Öl- und Gaskonzerne gehören zu den Lieblingsfeinden von Klimaaktivisten. Im Fall der OMV ist das nicht nur der Fall, weil sie ein großer Player in einer klimaschädlichen Branche ist. Der teilstaatliche Konzern soll Klimaaktivisten bespitzelt haben.

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Der teilstaatliche Ölkonzern OMV klagt die Rechercheplattform "Dossier" wegen zweier Medienberichte auf Schadenersatz. Es gehe um 130.000 Euro, wie "Dossier" auf Twitter veröffentlichte. Laut der Medienanwältin Maria Windhager – sie vertritt auch den STANDARD – handelt es sich um eine "klassische Einschüchterungsklage".

Grund für die Klage ist ein Bericht vom Oktober vergangenen Jahres, in dem "Dossier" über den Borealis-Deal des Ölkonzerns mit dem Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi berichtete. Insider-Informationen hätten demnach die Frage aufgeworfen, ob die OMV zu viel für die zugekauften Anteile des Chemiekonzerns Borealis an Mubadala bezahlt habe. Bei der OMV weist man das zurück.

Am 28. Mai beginnt am Handelsgericht Wien das Beweisverfahren im Prozess der OMV gegen "Dossier", wie "Dossier" am Donnerstag bekanntgab.

OMV beklagt Falschinformation

Vonseiten der OMV hieß es dazu, dass man kritischen Journalismus schätze und auch fördere, weil er essenziell für eine Demokratie sei. "Er sollte aber korrekt vorgehen und sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Dies scheint bei 'Dossier' nicht der Fall zu sein", sagt ein OMV-Sprecher dem STANDARD. Zentrale Aspekte der Borealis-Transaktion seien trotz entsprechender Hinweise falsch berichtet worden.

Bei "Dossier" heißt es dazu, man habe der "OMV Gelegenheit zur Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen gegeben, die aber nur sehr allgemein in Abrede gestellt wurden". Außerdem seien die Punkte, die den Ölkonzern zur Klage veranlassten, bereits vor Veröffentlichung des "Dossier"-Berichts bekannt gewesen.

Vorgehen gegen Klimaaktivisten

Aber nicht nur gegen Medienberichte setzt sich der Ölkonzern zur Wehr. Wie seit kurzem bekannt ist, soll die OMV auch gegen Klimaaktivisten vorgehen – nicht gerichtlich, sondern mittels privater Sicherheitsfirmen. Umweltaktivisten werfen unter Berufung auf Medienberichte dem Ölkonzern vor, Aktivisten bespitzelt zu haben. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sah sich letzthin dazu veranlasst, öffentlich Aufklärung der Vorwürfe zu verlangen. Die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler erneuerte am Donnerstag die Forderung nach Aufklärung.

Bei der OMV streitet man auch gar nicht ab, sich privater Sicherheitsfirmen wie Welund oder Thompson + Clark bedient zu haben. Nur als Bespitzelung will man die Praktiken auf keinen Fall verstanden wissen. Es gehe darum, kritische Einrichtungen und die eigenen Mitarbeiter zu schützen, heißt es von der OMV. Dafür müsse man eben wissen, ob Aktionen von Aktivistengruppen geplant seien. Man sammle dafür ausschließlich öffentlich verfügbare Informationen.

Die OMV respektiert und unterstützt das Recht auf friedlichen Protest uneingeschränkt, sagt ein Sprecher. Man habe keinerlei Interesse, Oraganisationen oder Einzelpersonen auszuspionieren. "Wir haben niemals und werden niemals einen Auftrag erteilen, Menschen, egal welchen Alters zu überwachen."

Neue Medienberichte

Am Donnerstag veröffentlichte allerdings der öffentlich-rechtliche neuseeländische Sender Radio New Zealand (RNZ) einen Investigativbericht mit neuen Details zu den Überwachungspraktiken von Thompson + Clark, deren größter Kunde im Ölbereich zwischen 2019 und 2020 die OMV gewesen sein soll.

Die OMV bohrt vor Neuseeland nach Öl.
Foto: Greenpeace / Geoff Reid

Thompson + Clark habe friedliche Protestaktionen von Greenpeace, Extinction Rebellion und Schulstreiks von School Strike 4 Climate systematisch ausspioniert und durch Sicherheitsleute infiltriert, schrieb Greenpeace am Donnerstag. Die Umwelt-NGO forderte den Rückzug von OMV-Chef Rainer Seele. Die Überwachungspraktiken seien so weit gegangen, dass der Ölkonzern Privathäuser von Aktivisten überwacht haben soll.

Das stehe nicht einmal im Artikel von RNZ, echauffiert man sich bei der OMV über die Greenpeace-Aussendung. Im Artikel werde lediglich die unbestätigte Vermutung geäußert, dass Thompson + Clark das in einem ganz anderen Zusammenhang getan habe, der mit der OMV gar nichts zu tun hatte, betont der Konzernsprecher.

Schutz der Aktivisten

Mit Blick auf Neuseeland betont man bei der OMV auch, dass sich das Sammeln von Information im vergangen Jahr bewährt habe. Es diene auch dem Schutz der Aktivisten. Als ein Versorgungsschiff über Tage blockiert und eine Bohrplattform geentert wurde, habe sich eine Aktivistin in eine lebensgefährliche Situation gebracht und von OMV- Personal in Sicherheit gebracht werden müssen, heißt es vom Ölkonzern. Dabei habe sich auch das Personal in Gefahr begeben.

Bei Greenpeace kann man der Argumentation nichts abgewinnen. "Eine Offenlegung der OMV-Verträge mit Spionagefirmen ist jetzt ein absolutes Muss", fordern die Umweltschützer. Die Überwachung müsse aufhören. Bei der OMV erwidert man, dass man als international tätiges Unternehmen keine Verträge veröffentlichen könne – das sei Vertragsbruch.

Ein Beispiel für die Praxis der OMV beschreibt RNZ wie folgt: Sicherheitsfirmen hätten auf sozialen Netzwerken wie Facebook beobachtet, welche Aktionen Umweltschützer planen und wer die führenden Köpfe hinter besagten Aktionen sind. Dann seien Betretungsverbote an die mutmaßlichen Protestführer geschickt worden. Eine betroffene neuseeländische Aktivistin wertete dies im RNZ-Artikel als Einschüchterungstaktik. (luis, 22.4.2021)