Die drei Frauen von Zinn: Charmante und grantige Gitarrenmusik.

Foto: Christian Sundl

Die hübsch missmutige Debütsingle Diogenes wurde von der Wiener Band Zinn schon vor über einem Jahr im Wiener Gürtellokal Rhiz live vorgestellt. Das dazugehörige Video spielt im zum weiteren Geschehen passenden Vorstadtbeisl Café Defizit. Dort gehen die Menschen einander nicht nur freiwillig aus der Sonne, es wird laut dem Video offensichtlich tatsächlich auch Kaffee serviert – und natürlich in Umgangssprache gematschkert. Man gibt sich visionär grimmig: "Finstare Augn, schwara Schritt / Schlurfst du dahin, hoitst net mit."

Dann kam die Pandemie. Weitere Auftritte und vor allem der im Vorjahr ebenfalls anstehende Release des lange fertiggestellten Debütalbums von Zinn wurden immer weiter nach hinten verschoben: "Du wüst nix sein, wüst nirgendwo hin / Der Wind waht, und du woaßt, du bist in Wien." Übrigens eine hübsche Anspielung auf Falcos Ganz Wien.

Numavi Rec

Aktuell zum politischen Begleitgeschehen unseres heurigen Missvergnügens ist man jetzt mit der späten Veröffentlichung des titellosen ersten Albums allerdings trotzdem immer noch – oder schon wieder – vorne mit dabei: "Du, du hast an schlechtn Stil / Ganz weit weg von Sexappeal." Die Rede muss dabei nicht unbedingt nur von Turnpatschen sein. Nein, wirklich nicht.

Margarete Wagenhofer, Jasmin Strauss und Lilian Kaufmann haben sich auch für die neben Diogenes zu hörenden sieben anderen Lieder für den Weg des Rumpelns und Bockens entschieden. "Er wacht jetzt auf und schaut mi an / Der Typ is da Teifi – und mia san jetzt zsamm": Mit Ausnahme etwa der zitierten, hübsch nostalgisch an einer Bar spielenden nächtlichen und zünftig aufs Verzerrerpedal drückenden Absturzhüttenszene Black Lake bewegen sich Zinn dabei mit verhallter Klirrgitarre, Bass und Schlagzeug eher im Bereich geschrummtes elektrisches Liedermachertum.

Numavi Rec

Die Moorsoldaten und House of the Rising Sun aus Peter Burschs berühmter Gitarrenbuch-Reihe dürften der Songwriterin, Gitarristin und mit sonorer Altstimme vortragenden Margarete Wagenhofer ebenso bekannt sein wie das Werk der stilprägenden Hamburgerin Stella Sommer und ihrer Band Die Heiterkeit. Es bockt nicht nur, es schleppt und quält sich auch durchaus im Chansonbereich mitunter im für heutige Popzeiten aus der Bahn scherenden Dreivierteltakt dahin.

Wer noch dazu in Liedern wie Diogenes,Windmühlen oder dem dann doch zügig Fahrt aufnehmendem Lethargie ein Akkordeon einsetzt oder eine an der Grenze der eigenen technischen Fertigkeit japsende Bierzelt- und Mariachi-Trompete, der hat sowieso gewonnen. So schön schlecht ist es uns schon lange nicht mehr gegangen. Um es mit dem deutschen Autor Ralf Rothmann zu sagen: "Wahrhaftiges Tun braucht keine Professionalität." (Christian Schachinger, 21.4.2021)