Das Verwaltungsgericht Wien befand die Vergabe eines Auftrags für Computertomografen für nichtig, weil die Ausschreibung auf die Firma Siemens zugeschnitten war.

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"Postenschacher und Freunderlwirtschaft sowie maßgeschneiderte Ausschreibungen". Wer diesen Teil des Sitzungsthemas las, hätte spontan nicht vermutet, dass er aus der Feder der ÖVP stammte – sind es doch genau jene Kritikpunkte, die sich die Türkisen seit Publikwerden der Chats zum Bestellvorgang von Thomas Schmid zum Vorstand der Staatsholding Öbag gefallen lassen müssen. Doch in der Bundeshauptstadt ist die ÖVP in Opposition und richtet ihre Vorwürfe gegen das – so der zweite Thementeil – "System Wiener SPÖ innerhalb der Stadt Wien". Am Donnerstag fand dazu daher ein hitziger Sondergemeinderat im Wiener Rathaus statt.

Tatsächlich haben Gerichte und Rechnungshofprüfungen zuletzt fragwürdige Vorgänge im rot dominierten Wien offengelegt. So erklärte etwa das Verwaltungsgericht Wien eine Ausschreibung des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) zur Beschaffung von Computertomografen (CT) im Wert von rund acht Millionen Euro für nichtig.

ÖVP sieht rote Verstrickungen

Die Ausschreibung war ohne sachliche Rechtfertigung derart einschränkend formuliert, dass nur Siemens gewinnen konnte, man bediente sich sogar Siemens-eigener Wordings. Eine "unglaubliche Dreistigkeit" erblickt ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec darin. Obendrein sei es wohl kein Zufall, dass die frühere SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely nach ihrer Amtszeit zu Siemens gewechselt ist. SPÖ-Gemeinderat und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nannte diesen Konnex in seiner Rede "völlig absurd", zumal das Gericht keinen politischen Einfluss auf die Vergabe festgestellt habe. Die Wiener ÖVP wolle bloß vom "türkisen" Sumpf rund um ihren Obmann Gernot Blümel ablenken.

Grobe Verfehlungen der Stadt bei der CT-Ausschreibungen wollte Deutsch nicht erkennen, es sei ein "normaler Vorgang", dass einer Beschwerde einer Konkurrenzfirma recht gegeben wird. Auch die Beschaffung von Ultraschallgeräten für Schwangere ohne Ausschreibung rechtfertigte Deutsch: Nur der Anbieter GE habe die hohen Anforderungen erfüllt, daher sei die Direktvergabe erfolgt. Branchenkenner bestritten das jedoch im Profil, das über den Fall berichtet hatte.

Politische Verantwortung

Recht sanft fiel die Kritik des pinken Koalitionspartners aus. Die Probleme bei der CT-Vergabe seien "unerfreulich", und es sei gut, wenn das von der Justiz aufgezeigt werde, sagte Neos-Gemeinderat Jörg Konrad. Doch klar sei auch, dass das Gericht keine Korruption festgemacht habe – hinter der zu engen Ausschreibung könnten auch banale Motive wie "Unwissenheit" oder die Präferenz für bestimmte Features der Geräte stehen.

Der grüne Klubobmann David Ellensohn hofft, dass sich derartige Alibi-Ausschreibungen nicht wiederholen, und forderte den (abwesenden) SPÖ-Stadtrat Peter Hacker auf, sich nicht auf den Gesundheitsverbund auszureden – politisch sei sehr wohl die Stadtregierung verantwortlich. Die Empörung der ÖVP bezeichnete Ellensohn indes – in Anspielung auf die selbst verfasste Ausschreibung Thomas Schmids für dessen eigenen Posten als Öbag-Chef – als heuchlerisch: "Das ist ja kaum zum Aushalten. Als ob jemand von Ihnen ein ehrliches Interesse an Ausschreibungen hätte."

FPÖ-Klubchef Dominik Nepp teilte sowohl gegen die ÖVP als "Erfindern des Postenschachers" wie auch gegen die SPÖ aus. Er fordert eine Sonderprüfung des Rechnungshofs zur Gebarung der städtischen Wohnbauträger Gesiba und Sozialbau, die viel Geld bei der burgenländischen Commerzialbank angelegt und bei deren Pleite verloren haben.

Stadt freut sich über EuGH-Urteil

Aufatmen konnte die Stadt Wien am Donnerstag in einer alten Wohnbau-Causa. Der Europäische Gerichtshof veröffentlichte ein Urteil, wonach die ohne Ausschreibung erfolgte Anmietung der Zentrale von Wiener Wohnen im Jahr 2014 nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hat. Es sei kein übermäßiger Einfluss von Wiener Wohnen auf den Bau der gemieteten Immobilie nachweisbar, daher sei der Verzicht auf eine Ausschreibung zulässig gewesen. Das Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal nahm das "sehr positiv zur Kenntnis". (Theo Anders, Fabian Schmid, 22.4.2021)