
Neuer Hüter der Impfpriorisierung: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Zweiter von rechts) besucht eine Wiener Impfstraße.
Wien – Die Diskussion um die Covid-19-Impfreihenfolge werde höchst emotional geführt, sagt Gerald Bachinger, Patientenanwalt in Niederösterreich: "Da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt."
Tatsächlich kursieren massenhaft Berichte über Menschen, die – vermeintlich oder tatsächlich – gegen den Erreger außerhalb der vom Covid-19-Impfplan des Gesundheitsministeriums vorgesehenen Priorisierungsanordnung immunisiert wurden. Der herrschende Unmut ist – Stichwort Philharmoniker – beträchtlich.
Strenger Impfplan
Wer sind diese, wie es dann schnell heißt, Impfvordrängler? Wie kamen sie zu dem – zumindest in Teilen der Bevölkerung – hochbegehrten Stich? Besagter ministerieller Impfplan, der im März noch durch einen Erlass unterstrichen wurde, lässt derlei auf den ersten Blick nicht zu. Er sieht ein striktes Vorgehen nach Alter und Erkrankungsrisiko vor.
Wie in den meisten Staaten habe man sich auch in Österreich entschieden, schwerpunktmäßig gegen die schweren Krankheitsverläufe zu impfen – und nicht gegen ihre Ausbreitung, erklärt das der Simulationsforscher Nikolas Popper: "Das sind zwei verschiedene Strategien."
Popper: Priorisierung einhalten
Da das Erkrankungsrisiko mit zunehmendem Alter und dem Bestehen vor Vorerkrankungen enorm steigt, impfe man entlang dieser beiden Kriterien. So erreiche man "einen möglichst schnellen Abfall der Zahl Hospitalisierter" – derzeit Ziel Nummer eins.
Die Priorisierungsregeln, so Popper, müssten so strikt wie möglich eingehalten werden, "zumindest solange es noch zu wenig Impfstoff gibt". Schon ab Mai oder Juni könne es aber eher an Impfwilligen mangeln als an Impfstoff.
Organisiert von den Bundesländern, werden derzeit österreichweit Menschen über 65 Jahren sowie Hochrisikogruppenangehörige geimpft, in Wien sind auch Risikopatienten aufgerufen. Bleibt an einem Tag Impfstoff über, gibt es eine ebenfalls priorisierte Warteliste. Was aber geschieht, wenn sich so nicht genug immunisierungsbereite Menschen finden, wie es zuletzt wegen des Misstrauens gegenüber dem Astra-Zeneca-Vakzin häufig der Fall war?
Ordinationswartelisten
Dort, wo auch niedergelassene Ärzte impfen – derzeit in allen Ländern außer in Wien –, kommen dann ordinationsinterne Wartelisten zum Tragen. Denn die Impfstoffe müssten verwendet werden, erläutert der steirische Landesimpfkoordinator Michael Koren. "Wir können nicht jedem Arzt auf die Finger schauen, wem er den Restimpfstoff verimpft. Aber grundsätzlich ist jede Impfung eine wichtige Impfung. Jeder Stich in den Oberarm besser als kein Stich", sagt er.
Durch den ministeriellen Covid-19-Impfplan ist dieses Vorgehen gedeckt: "Im öffentlichen Interesse ist ein Impfstoffverwurf unbedingt und in jedem Fall zu vermeiden", heißt es darin.
Gefälligkeitsgutachten?
Ergänzt wird besagter Impfplan durch ein weiteres Papier: Der "Priorisierung des Nationalen Impfgremiums" ist eine lange Liste mit Vorerkrankungen zu entnehmen, die zu einer raschen Impfung berechtigen. Das eröffne Möglichkeiten für Gefälligkeitsgutachten, lautet eine vielfach geäußerte Vermutung.
Wie also werden diese Gutachten vor Ort überprüft? Die Bescheinigungen vom Hausarzt würden in der Impfstraße beim Aufklärungsgespräch, also bevor man geimpft wird, kontrolliert, heißt es im Land Salzburg. Es sei die "Sorgfaltspflicht des Arztes", nur jenen Personen ein Attest auszustellen, die entsprechend Hochrisikopatienten sind, sagt der Sprecher des Landes, Franz Wieser.
Nichts ausschließen
Ausschließen könne man natürlich nicht, dass es Fälle gebe. Aber man könne nicht mehr machen, als vom behandelnden Arzt ein Attest zu verlangen.
Auch in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg, im Burgenland sowie in Kärnten beteuern die zuständigen Behörden, nichts von Impfvordränglern zu wissen. Stattdessen existieren Pläne über die Priorisierungskriterien hinaus. Sobald das nur einmal zu gebende Johnson-&-Johnson-Vakzin zur Verfügung stehe, werde man gefährdete Randgruppen wie Obdachlose impfen, heißt es etwa in der Steiermark.
Schlüsselarbeitskräfte vorgereiht
In Salzburg wiederum wurden bestimmte Berufsgruppen vorgereiht. So erhielten 2000 Schlüsselarbeitskräfte aus 300 Unternehmen, die aufgrund ihres Berufs viel reisen müssen, ihren ersten Stich. Die Auswahl erfolgte in Abstimmung mit der Wirtschaftskammer. (Steffen Arora, Irene Brickner, Walter Müller, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, Wolfgang Weisgram, 21.4.2021)