Sehnsucht nach den guten alten Messezeiten, die objektiv noch gar nicht so lange, aber rein subjektiv schon Ewigkeiten her sind. Das ließ sich aus so mancher Keynote anlässlich der Uhrenmesse "Watches & Wonders" heraushören. Die Nachfolgerin des exklusiven Genfer Uhrensalons musste heuer Anfang April notgedrungen wieder online stattfinden. Wie schon im vergangenen Jahr, als Corona alle Messepläne über den Haufen warf.

Ein Bild von einer Uhr: H. Moser & Cie lässt bei der Endeavour Centre Seconds X Seconde/Seconde/ das Logo weg und fügt dafür einen Radiergummi als Stundenzeiger hinzu.
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Üblicherweise würden Gäste aus der ganzen Welt – Journalisten, Blogger, Händler – in den fein ausstaffierten Hallen der Palexpo in Genf von Präsentation zu Präsentation ziehen, tickende Preziosen befühlen, bewundern, kritisieren, Interviews führen und dazwischen bei einem Gläschen Champagner fachsimpeln oder versuchen, bei einer der Dinnerpartys einen Blick auf Promis zu erhaschen.

Baselworld ist tot

Während sich beispielsweise Thierry Stern, Chef von Patek Philippe, unterm Strich zufrieden mit dem Verlauf der "Messe" zeigte, musste er doch zugeben, dass ihm der echte zwischenmenschliche Kontakt weitaus lieber ist. Nicht nur das Format war für ihn ein Novum, auch die Teilnahme seiner Marke an dem Event. Denn seit die Baselworld, die einst größte Uhrenmesse der Welt, an ihrer eigenen Arroganz zugrunde gegangen war und sich auch deren designierte Nachfolgerin, Houruniverse getauft, als Totgeburt herausstellte, blieb nur noch Genf. Halt nur virtuell.

Rolex bleibt sich treu und präsentierte u. a. diese neue Version der Daytona mit Meteoritenzifferblatt.
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Mit Patek kehrten auch andere Größen der Branche, allen voran Rolex und die Marken der LVMH-Gruppe wie Hublot, Bulgari, Zenith und TAG-Heuer, Basel den Rücken und versammelten sich unter dem Dach der "Watches & Wonders". Die war früher als Genfer Uhrensalon quasi die Hausmesse des Richemont-Konzerns mit so klingenden Marken wie Panerai, A. Lange & Söhne oder Cartier. 38 Hersteller, darunter auch zahlreiche unabhängige, waren es schließlich, die ihre Produkte 2021 einem Fachpublikum via Zoom oder Livestreaming präsentierten.

Rekorde und Premieren

Was bringt also das noch junge Uhrenjahr 2021? Welche Trends zeichnen sich ab? Zunächst einmal wurden all jene nicht enttäuscht, die sich auf Meisterwerke der Haute Horlogerie, der hohen Uhrmacherkunst, gefreut hatten. Es gab einige Weltpremieren. Jaeger-LeCoultre etwa zeigte, dass man auch auf dem begrenzten Platze eines, in diesem Fall, rechteckigen Gehäuses eine ganze Menge Mechanik unterbringen kann. Denn anlässlich des 90-Jahr-Jubiläums seiner Art-déco-Uhr Reverso ließ man sich nicht lumpen und stattete den ikonischen Umklappzeitmesser mit elf Komplikationen aus.

Elf Komplikationen auf vier Zifferblättern bringt Jaeger-LeCoultre in der Reverso Hybris Mechanica unter.
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Es mag kompliziertere geben, aber hier gelang es das erste Mal, eine Armbanduhr mit vier funktionalen Zifferblättern auszustatten. So vereint die Reverso Hybris Mechanica Calibre 185 unter anderem einen ewigen Kalender, eine Minutenrepetition und die Anzeigen unterschiedlicher Mondzyklen in ihrem Wendegehäuse. Wer sie erwirbt, kann demnach nicht nur hören, welche Stunde gerade schlägt, sondern weiß auch, wann die nächste Sonnen- oder Mondfinsternis ins Haus steht. Sechs Jahre Entwicklungsarbeit gingen dieser Weltneuheit voraus, zwölf Patente wurden angemeldet.

