Ob luxuriöse Vollformatkameras, Kompaktkameras in Kooperation mit Panasonic oder Smartphones in Zusammenarbeit mit Huawei: Leica bewegt sich in unterschiedlichen Geschäftsfeldern.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Egal ob Fotografie-Enthusiast oder nicht: Der deutsche Kamerahersteller Leica (Leitz) dürfte vielen Menschen ein Begriff sein. Mehr als 100 Jahre prägt das Unternehmen aus Wetzlar bereits die Branche. Oskar Barnack entwickelte im frühen 20. Jahrhundert für Leitz die erste Kleinbildkamera, bis heute erfreuen sich insbesondere die luxuriösen Messsucherkameras großer Beliebtheit. Doch auch manch ein Smartphone-User wird den Markennamen bereits auf der Rückseite seines Geräts gelesen haben – und sich gefragt haben, ob wirklich drinsteckt, was draufsteht.

Der STANDARD hat Marius Eschweiler, Global Director for Business Development bei Leica, und Florian Weiler, technischer Leiter der Kooperation mit Huawei, zum Interview getroffen und über die Zusammenarbeit im Mobilfunkbereich und mit Panasonic gesprochen.

STANDARD: Die Entwicklung von Smartphone-Kameras steht in Kontrast zum Kerngeschäft des Unternehmens. Was waren die Beweggründe und Ziele, eine Kooperation mit Huawei einzugehen?

Eschweiler: Es ist unser Anspruch, den Kunden das richtige Werkzeug in die Hand zu geben, um das bestmögliche Bild zu erzeugen. Während die Leica M schon ein Werkzeug der gehobenen Klasse ist, das man entsprechend beherrschen muss, geht das Fotografieren mit dem Smartphone deutlich einfacher. Dementsprechend haben wir uns überlegt, wie wir mit dem Wissen, das wir in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, einen Beitrag in diesem Bereich leisten können. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe, warum wir 2014 Gespräche mit Huawei eingeleitet haben. Wir sehen das nicht als Gefahr für unser Kerngeschäft, sondern als Bereicherung für das Thema Fotografie.

STANDARD: Welchen konkreten Beitrag leistet Leica zur Entwicklung von Huawei-Smartphones?

Weiler: Als wir die Kooperation 2014 eingingen, haben wir damit begonnen, Huaweis Lieferanten und die Konzepte für Optiken anzusehen. Anschließend haben wir geschaut, wo es Schwachstellen und Optimierungsbedarf gibt. Das haben wir für das gesamte Produkt gemacht, von der Hardware über die Optik, die Sensorik bis hin zu den Autofokus- und OIS-Systemen. Dann haben wir systematisch an jenen Stellen gearbeitet, wo wir das meiste Potenzial gesehen haben, die Produkte zu verbessern. Um es ganz konkret zu sagen: Wir haben das Optik-Design bis hin zum finalen Bild mitgestaltet, für das wir Ziele hinsichtlich der Bildqualität definiert und entsprechend überprüft haben. Da geht es vor allem darum, an welcher Stelle Kompromisse eingegangen werden, um am Ende das beste Bild zu gewinnen. Das Huawei P9 war dabei ein guter Start, aber mit dem zwei Jahre später erschienenen P20 konnten wir uns weit vor unseren Mitstreitern positionieren.

STANDARD: Optiken für Smartphones werden meist aus Kunststoff gefertigt. Inwiefern kann man sich durch rein physikalische, optische Leistung von der Konkurrenz abheben?

Weiler: Die Kunst ist es, gleichzeitig einen großen Bildsensor zu haben und eine Optik zu finden, die diesen bei hoher Qualität und ohne Bildschatten ausleuchtet. Beim P20 Pro haben wir es geschafft, eine solche Optik zu finden. Beim P40 Pro+ haben wir hingegen Glas eingesetzt, weil ein 240-mm-Objektiv verbaut wurde. Bei Teleobjektiven geht es viel um longitudinale Farbfehler, die korrigiert werden müssen. Das geht mit Glas besser. Gemeinsam mit Huawei haben wir hierfür eine sehr komplizierte Umlenkoptik entwickelt. Insbesondere im Bereich der Telekameras haben wir uns also ganz deutlich von der Konkurrenz absetzen können.

Eschweiler: Grundsätzlich ist die Kooperation natürlich nicht nur auf die Optik beschränkt. Was wir gemeinsam mit Huawei bestimmen, ist schlussendlich die Bildqualität. Darauf hat die Optik natürlich einen erheblichen Einfluss, aber auch das Thema Software gewinnt kontinuierlich an Bedeutung. Neben Optikdesignern arbeiten also Mitarbeiter aus der sogenannten Image-Pipeline gemeinsam mit Huawei-Kollegen an der Weiterentwicklung von Software und Algorithmen. Dadurch sollen die vorhandenen physikalischen Beschränkungen, die aufgrund der geringen Bauhöhe vorhanden sind, kompensiert werden. Dementsprechend ist die Optik nach wie vor elementar wichtig, aber auch das Thema Software und Algroithmik ist ein Kompetenzfeld, das Leica in die Zusammenarbeit einbringt.

STANDARD: Die Namen der Smartphone-Optiken wurden aus dem klassischen Kamerageschäft übernommen. Auf dem P40 findet man ein "Vario-Summilux"-Schriftzug. Gibt es einen Zusammenhang bezüglich der Konstruktion?

Weiler: In den Smartphones sind bis zu vier einzelne Festbrennweiten verbaut, die aus einem Sensor und einer Linse bestehen. Diese werden dann zusammengestellt und über Algorithmen quasi zu einer Vario-Optik. Zoom-Objektive – in dem Sinne, dass sie ihre Brennweite verändern – verbauen wir nicht.

Eschweiler: Die Bezeichnungen Summilux, Summicron oder auch Noctilux stehen in Korrelation mit der größten Offenblende. Im ersten Fall handelt es sich um f/1.4. Es gibt also klare technische Vorschriften, wann ein Objektiv wie heißt. Es ist nicht unser Ansinnen, den Konsumenten in irgendeiner Form hinter das Licht zu führen. Bei Smartphone-Objektiven gibt es deshalb immer einen Namenszusatz. Ein Noctilux für das M-System heißt also Leica Noctilux M. Im Falle von Smartphones ist es zum Beispiel ein Vario-Summilux H, also mit dem entsprechenden Hinweis, dass es in ein Smartphone Eingang gefunden hat.

STANDARD: Auch im Feld der Kompaktkameras ist Leica Kooperationen mit anderen Firmen eingegangen. Die Leica D-Lux gleicht technisch der Panasonic Lumix LX100, kostet aber deutlich mehr. Wo liegt der Unterschied zwischen den Kameras?

Eschweiler: Auch bei Kompaktkameras ist es so, dass die letztendliche Bildqualität durch die Summe aller Hardware- und Softwarekomponenten determiniert wird. Auch wenn man ähnliche, teils gleiche Komponenten verwendet, können durch entsprechende Einstellungen der Bildverarbeitungsprozessoren andere Ergebnisse erzielt werden. Das ist zum Beispiel der Ansatz bei der Leica D-Lux. Deshalb unterscheidet sich das schlussendliche Bild auch von dem der LX100. (Mickey Manakas, 25.4.2021)