Die (von den Befragten in der Umfrage vermutete) Führungsstärke von Sebastian Kurz hat im Verlauf der letzten Monate stark gelitten

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Linz – Man muss schon ein sehr großer Optimist sein, um daran zu glauben, dass Österreich "am Ende besser dastehen wird als 2019, also vor der Corona-Krise". Dieses Statement hat das Linzer Market-Institut im Auftrag des STANDARD 800 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten vorgelegt und es anhand der Schulnotenskala bewerten lassen. Nur drei Prozent der Befragten stimmten voll (also mit einem Einser) zu. Selbst von den erklärten Optimisten – das sind derzeit nur drei von zehn Wahlberechtigten – wollten nur sieben Prozent die Bestnote geben.

45 Prozent halten eine derartige Erholung für sehr unwahrscheinlich, geben also einen Fünfer – auch von denen, die sich vorher im eigenen Lebensumfeld als zuversichtlich beschrieben hatten, geben 30 Prozent einen Fünfer. Durchschnittsnote 4,09 in der Gesamtbevölkerung, 3,68 bei deren optimistischem Teil.

Großteil der Bevölkerung allenfalls indirekt betroffen

Und das, obwohl ein Großteil der Bevölkerung sich von der Krise gar nicht betroffen fühlt. Die Aussage, "meine Familie ist bisher halbwegs gut durch die Corona-Krise durchgekommen" bekommt derzeit die Durchschnittsnote 1,86 – das ist nur unwesentlich schlechter als die Benotung vor einem Jahr (1,56).

Nur jeder 50. Befragte lehnt die Aussage, gut durch die Krise gekommen zu sein, rundweg ab, indem er einen Fünfer gibt.

Die Befürchtung, dass viele Arbeitsplätze dauerhaft verloren gehen könnten, wird mit der Note 2,38 benotet, eine leichte Verschlechterung gegenüber der Vergleichsumfrage aus dem vorigen Frühjahr (2,51). Market-Institutschef David Pfarrhofer: "Die wirtschaftlichen Zweifel hängen damit zusammen, dass viele Leute der Regierung keine kompetente Führung zutrauen – vor einem Jahr hat die Aussage, dass die Regierungen die richtigen Maßnahmen setzt, noch die Note 1,82 bekommen. Das ist auf 3,19 zurückgefallen."

Zweifel an der Führung durch Kurz

Ähnlich wird der Kompetenzverlust des Bundeskanzlers bewertet. Sebastian Kurz kam vor einem Jahr auf die Note 1,97 für "zeigt sich in der Corona-Krise als kompetenter Politiker" – jetzt sind es nur 3,33. Damals gaben 46 Prozent dem Kanzler ein "Sehr gut" als Kompetenznote, jetzt sind es zwölf Prozent (und diese finden sich fast ausschließlich im Lager der ÖVP-Stammwähler).

Pfarrhofer hat sich den Vergleich genauer angesehen und kommt zu folgenden Schlüssen:

  • Die ÖVP verliert zwar an Zustimmung – aber nur ein Viertel der Befragten glaubt (Noten 1 und 2), dass es ohne ÖVP besser ginge.
  • Ähnlich die Einschätzung der Grünen: Da ist es sogar nur ein Fünftel der Befragten, die meinen, dass es ohne den kleinen Koalitionspartner besser liefe.
  • 23 Prozent meinen, dass die Bewältigung der Corona-Krise mit einer Regierungsbeteiligung der SPÖ besser funktionieren würde – was auch mit den relativ guten persönlichen Werten von Parteivorsitzender Pamela Rendi-Wagner zusammenhängt: 35 Prozent geben ihr einen Einser oder Zweier für ihre Performance in der Corona-Krise, verglichen mit 30 Prozent, die das bei Kurz tun.
  • Für die Neos gilt das in deutlich geringerem Maß, nur 13 Prozent geben einen Einser oder Zweier für die Aussage, dass mit ihnen besseres Corona-Management möglich wäre. – am ehesten trauen ihnen das Befragte aus Wien zu.
  • Die FPÖ kann es nach Einschätung der Befragten auch nicht besser – fast nur ihre eigenen Wähler trauen ihr etwas zu, aus diesem Lager kommen jene 13 Prozent der Grundgesamtheit, die Einser und Zweier geben. Aber: Bei keinem anderen Statement gibt es eine so wuchtige Ablehnung; 62 Prozent geben einer Regierngsbeteiligung der Freiheitlichen einen Fünfer.
  • In anderer Fragestellung, aber nach demselben Schema erhoben, bekunden 35 Prozent der Befragten mit den Schulnoten 1 und 2 Zustimmung zu der Aussage: "Ich habe Vertrauen in Experten verloren, weil da doch jeder etwas anderes sagt." Es sind vor allem Menschen mit pessimistischer Grundeinstellung und mit Neigung zur FPÖ, die diesen Vertrauensverlust bekunden.

