Ferner Blick in ein zweites Halbjahr: Mit neuen Staffeln zu Serien wie "The Witcher" möchte Netflix aus der Ödnis der Pandemie ausbrechen.

Foto: Netflix Katalin Vermes

Sie beziehen sich wohl auf Disney. Aber unser größter Konkurrent im TV-Bereich ist das lineare Fernsehen. Der zweitgrößte ist Youtube, welches eine deutlich größere Verweildauer hat", sagt Reed Hastings, Co-CEO von Netflix, in einem Gespräch mit Finanzanalysten anlässlich der jüngsten Quartalszahlen. Netflix hat den jüngsten Angaben zufolge 208 Millionen zahlende Abonnenten, um 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Disney wird am 13. Mai einen Einblick in das vergangene Quartal geben, im März meldete der Streamingdienst Disney+ 100 Millionen Abonnenten – und das, obwohl man wesentlich kürzer auf dem Markt ist als der Branchenriese Netflix. Die Bekanntgabe des vergleichsweise schwachen Netflix-Kundenwachstums sorgte dafür, dass die Aktie sogleich um elf Prozent abstürzte.

Netflix Investor Relations

Netflix im Post-Covid-Modus

Abseits der Bilanzzahlen ist jedoch auch beachtlich, was das Netflix-Management zwischen den Zeilen mitzuteilen hatte – etwa in Bezug auf die Produktion eigener Filme und Serien in Zeiten der Pandemie. So räumt man ein, dass es Corona-bedingt im Jahr 2020 zu Verzögerungen gekommen sei. Durch die anlaufenden Impfungen produziere man nun aber wieder eifrig in so gut wie jedem großen Land, mit Ausnahme von Brasilien und Indien. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, so will man dieses Jahr noch über 17 Milliarden Dollar in Content investieren. Durch den Produktionsstau und den nun brechenden Damm will Netflix somit 2021 deutlich mehr produzieren als im Vorjahr – und vor allem im zweiten Halbjahr soll es deutlich mehr neuen Content geben. So sollen in der zweiten Jahreshälfte Fortsetzungen der Serien Sex Education, The Witcher , La Casa de Papel (Haus des Geldes), und You erscheinen. Unter den Filmen wird ebenso das Finale der The Kissing Booth-Trilogie angekündigt wie Red Notice mit Gal Gadot, Dwayne Johnson und Ryan Reynolds und Don’t Look Up mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Cate Blanchett, Timothée Chalamet und Meryl Streep.

Die beliebtesten Serien und Filme

Im Rückblick auf das erste Quartal führt Netflix auch an, welche Serien und Filme wie oft angesehen wurden. So schauten 49 Millionen Menschen die erste Staffel von Firefly Lane innerhalb der ersten 28 Tage nach Veröffentlichung, 45 Millionen schauten die dritte Staffel von Cobra Kai , 57 Millionen sahen Fate: The Winx Saga, und 52 Millionen haben sich Ginny & Georgia angesehen. Zu den erfolgreichsten Filmen im ersten Quartal gehören I Care A Lot (56 Millionen), Yes Day (62 Millionen), Outside the Wire (66 Millionen) und der letzte Teil der To All the Boys I’ve Loved Before-Trilogie (51 Millionen).

Betont wird auch, dass man auf nichtamerikanische Produktionen setze, die weltweit angesehen werden – hier geht die Reise um den Globus von Mexiko über Polen bis nach Südkorea. Die französische Serie Lupin mit Omar Sy wurde in den ersten 28 Tagen 76 Millionen Mal angesehen, hat zu steigenden Verkaufszahlen der Buchvorlage geführt und soll gegen Ende des zweiten Quartals eine Fortsetzung erhalten.

Dass Netflix nun wieder mehr produziert, ist freilich schön und gut – die Frage ist aber auch: Wer wird es sich ansehen? Denn gerade im Heimmarkt USA sperren Kinos nun wieder auf, Sportveranstaltungen finden wieder statt. Dadurch verliert Netflix seinen Lockdown-Bonus im Kampf um die Aufmerksamkeit, und dieser schlechte Ausblick veranlasste die Aktionäre ebenfalls zum Abverkauf.

Das echte Leben als Alternative

Hier betont das Management im Call mit den Analysten, dass man freilich zu Beginn vom Lockdown profitiert habe, im Jahr 2020 sind fast 40 Millionen neue Abonnenten hinzugekommen. Zugleich sei es derzeit schwer, Prognosen abzugeben, wie CFO Spencer Neumann sagt: Mit dem eigenen Ausblick sei man in den vergangenen Jahren nie so stark danebengelegen wie in den Corona-Quartalen. Hastings wiederum betont, dass es seit Ausbruch der Pandemie weltweit abwechselnd Schließungs- und Öffnungsschritte gegeben habe – und dass diese keinen sichtbaren Effekt auf die Zahl der Abonnenten hatten. "Dementsprechend glaube ich nicht, dass künftige Öffnungen und Schließungen einen großen Einfluss haben werden", sagt er.

Diese Treue der Fans – in guten wie in schlechten Zeiten – hat jedoch für selbige eine Schattenseite. Denn angesichts geringerer Abo-Kündigungen im ersten Quartal 2021 habe man festgestellt, dass man auch höhere Gebühren verlangen könne, heißt es unverblümt in einem Brief an die Investoren. Parallel dazu hieß es zuletzt in Medienberichten, dass künftig mit technischen Lösungen gegen das Teilen von Accounts vorgegangen wird. (Stefan Mey, 21.4.2021)