Wien – Mittlerweile ist die Zahl an Menschen im Maßnahmenvollzug auf 1.300 Betroffene angestiegen. Vor diesem Hintergrund droht Österreich nun die dritte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und damit ein Verfahren, berichtet das Ö1-"Morgenjournal" – also wegen fragwürdigen Vorgehens im Zuge des Wegsperrens von geistig abnormen Rechtsbrechern.

"Die Richter gehen auf Nummer sicher und sperren die Leute weg": Rechtsanwalt Helmut Graupner.
Foto: Matthias Cremer

Im aktuellsten Fall, über den der Gerichtshof nun befinden muss, geht es darum, dass eine 57-jährige Frau im Jahr 2017 nach einer Taxifahrt in Linz in einen Streit mit dem Fahrer geriet, weil der nach ihrer Ansicht zu viel Geld für die Fahrt verlangt hatte. Bei einem anschließenden Einsatz der Exekutive stieß die Frau eine Polizistin, was einem Widerstand gegen die Staatsgewalt gleichkommt. Helmut Graupner, Anwalt der Frau, erklärte dazu via ORF-Radio: "Die Richter gehen in solchen Fällen auf Nummer sicher und sperren die Leute weg."

Vor derartigen Entscheidungen erfolgt von den Behörden nämlich eine Gefährlichkeitseinstufung, allerdings: Hätte die Frau eine Zivilperson gestoßen, wäre dies hierzulande wohl kaum strafbar – und ist jemand nicht psychisch krank, würde die Person wegen eines solchen Vergehens auch nicht weggesperrt werden.

Grüner Reformwille

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigt nun Reformen in dem Bereich an, berichtet Ö1, denn Rechtsexperten drängen schon seit Jahren darauf, dass es zu Nachschärfungen und Verbesserungen rund um den Maßnahmenvollzug kommen müsse. Zuletzt setzte übrigens schon Zadićs Vorgänger Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eine Expertenkommission dafür ein.

Im Büro der Ministerin bestätigt man dem STANDARD das Ansinnen, denn: "Das Maßnahmenvollzugsrecht ist in seinem Kernbestand seit fast 50 Jahren unverändert geblieben", heißt es dort, und: "Die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis der letzten Jahrzehnte hätten "kaum Niederschlag" im Gesetz gefunden. Ziel der Reform sei neben der Gewährleistung der Sicherheit etwa der Ausbau des Therapieangebots. (Nina Weißensteiner, 22.4.2021)