DER STANDARD ließ erheben, wie es wohl weitergehen könnte. Auffallend ist, dass zwar die Sehnsucht nach Reisen zugenommen hat (Note 2,67 gegenüber 3,25 im Vorjahr), ebenso die Absicht, Lokalbesuche nachzuholen (von 2,96 auf 2,48). "Dass man aber größere Einkäufe nachholen wird, ist eher nicht so weit verbreitet, diese Absicht hat im Vergleich zum Vorjahr sogar abgenommen", sagt Pfarrhofer. Jeder Dritte hat überhaupt keine Lust auf nachgeholten Konsum.

Ganz oben auf der Liste der persönlichen Vorsätze steht, dass man versuchen will, das Leben mehr zu genießen (Durchschnittsnote 2,02).

Ob das gelingen wird und finanzierbar ist, ist aber für viele Befragte offen – denn 49 Prozent rechnen mit einer persönlich höheren Steuerbelastung (Note 2,57). Gleichzeitig rechnet ein Fünftel der Befragten damit, künftig weniger zu verdienen als im Vor-Krisenjahr 2019 – besonders große Sorgen machen sich dahingehend Wähler der FPÖ.

Die Maske bleibt bei vielen auch ohne Pflicht

Ein Viertel der Befragten gibt an, auch nach Abklingen der Pandemie bei Einkäufen und bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine Maske tragen zu wollen – Frauen haben das in größerem Maß vor als Männer. Und erwartungsgemäß sind es die FPÖ-Anhänger, die das sicher nicht wollen.

Seltsamerweise hegen FPÖ-Wähler auch weniger als andere den Vorsatz, künftig gesundheitsbewusster leben zu wollen.

Grundsätze werden für wichtig erachtet

Eine klar aus der Tabelle ablesbare Entwicklung ist, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher selbst als stärker politisiert erleben: Bei politischen Entscheidungen sei es jetzt wichtiger, dass eine Partei ihren Grundsätzen folgt, sagen 41 Prozent der Befragten. Besonders deutlich mahnen das die erklärten Wähler von Freiheitlichen, ÖVP und SPÖ ein.

Ungleichheit ist das große gesellschaftliche Schreckgespenst, das regelmäßig ganz weit oben in den Market-Umfragen auftaucht – mehr als zwei Drittel der Befragten sehen auch in der aktuellen Befragung eine Zunahme der Ungleichheit zwischen gesellschaftlichen Gruppen als wesentlichste Corona-Folge (Note 1,95).

Und das ist nicht unbedingt eine "linke" Sorge: Am stärksten befürchten das nämlich FPÖ-Wähler, am wenigsten jene der ÖVP.

Höhere Steuern erwartet – auch auf Vermögen

Nicht viel geringer sind die Erwartungen, dass das Pensionsalter hinaufgesetzt wird (Note 2,09) und dass die Republik massiv die Steuern erhöhen wird (Note 2,13).

Ein Sozialdemokrat denkt dabei wohl zuerst an die von seiner Partei geforderten Vermögenssteuern – aber deren Einführung wird von Wählern der SPÖ und denen der ÖVP (die bekanntlich strikt dagegen ist) für gleich wahrscheinlich gehalten. Durchschnittsnote: 2,47.

Mit 2,55 recht hoch ist auch die Erwartung, dass das Bundesheer weiterhin Teile der zivilen Infrastruktur unterstützen wird.

45 Prozent der Befragten geben die Noten eins und zwei für die Aussage, dass viele Probleme nur durch gemeinsame Anstrengungen in der EU zu lösen sein werden. Darauf setzen besonders Grün- und SPÖ-Wähler. (Conrad Seidl, 24.4.2021)