Im Eigentum der Republik: "Wiener Zeitung".

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Wien – Recht forsch geht der Medienmanager Markus Posset seine Ambition an, mit Investoren wie Paul Swarovski* bei der republikeigenen "Wiener Zeitung" einzusteigen. Der Bundeskanzler möge den Aufsichtsrat der Zeitung abberufen und "mögliche Haftungsansprüche" prüfen, erklärt Posset.

Der Aufsichtsrat habe die letzten drei Jahre "versagt und die Zeit der Erneuerung verschlafen", findet Posset und wirft dem Gremium "Untätigkeit, Unfähigkeit beziehungsweise Unwissenheit" vor: Das Organ habe weder neue Konzepte umgesetzt noch neue Einnahmequellen etabliert.

Austria und "Wiener Zeitung"

Der frühere Manager von Echo Medienhaus ("Wiener Bezirksblatt"), "Trend" und "Profil" sowie der "Österreich"-Magazine greift Frank Hensel an – Aufsichtsratsvorsitzender sowohl der Wiener Zeitung GmbH (seit 2017) als auch der Austria Wien. Beiden drohe nun "Existenzverlust", erklärt Posset.

"Professioneller Strategieprozess"

Hensel weist die Kritik entschieden zurück: "Es gibt, seit ich Vorsitzender des Aufsichtsrates der 'Wiener Zeitung' bin, einen sehr professionellen und umfangreichen Strategieprozess. Er erfolgt natürlich in Abstimmung mit dem Eigentümer, der Republik Österreich."

"Es gibt in vielen Bereichen längst erhebliche neue und zusätzliche Aktivitäten", erklärt Hensel und verweist etwa auf österreich.gv.at, help.gv.at, Lieferanzeiger und Digitalisierungsprojekte. Zudem neue Produkte wie die "Republik", ein Europamagazin und eine Reihe von Corporate-Publishing-Aktivitäten: "Das läuft seit Jahren und mit Erfolgen, die leider nicht wahrgenommen werden, weil die 'Wiener Zeitung' im Fokus der Debatte steht." Die "Wiener Zeitung" sei "aber nur ein Teil des Unternehmens".

Hensel: "Die Zeitung ist Bestandteil des Strategiekonzepts, auch eine Zeitung muss sich natürlich weiterentwickeln. Zur Weiterentwicklung der Zeitung gibt es ebenfalls Projekte, Ideen, Vorschläge, die intensiv diskutiert werden", die Hensel im Gespräch mit dem STANDARD nicht konkretisierte.

Ende der Pflichtinserate

Nach STANDARD-Infos beraten die Grünen derzeit über ein Konzept des für Medien zuständigen Kanzleramts in Abstimmung mit der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat der "Wiener Zeitung".

Die Regierung hat im Koalitionsübereinkommen vereinbart, Pflichtinserate von Firmen in der "Wiener Zeitung" 2022 abzuschaffen. Sie machen aber bisher den Großteil von deren Einnahmen aus.

Nach bisherigen Informationen über die Konzepte ist eine Fortführung der "Wiener Zeitung" als Tageszeitung unwahrscheinlich, wenn bis spätestens Ende 2022 die Pflichtinserate wegfallen. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, sprach von einer Fortführung als Wochen- oder Monatstitel und/oder digitale Publikation.

"Pflicht der Geschäftsführung"

Nach STANDARD-Infos haben sich mehrere Interessenten für die "Wiener Zeitung" und ihre Zukunft gemeldet, manche mit inhaltlichen Ratschlägen und Konzepten, andere mit Kauf- oder Beteiligungsinteresse.

Aufsichtsratsvorsitzender Hensel erklärt im Gespräch mit dem STANDARD: "Es gibt bisher keinen M&A-Auftrag des Eigentümers, das ist kein Teil des Strategieprozesses." Ihm liege bisher "kein Angebot oder keine Anfrage zum Kauf der 'Wiener Zeitung' vor".

Aber: "Wenn es Interessenten oder Angebote gibt, hätte die Geschäftsführung aus meiner Sicht die Pflicht, dem nachzugehen und deren Werthaltigkeit, Ernsthaftigkeit und Absichten zu prüfen und dem Vertreter des Eigentümers darüber zu berichten und zu empfehlen, in einen strukturierten Prozess einzutreten", sagt Hensel: "Aber bisher gibt es das nicht, so weit sind wir nicht." Geschäftsführer der "Wiener Zeitung" ist Martin Fleischhacker.

Republik an Bord

Interessent Posset bringt nun für einen Einstieg eines "strategischen Partners" bei der "Wiener Zeitung" eine Variante ins Spiel: Die Republik könnte an Bord bleiben wie etwa bei den Casinos Austria. Er spricht von einer "guten zukünftigen Möglichkeit für ein Fortbestehen der 'Wiener Zeitung'".

Posset findet: "Es muss eine neue Struktur, ein neues Management, ein neuer kompetenter Aufsichtsrat und ein neuer Schwung in die 'Wiener Zeitung' kommen, bevor auch diese Institution noch begraben wird." (fid, 22.4.2021)