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Hier nur ein paar Produkte des Unilever-Konzerns, die vorwiegend für die Arbeit an einem Frauenkörper vorgesehen sind.

Foto: Unilever / REUTERS

Die Aufregung, der Ärger und die Wut waren groß. Ein Start-up brachte pinke Handschuhe auf den Markt, die beim "hygienischen" Wechseln und Entsorgen von Tampons und Binden helfen sollen. Warum müssen Frauen schon wieder extrasauber und unsichtbar ihre Menstruation im wahrsten Wortsinn verräumen?, so lautete der freundlichere Tenor in Richtung der beiden Unternehmer, die das Produkt auf den Markt brachten. Der unfreundlichere war eine Flut an Hassnachrichten an sie, die die Unternehmer nach eigener Aussage erhielten. Sogar Morddrohungen waren darunter, auch gegen Angehörige. Die beiden Gründer haben die Produktion der Pinky Gloves nun eingestellt. Nicht nur wegen der Hassnachrichten, sondern weil sie die sachliche Kritik daran nachvollziehen können. Sie hätten das Produkt nicht gut durchdacht, "wir haben die Kritik verstanden".

Von der Kritik zur Morddrohung?

Jedenfalls war der Weg von der berechtigten Kritik an dem Produkt hin zum endlosen Hindreschen sehr kurz. Was ist da passiert?

Zuerst einmal: Ja, es ist einigermaßen erschütternd, dass einem heute noch so ein Produkt einfällt und man es womöglich tatsächlich für gute Idee hält. Warum es das nicht ist, wurde schnell klar: Die Menstruation wird einmal mehr als Horrording dargestellt, extrem grausig, weg, weg, weg damit. Dieser und noch ein paar andere Grundgedanken zum patriarchalen Mindset, hinter dessen Folie Ideen wie diese sprießen, wurden zuhauf geäußert. Oft klug und mit inhaltlichem Mehrwert – und das ist gut so. Doch zu lustigen Memes und intelligenter Kritik mischte sich im virtuellen Furor auch boshafte Häme und echte Feindseligkeit. Wo Aufmerksamkeit als höchste Währung gilt, braucht es oft extreme Positionen oder aggressives Verhalten, um Follower zu gewinnen oder bei Laune zu halten. Der inhaltliche Austausch oder der berechtigte Protest gerät dabei in den Hintergrund.

Man sollte meinen, irgendwann wird es zu langweilig, zu gehässig, zu redundant, dass es wirklich nicht noch ein Instagram-Post, nicht noch einen Tweet braucht, um draufzukommen, was das Problem an den "Gloves" ist. Spätestens dann böte sich an, das Ganze als Gelegenheit zu nehmen, vom billigen Witzeln über zwei sehr kleine Player innerhalb unseres Konsumkapitalismus zu den größeren überzugehen. Zu den Konzernen, zu den Strukturen, auf die Feminist*innen nämlich völlig zu Recht immer hinweisen.

Alte, sinnentleerte Tradition

Es wäre eine Gelegenheit, auch auf die zahllosen und viel mächtigeren Firmen zu schauen, die genauso daran arbeiten, dass Frauen und ihre Körper auch weiterhin als defizitär gelten. Dass Frauen dieses und jenes und auch noch das brauchen. Viele dieser Unternehmen gerieren sich zu allem Überfluss heute auch noch als feministisch. Sie reiben uns unter die Nase, wir könnten nur mit diesen Slipeinlagen und jenen Tampons "selbstbestimmt" unserem Alltag nachgehen. Etwa in einem aktuellen Werbespot für Binden von Always (Procter & Gamble), in der eine junge Unternehmerin meint, sie wolle jeden Tag 100 Prozent leisten, dafür brauche sie ausreichenden "Schutz". Schutz wovor? Vor ein paar Tropfen ausbüxendes Menstruationsblut? Aussagen wie diese sind doch genauso sinnentleert wie Plastik-"Hygiene"-Handschuhe. Von Konzernen wie Procter & Gamble, Profis in Sachen Gendermarketing, sind wir das allerdings gewohnt – und nehmen sie meistens einfach hin.

Ansprüche nicht runterschrauben

Doch statt zu diskutieren, wo uns weitaus subtiler und professioneller Produkte untergejubelt werden, wälzt man sich in platten Ad-hominem-Argumenten (eh klar, kann nur Typen einfallen – und wie die ausschauen, haha) und schickt sogar Hassnachrichten. Es ist leider auf der Tagesordnung, dass auch andere Debatten über politischen Themen so verlaufen. Und dass die paar wenigen mächtigen Kommunikationsplattformen genau auf derartige Eskalationen setzen, die User*innen möglichst lang dort halten, das ist auch längst kein Geheimnis mehr. Trotzdem kommen offenbar noch immer zu wenige auf die Idee, dass es somit ein widerständiger Akt wäre, als User*in nicht brav die uns oktroyierten Kommunikationsordnung der großen Techkonzerne zu befolgen, laut der man sich bitte möglichst heftig befetzen soll.

Es hat letztlich auch nichts mehr mit feministischen Ansprüchen zu tun, wenn berechtigte Kritik in eine Flut an Hassnachrichten bis hin zu Morddrohungen übergeht. Inhaltliche Kritik an einem System, das weitaus größer ist als eine schlechte Produktidee, sowie eine Analyse der Strukturen, die immer wieder zu derlei misogynen Auswüchsen führt – nur das bringt uns weiter. Auch wenn das nicht in ein Insta-Post oder einen Tweet passt. Auch wenn das nicht der unmittelbaren Aggressionsabfuhr mithilfe von Hassnachrichten und Drohungen dient. Doch dafür war und ist feministische Kritik auch nicht da, ihre Ansprüche sind größer. (Beate Hausbichler, 21.4.2021)