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An Alexej Nawalny messen sich die politischen Kräfte von Regierung und Opposition.

Foto: AP / Alexander Zemlianichenko

Alexej Nawalny ist in eine andere Haftanstalt verlegt worden. Laut der Gefängnisverwaltung FSIN wurde der Oppositionelle aus der Strafkolonie Nummer zwei in Pokrow in die 80 Kilometer östlich liegende Gebietshauptstadt Wladimir überführt. Dort soll er auf die Krankenstation der Justizanstalt Nummer drei kommen.

Laut FSIN ist Nawalnys Gesundheitszustand "zufriedenstellend", er werde täglich von einem Allgemeinarzt untersucht. "Mit Einwilligung des Patienten wurde ihm eine Vitamintherapie verordnet", teilte die Behörde mit.

Wenn die Maßnahme als Kompromiss gedacht war, so hat sie die Gemüter der Nawalny-Anhänger wenig besänftigt. Sie fordern nach wie vor den Zugang eines unabhängigen Arztes zum 44-Jährigen, der seit seiner Inhaftierung zunehmend von Rückenschmerzen geplagt wird, die inzwischen auf Arme und Beine ausstrahlen. Nach inzwischen fast drei Wochen Hungerstreik ist der Kaliumgehalt in seinem Blut zudem auf einen kritischen Wert (7,1 mmol/Liter) gestiegen, der im schlimmsten Fall zum Herzstillstand führen kann.

Nawalnys Ärztin Anastasija Wassiljewa betonte daher, dass ihr Patient nicht ins Krankenhaus, sondern in ein anderes Gefängnis verlegt worden sei, "wo Tuberkulose behandelt wird. Das ist ganz sicher nicht die Klinik, wo seine Probleme diagnostiziert und geheilt werden", so Wassiljewa.

Demo ohne Abstimmung

Der Fonds zur Korruptionsbekämpfung (FBK) hat bereits am Sonntag den Termin für die nächste Protestdemo bekanntgegeben. Sie soll – symbolisch geplant – zeitgleich mit der Rede Wladimir Putins zur Lage der Nation am Mittwoch stattfinden. Im Gegensatz zu früheren Aktionen hat der FBK diesmal nicht einmal pro forma einen Antrag gestellt. Auch wenn diese in der Vergangenheit stets von der Obrigkeit abgelehnt wurden, zeugt das Vorgehen der Opposition von einer neuen Kompromisslosigkeit, die der FBK mit der Sorge um das Leben Nawalnys erklärt.

Allerdings droht den Teilnehmern der Proteste damit auch ein noch härteres Vorgehen der Sicherheitsorgane als bei den vorangegangenen Kundgebungen. Die Staatsanwaltschaft hat bereits beantragt, den FBK als "extremistisch" einzustufen, womit alle Aktionen der Organisation strafrechtlich verfolgt würden. Die Beteiligung an den illegalen Meetings werde entsprechend auch strafrechtliche Folgen haben, warnte die Behörde.

Neue Eskalationsstufe

Der Konflikt steuert damit geradewegs auf eine neue Eskalationsstufe zu. Die russischen Behörden haben in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich die Daumenschrauben angezogen. Geheimdienst und Polizei haben ihr Vorgehen gegen die letzten unabhängigen Medien drastisch verschärft. Ins Visier gerieten das Internetmedium "Waschnyje Istorii" (unter anderem nach der Veröffentlichung einer Korruptionsgeschichte um den Putin-Vertrauten und Rosneft-Chef Igor Setschin) und vor wenigen Tagen die Studentenzeitschrift "Doxa". Die Behörden werfen den vorläufig unter Hausarrest gestellten Journalisten vor, Minderjährige zu den Protesten gelockt zu haben. (André Ballin, 19.4.2021)