Praktischer ist keine automobile Gattung. Solange der SUV keine Schiebetüren hat, kann er beim Alltagsnutzen einpacken gegenüber dem Minivan. Unerreicht ist dieser auch bei der Flexibilität, bei umklapp- und verschiebbaren Rücksitzen, herausnehmbarem Gestühl. Nur Platz für bis zu sieben, das kann der Minivan-Totengräber auch. Rational ist der Niedergang der seit den 1980er- bis in die Nullerjahre boomenden Fahrzeugkategorie nicht erklärbar, vielleicht ist’s gerade die Nüchternheit, Emotionsresistenz, der mangelnde Sex-Appeal, denen sie zum Opfer fällt. Einzige Ausnahme ist Japan, wo der Minivan sich in allen Größenordnungen eigenständig weiterentwickelte und ein nach wie vor erkennbares Marktsegment ausmacht. Motto allerdings: Keiner verlässt die Insel.

Die erste Generation Alhambra brachte es auf 15 Jahre Bauzeit, die zweite inzwischen auch schon auf elf. Unschlagbar praktisch sind die Schiebetüren, die dritte Sitzreihe ist
versenkbar, die drei Sitze der zweiten sind einzeln verschieb- und ausbaubar.
Foto: Stockinger

Diese Gedanken gingen unsereinem durch den Kopf, als dieser Tage einer der erfolgreichsten Repräsentanten seiner Art nach langer Zeit wieder einmal beschaut werden wollte, der Seat Alhambra. In Ausstattungslinie Xcellence, mit 150-PS-Benziner, 6-Gang-DSG, 7-Sitzerpaket. Preislich startet der Alhambra (Austria Edition) derzeit bei 29.990 Euro, besagter Xcellence TSI DSG ist ab 45.657 wohlfeil, wer noch ein paar Xtras –Pardon: Extras wie eben sieben Sitze, Panoramaschiebedach (bringt wunderbar luftige Atmosphäre) und schwenkbare Anhängevorrichtung ankreuzt wie in unserem Konfigurationsfall, kommt auf dann 52.546 Euro. Ein Batzen Geld, klar, aber auch viel, viel Auto dafür.

Sinnvolle Tasten und Knöpfe

Der erste Alhambra war eine Erfolgsgeschichte mit 15 Jahren Bauzeit (1995 bis 2010).
Foto: Stockinger

Der auf derselben Plattform wie der 7er-Passat, also noch vor MQB (Modularer Querbaukasten) basierende und ähnlich wie jener große, 4,84 Meter lange Alhambra fährt sich satt und staatstragend. Ein ausgesprochen komfortabler Langstreckentyp mit prima Gestühl, in dem Fall sogar inklusive Antirutsch-Alcantara-Paket. Manches im Interieur mutet inzwischen etwas plump und klobig an, aber auf ausgesprochen sympathische Art, auch die Armaturengestaltung mag schon leicht altbacken wirken, das Navi-Display klein, aber hey, da gibt es noch so viele sinnvolle Knöpfe und Tasten, wie man sie heute bei all dieser Touch-Epidemie gern wieder hätte und aber nie mehr wieder bekommen wird.

Der 1,4-Liter-Benziner kommt mit dem Wagen überraschend gut zurecht, er ist aber kein Sparweltmeister, wenn man ihn fordert – vom Normtestwert (8,1 bis 9,1 l/100) wird man eher am oberen Wert entlangschrammen. Aber, Frage: Wer wird mit dem Alhambra schon rasen wollen? Alternativ stünden noch Restposten zweier deutlich sparsamerer Selbstzünder zur Auswahl, mit 150 und 177 PS, Letzterer sogar mit Allrad.

Langläufer

Wie es weitergeht mit den Vans, mit dem Alhambra? Fast alle Hersteller gaben das Thema auf oder werden dies tun, selbst Ford, einer der zähesten Verteidiger des Konzepts, und wer bleibt und nicht rechtzeitig die Kurve in Richtung SUV- oder Crossover-Optik kratzt, wie Renault bei Espace und Scénic, ist rasch mangels Nachfrage weg vom Fenster. Für den Alhambra ist "bis mindestens 2023", so die offizielle Sprachregelung, zunächst einmal die Existenz gesichert. Dass er oder sein Schwestermodell, der VW Sharan, einen Nachfolger erhält, ist extrem unwahrscheinlich. 2023, da wird er dann 13 Jahre Bauzeit auf dem Buckel haben, beinahe so lange wie die erste Generation, die 15 Jahre schaffte (1995 bis 2010), beides echte Langläufer also.

Der Altea Freetrack (2007–2015) probte die Annäherung an den SUV ...
Foto: Seat

Das war eine interessante Sache damals. Chrysler (Voyager, seit 1983) und Renault (Espace, seit 1984) waren längst im Einsatz, da rechneten die VW-Konzern-Erbsenzähler noch herum. Heraus kam eine Kooperation mit Ford (Galaxy). Gemeinsam baute man das Werk in Palmela, Portugal, Ford gab Nachhilfe in Kosteneffizienz, und über Stückzahlen und Lohnkosten rechnete sich die Sache für alle Beteiligten. Sharan und Alhambra laufen heute noch in Palmela vom Band, seit 2017 auch der VW-SUV T-Roc.

Interessant ist absatzseitig, dass erste und zweite Generation Alhambra nicht weit auseinanderliegen. 1995 bis 2010 verkaufte er sich 260.726, seit 2010 dann 235.454 Mal – in Österreich waren es 24.774 und dann sogar 32.143 Fahrzeuge. Zum Vergleich: Bei Chrysler ging der Voyager, auch unter Dodge-Label, bisher rund 15 Millionen (!) Mal über den Ladentisch, bei Renault der Espace knapp 1,5 Millionen Mal.

In Spanien als Taxi im Einsatz

Überhaupt spielten die Vans eine bedeutsame Rolle für Seat, ehe der erste SUV im Portfolio auftauchte. Weil erst die großen Typen kamen, dann die kleineren, folgte 2004 der Kompaktvan Altea (287.757 Stück verkauft), 2006 schloss der Altea XL (bis 2015: 211.238 Stück) die Lücke zum Alhambra. Und caramba, war da nicht noch die Sache mit dem Bürzel? Toledo! Sozusagen die spanische Version des Renault Vel Satis. Ein Minivan mit Stummelheck. In Spanien gern als Taxi im Einsatz. Sonst, wie der Renault: mutig, aber ein Flop. Immerhin, von 2004 bis 2009 fand der "Mut zur Hässlichkeit"-Seat 54.837 Kundinnen und Kunden.

... und der Toledo (2004–2009) zeigte Bürzel.
Foto: Seat

Ein ähnliches Schicksal war dem auf dem XL basierenden Freetrack beschieden, der die Durststrecke bis zum ersten SUV überbrücken sollte. Der mit optischen Attributen dieser Gattung sowie Allrad ausgestattete Freetrack, mit dem man herrlich Eidechsen verscheuchen und Rehe schrecken konnte, wurde 2007 bis 2015 nur 16.974 Mal gebaut. Der Ateca machte den Offroadvan-Spuk dann 2016 obsolet.

Damit ein Schlusswort zum Alhambra: großartiges Fahrzeug. Fast unschlagbar in der Summe seiner Qualitäten. Die Gattung geht unter. Aber mit wehenden Fahnen. (Andreas Stockinger, 6.5.2021)