Weil Wien nach wie vor besonders von hohen Infektionsraten betroffen ist, gilt an manchen öffentlichen Plätzen weiterhin Maskenpflicht. Und das wohl noch einige Zeit: Denn die Zahlen sinken aufgrund des Lockdowns – allerdings nicht so schnell wie im Rest der Ostregion.

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Wien – Rollbalken vor Geschäften, Cafés und Restaurants im Schlummerzustand, leergefegte Straßen am Abend: Der harte Lockdown währt in Wien nun bereits mehr als drei Wochen. Doch durchgreifende Entspannung ist bisher nicht eingetreten.

Um acht Prozent sind die Fallzahlen in Wien im 14-Tage-Trend bis 13. April zurückgegangen; neuere Daten wurden bei den von der Agentur für Ernährungssicherheit und Gesundheit (Ages) erstellten Indikatoren bisher nicht berücksichtigt.

Niederösterreich und Burgenland erfolgreicher

Niederösterreich und das Burgenland, die der Bundeshauptstadt ab 1. April in den harten Lockdown folgten, schlugen sich besser. Minus 15 Prozent in Niederösterreich, minus 24 Prozent im Burgenland, das den harten Lockdown nun auch beendete.

Wie ist diese Diskrepanz bei der Wirksamkeit strenger Kontaktverringerungsmaßnahmen zu erklären? Die Sieben-Tages-Inzidenz sei immerhin mit 219 am Mittwoch im stabilen Bereich, und mit 443 Patientinnen und Patienten auf Normalspitalsstationen sei im Vergleich zu Dienstag ein Minus von 48 Personen zu verzeichnen, heißt es dazu im Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ).

Intensivstationen immer noch zu voll

Auf den Intensivstationen seien am Mittwoch mit 209 Menschen um zwei Menschen weniger als am Dienstag gelegen. "All diese Zahlen sind aber nach wie vor deutlich zu hoch", sagt ein Sprecher.

Präzise Erklärungen für die langsamere Fallzahlverringerung hat er nicht. Eine These sei, dass sich in der Bundeshauptstadt der höhere Anteil von PCR-Tests im Vergleich zu Antigentests abbilde.

Präzisere PCR-Tests

PCR-Tests sind Antigentests an Messkraft überlegen; sie weisen Spuren des Virus in mehr Fällen auf. Das steigert die Inzidenz. Auch die Rate positiv Getesteter ohne Symptome ist dementsprechend höher.

In Wien, so der Sprecher, erfolgten am Mittwoch 60.000 der 78.000 Untersuchungen laut PCR-Methode, in Niederösterreich seien es 8.000 von 60.000, im Burgenland 600 von 13.000 Tests gewesen.

Saisonalität und Hochinzidenzen

Forscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) wälzt andere Überlegungen. Überraschend sei weniger, dass die Zahlen in Wien langsamer zurückgehen als im Rest der Ostregion, sondern dass sie in Niederösterreich und im Burgenland schneller sinken, meint er.

Aber der Lockdown wirke auch in Wien. Der Zahlenrückgang sei ähnlich wie bei vergangenen harten Lockdowns.

"Die Ursachenforschung in dem Bereich ist schwierig", sagt Klimek. Nach wie vor gebe es mehrere Unbekannte im Infektionsgeschehen. Eine sei die Saisonalität. In den letzten Wochen habe man in Wien immerhin "ziemlich bescheidenes Wetter gehabt", sagt Klimek.

Wiener Besonderheiten

Vielleicht liege es aber auch daran, dass es auf dem Land im Gegensatz zu Wien möglich sei, regionale Maßnahmen in Hochinzidenzgebieten zu setzen. Auch könne es, sagt der Forscher, in der Großstadt Faktoren geben, die es mehr Menschen erschwerten, sich an Maßnahmen zu halten: Stichwort Gesundheitskompetenz – also die Fähigkeit, entsprechende Informationen zu verstehen und sie auch anzuwenden.

Diese korreliere stark mit sozioökonomischen Faktoren – Einkommen, Eigentumsverhältnisse, Wohnsituation, Bildungsgrad.

Migrantinnen und Migranten öfter von Corona betroffen

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger weist im APA-Gespräch auf Untersuchungen der OECD hin, wonach Migranten überdurchschnittlich oft von Corona betroffen seien: In Ländern, für die Daten vorlägen, hätten sie ein etwa doppelt so hohes Infektionsrisiko.

Dies wiederum hinge – auf das weist auch das Gesundheitsministerium hin – mit prekären Lebens- und Wohnsituationen zusammen; also eben mit dem sozioökonomischen Status. Aber auch Sprachbarrieren könnten eine Rolle spielen, meint Kohlenberger. (Irene Brickner, Vanessa Gaigg, 21.4.2021)