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Vestager nahm an einer Podiumsdiskussion des Presseclubs Concordia statt.

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EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagt, dass der Rechtsrahmen zur Digitalisierung die Werte der EU widerspiegeln müsse. Dies habe sich sowohl bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gezeigt als auch aktuell beim Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), wo die europäischen Grundrechte Technologien wie dem Sozialkreditsystem Chinas entgegenstünden, so Vestager bei einer virtuellen Veranstaltung des Wiener Presseclubs Concordia. Die Risiken müssten eingegrenzt werden, um Vertrauen zu schaffen. Europäische Werte, wie man sie immer wieder einmahne, habe man nunmehr versucht, in den Entwurf für den Umgang mit KI niederzuschreiben. Sogenanntes Social Scoring, wie es in Pilotprojekten in China betrieben werde, habe man daher gänzlich verboten. Dabei wird regelkonformes Verhalten belohnt und Fehlverhalten bestraft.

Niemand liest Geschäftsbedingungen

Sie verstehe, dass sich die Menschen die Nutzungsbedingungen von Webseiten oder Smartphone-Apps nicht durchlesen. "Ich versuche, die Geschäftsbedingungen zu lesen, sie machen mich aber müde, und ich vergesse, warum ich die Seite besuchen wollte", erzählte die EU-Kommissarin. Niemand könne von Konsumenten erwarten, 20 Seiten zu lesen, bevor sie etwa einen Medienartikel aufrufen können. Sie gehe davon aus, dass hier paradoxerweise Technologie helfen könne, diese zu prüfen und Empfehlungen je nach Präferenzen abzugeben.

Eine KI-Regulierung sei enorm wichtig – nicht nur, um Missbrauch vorzubeugen, sondern um erst ihren Einsatz zu ermöglichen. Öffentliche Institutionen würden sich etwa scheuen, derartige Systeme einzusetzen, wenn sie befürchten, dass ein Algorithmus diskriminierend arbeiten könnte. Durch die Regeln soll aber genau das geprüft und verhindert werden – wodurch Vertrauen entstehe. "Das wird den Markt zu einer viel breiteren Verwendung öffnen als bisher", sagt Vestager.

Militärischer Einsatz weiterhin regelfrei

Auf die Frage, ob auch eine Regulierung militärischer Einsatzgebiete für KI, die in dem Entwurf ausgenommen sind, notwendig ist, entgegnet Vestager: Eine gewisse Einschränkung würde durch den Entwurf umgesetzt werden, da Technologien aus anderen Sektoren in der Rüstungsindustrie zum Einsatz kämen – und diese wiederum mit dem neuen Entwurf reguliert würden. Insgesamt sei es aber zu früh, um konkrete Regeln zu derartigen Verwendungszwecken zu erwägen, jedoch debattiere man bereits mit Politikern aus den USA zu der Thematik.

Auf die Frage, wieso beim Einsatz von Massenüberwachung im öffentlichen Raum ausgerechnet öffentliche Behörden im Falle schwerer Straftaten ausgenommen sind, erklärt Vestager, dass es hier einen strengen Rahmen gebe. "Wenn man nach einem spezifischen Terroristen sucht, kann ein Gericht erlauben, Gesichtserkennung zu nutzen, um die Person zu identifizieren." Das würde aber nur verhältnismäßig geschehen, mit vorgegebem Zeitraum – eine Echtzeitüberwachung erfolge somit nicht. "Für alle anderen Bürger gilt dann weiterhin die Datenschutzgrundverordnung", sagte die Kommissarin. Zuvor war von Initiativen wie der EU-weiten Petition Reclaim Your Face gefordert worden, dass der Einsatz biometrischer Identifikation im öffentlichen Raum gänzlich verboten werden sollte.

Neu kündigte die EU-Kommissarin eine Regulierung für den Umgang von Unternehmen mit Gesundheitsdaten an. "Wir wissen noch nicht, wann wir fertig sein werden", sagt sie. Die Kommission sei sich aber dessen bewusst, dass ein Regelwerk sehr gefragt ist, da "Daten absolut kritisch sind". (muz, 22.4.2021)