Satirische Zuspitzung birgt mitunter das Risiko, als solche nicht erkannt zu werden. Als ich vor über einem Jahr in dieser Kolumne vorgeschlagen habe, Christian Pilnacek könnte künftig als "Staatsanwaltschafts-Ombudsmann für Interventionen aller Art" tätig sein, hatte ich nicht vor, den Sektionschef aus dem Justizministerium auf eine Idee zu bringen, an deren Realisierung er seither offenbar arbeitet. Wie wir aus seinen öffentlich gewordenen Chat-Nachrichten wissen, dürfte er mittlerweile sein Kundendienst-Angebot erweitert haben: Vorbereitung von beschuldigten Ministern auf ihre Einvernahme; Dirty Campaigning gegen lästige Anti-Korruptions-Behörden; Formulierung von parlamentarischen Anfragen gegen die Justizministerin; Ausarbeitung von Gesetzesänderungen, um die Arbeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu erschweren – eine breite Dienstleistungspalette, die über einfache Interventionen deutlich hinausgeht.

Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek dürfte einen neuen Beruf kreiert haben, nämlich den des Hausdurchsuchungsberaters.
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Dabei dürfte Pilnacek sogar einen neuen Beruf kreiert haben, nämlich den des Hausdurchsuchungsberaters. Dieser sorgt für rechtzeitige Vorab-Information über bevorstehende Nachschau-Aktionen und gibt Tipps, was bei der Durchsuchung gefunden werden darf. Nämlich – so wie Pilnacek schreibt – "Passendes". "Wenn das der Staatsanwaltschaft nicht genügt, muss sie sehen, wie sie zu mehr kommt. Mit Zwangsgewalt werden die angestrebten Beweismittel von Externen kaum zu finden sein." Pilnacek interpretiert Hausdurchsuchungen also als "Geben und Nehmen" und erinnert die Durchsuchten dabei an das Motto: "Was Sie gerne geben".

Begrüßungsschnapserl

Vermutlich bekommt man als Hausdurchsuchungsberater noch andere Fragen zu hören: Darf man den Ermittlern Hausschuhe anbieten? Soll man für sie Kuchen und Kaffee vorbereiten oder lieber ein Begrüßungsschnapserl? Ist es zulässig, den Durchsuchungsvorgang aufmunternd zu kommentieren? ("Nein, da ist es kalt, ganz kalt … ja, dort drüben beim Regal wird’s ein bissl wärmer … wärmer … heiß! Und jetzt habt’s den USB-Stick!") Gilt es als unhöflich, die eigene Handy-SIM-Card vor der Beschlagnahme zu vernichten, so wie das ein heimischer Oberstaatsanwalt gemacht haben dürfte? Und gibt es für heikle elektronische Datenträger ein Outdoor-Kinderwagen-Service?

Aber auch der Berater muss die richtigen Fragen stellen. "Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?", hieß es in Pilnaceks nicht nur grammatikalisch eigenwilliger Nachricht an Gernot Blümels Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist. So wie Pilnacek stand auch Niedrist in regem Chat-Kontakt mit dem "Schmid AG"-Vorsitzenden Thomas Schmid und schrieb ihm: "Hi Tom! Darf ich mit deinem Kommen zu meiner Feier nach der lästigen Krisensitzung rechnen? Pilnacek nimmt dich sicher mit." Hätte Pilnacek geahnt, dass sein Party-Mitbringsel Schmid sich alle Handy-Nachrichten aufhebt, hätte er vermutlich ein anderes Gastgeschenk gewählt.

Jetzt sieht er sich angesichts all dieser Enthüllungen mit der Frage konfrontiert, ob seine inoffizielle Tätigkeit als Ombudsmann noch mit seiner offiziellen als Sektionschef im Ministerium vereinbar ist.

Und bald schon könnte sich eine neue Frage stellen: Wer vorbereitet System Pilnacek auf Game over? (Florian Scheuba, 22.4.2021)