Die Octo Finissimo Perpetual Calendar ist der flachste ewige Kalender der Welt und der siebente Weltrekord von Bulgari in Folge.
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Verlässlich lieferte auch Bulgari wieder einen Rekord ab. Denn die Römer entwickeln sich zu Serientätern, was das Thema Miniaturisierung angeht. Die Octo Finissimo Perpetual Calendar ist der flachste ewige Kalender der Welt und der siebente Weltrekord von Bulgari in Folge: Das automatische Uhrwerk ist gerade einmal 2,75, das Gehäuse im Ganzen nur 5,8 Millimeter stark. Die Entwicklung des Kalibers verlangte von den Konstrukteuren in Le Sentier im Schweizer Jura neue Lösungen, darunter den Einsatz eines Mikrorotors und die optimale Nutzung des Raums zwischen den Komponenten, ohne deren Abmessungen zu verringern.

Grüner wird's nicht

Was das äußere Erscheinungsbild der gezeigten Zeitmesser anbelangt, waren auffällig viele grüne Exemplare zu sehen. Ein Trend, der sich übrigens auch bei nicht an der "Watches & Wonders" beteiligten Uhrenmarken wie Breitling oder Audemars Piguet wiederfindet. Hervorgehoben soll hier die Nautilus 5711/1A-014 von Patek Philippe werden, da sie zum einen diesen Farbtrend aufnimmt und zum anderen den Abschied der Manufaktur von diesem Modell markiert. Nach der Ankündigung, dass 2021 das letzte Produktionsjahr der Referenz 5711/1A in Edelstahl sein wird, legte man den Liebhabern dieses legendären Modells also ein verspätetes Geschenk ins Osternesterl. Oder ein verfrühtes fürs nächste oder übernächste Osterfest – denn wie drückte es Thiery Stern aus: Es wird nicht leicht sein, eine zu ergattern. Aber das war es im Falle der Nautilus sowieso noch nie, wie all jene wissen, die schon auf der ellenlangen Warteliste der Vorgängermodelle standen.

Die Letzte ihrer Art: Mit dieser Version der Nautilus schickt Patek Philippe die Uhrenlegende in den Ruhestand.
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Grün ist auch in anderer Hinsicht ein Thema: Drückt es doch das Bemühen der Luxusuhrenbranche aus, sich mehr für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Corporate Social Responsibilty zu engagieren. Rolex tut sich dabei schon seit Jahren hervor, IWC Schaffhausen ist bereits seit 2007 als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert, Oris, Carl F. Bucherer und Breitling setzen sich unter anderem für den Schutz der Meere ein.

Hart im Nehmen ist die Big Pilot’s Watch Shock Absorber XPL von IWC mit patentiertem Schutzmechanismus.
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In dieselbe Kerbe schlägt Panerai und nutzte die Plattform, um eine Kooperation mit der Intergovernmental Oceanographic Commission der Unesco bekanntzugeben. Darüber hinaus ließ die Marke mit Uhren aufhorchen, die beinahe zur Gänze aus recycelten Materialien bestehen. Ganze 98,6 Prozent sind es beispielsweise bei der "Submersible eLAB-ID".

Submersible eLAB-ID von Panerai: Ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.
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Man wolle damit zeigen, dass es auch in der Luxusuhrenindustrie die Möglichkeit gibt, einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten, ohne Abstriche bei der Qualität zu machen, sagte Panerai-CEO Jean-Marc Pontroué bei der entsprechenden Keynote. Dafür habe man sich auch mit branchenfremden Unternehmen zusammengetan, die zum Beispiel wiederaufbereiteten Edelstahl, Titan, Silizium und selbst Leuchtmasse lieferten. Bemerkenswert dabei ist, dass Panerai diese Erkenntnisse nicht für sich behalten, sondern das Know-how auch der Konkurrenz zur Verfügung stellen möchte. (Markus Böhm, 20.4.2021)

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