensch als Membran

Doch es geht bei Rosenkranz gar nicht so sehr darum, wie der Mensch die Natur überformt, er ist vielmehr selbst nichts anderes als eine durchlässige Membran an der Schnittstelle zwischen Natur und Künstlichkeit, Organischem und Algorithmen. So weit also die Theorie, in der mitunter etwas spröde wirkenden Praxis würde auch der eine oder andere konkrete Hinweis nicht schaden. Zum Beispiel auf die Tatsache, dass sich Jeff Bezos einst den Amazonas-Regenwald zum Vorbild für sein Unternehmen genommen hat und es zu einem ebenso großen und effizienten Organismus machen wollte.

Welche Widersprüche sich aus diesem Vorhaben zwangsläufig ergeben, ist im Foyer des Kunsthauses eher atmosphärisch erlebbar: Man sieht übereinandergestapelte Kartons mit Amazon-Logo, an den Wänden aus dem Internet kopierte Agenturfotos von Regenwäldern, die mit Häuten aus rosa Farbe übermalt sind, dazu Alexas Stimme, die das Warenangebot des Onlinehändlers alphabetisch aufzählt, aber zu den Öffnungszeiten nie über den Buchstaben A hinauskommt. Von oben strahlen derweil grüne LED-Scheinwerfer auf eine durchsichtige Plastikfolie, sie reflektiert das Licht ebenso gut wie Wasser – eine irgendwie unangenehme Erkenntnis, räumt Rosenkranz ein. Und lässt offen, was mit dieser Erkenntnis anzufangen sei.

Viagra und Sexual Power Paintings

Mit Slogans wie "Zurück zur Natur" kommt man in diesem House of Meme jedenfalls nicht weit. Aber auch nach Bezügen zu auf Feminismus basierenden Cyborg-Utopien à la Donna Haraway sucht man hier eher vergebens. Wobei sich Rosenkranz mit der Einnahme von Viagra und daraufhin entstandenen Sexual Power Paintings durchaus auch schon sarkastisch in Geschlechterfragen eingemischt und sich selbst zum Versuchskaninchen gemacht hat.

Im Kunsthaus Bregenz bleibt ihr Blick auf unsere von Künstlichem durchdrungene Lebenswelt betont wertfrei, was immerhin viel Raum für Assoziationen lässt. Etwa in der im zweiten Ausstellungsgeschoß eingerichteten, bildschirmblauen Kathedrale, deren Lichtquellen die Form gotischer Fenster haben. Bedenkt man, dass das Licht von LED-Bildschirmen einen negativen Einfluss auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin haben kann, gerät diese Rauminstallation zum Sinnbild für das Eindringen der Technik in den menschlichen Organismus. Rosenkranz stimuliert hier aber auch ganz andere Sinne: Brandgeruch wabert durch den Raum, er weckt in diesem Ambiente Assoziationen zum zwei Jahre zurückliegenden Brand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame.

Es kommen noch allerlei andere Andeutungen hinzu, zum Beispiel in Gestalt von ebenso blauen Spielzeugschlössern aus der Disney-Fabrik, in denen die Cyborgs vermutlich große Kulleraugen haben. Der Lebensraum des eingangs erwähnten Snakebots ist wiederum ein kühler Maschinenraum, in dem höchstens die abgestreiften Häute der Schlange auf so etwas wie Leben schließen lassen. (Ivona Jelčić, 20.4.2021)