Das tschadische Militär rüstet sich in N'Djamena für einen Angriff der Rebellen.

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Im schlimmsten Fall, sagt Mahamat Adamou, drohen Chaos und Krieg im Tschad.

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Mahamat Adamou ist dieser Tage ein gefragter Mann. Der tschadische Journalist hat jahrelang im Ausland gearbeitet. Nun fragen von dort alle bei ihm in N'Djamena nach, was nach dem Tod des Präsidenten in seinem Land passiert. Auch DER STANDARD erreichte ihn nach mehreren Versuchen am Telefon.

STANDARD: Wie ist die Lage derzeit in N'Djamena?

Adamou: Die Geschäfte sind offen, der Straßenverkehr in der Hauptstadt ist eigentlich so wie immer. An mehreren wichtigen Verkehrsknotenpunkten ist das Militär aber mit Panzern und anderen Fahrzeugen aufgefahren, sehr massiv vor allem an den Hauptstraßen in Richtung Norden. Als würde es jeden Moment eine Attacke der Rebellen erwarten.

STANDARD: Die Rebellen sind so nahe an der Hauptstadt?

Adamou: Wo sie sich gerade befinden, ist schwer zu sagen. Sie haben der Familie des verstorbenen Präsidenten Idriss Déby bis 21. April Zeit gegeben, ihn zu beerdigen. Es ist Tradition im Tschad, dass man nicht angreift, solange jemand nicht begraben ist. Nun haben sie vor kurzem in einer Pressemitteilung gebeten, die Zeremonie für Déby, an der ausländische Staatsoberhäupter, auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, teilnehmen wollen, aus Sicherheitsgründen zu verschieben. Sie ist für Freitag geplant.

STANDARD: Und die Rebellen sind so stark, um N’Djamena einzunehmen?

Adamou: Sie sind sehr, sehr stark, es sind vermutlich mehrere Tausend. Sie waren in Südlibyen und haben im dortigen Bürgerkrieg viele hochentwickelte Waffen und Finanzspritzen bekommen, sie sind also gut ausgerüstet.

STANDARD: Was wollen sie konkret?

Adamou: Ursprünglich forderten sie die Abdankung Débys und an seiner statt eine Übergangsregierung, in der die Opposition und sie selbst vertreten sind, die dann Neuwahlen vorbereitet. Nun lehnen sie natürlich ab, dass Débys Sohn neuer Präsident ist, weil das der Verfassung widerspricht, genauso wie die Oppositionsparteien. Genauso die Übergangsregierung, die von Déby ernannt wird und ihm dann unterstellt ist. Sie sprechen von einem Putsch, denn laut Verfassung übernimmt im Falle des Ablebens des Staatsoberhaupts der Präsident der Nationalversammlung die Führung des Landes.

STANDARD: Es gibt Zweifel an der offiziellen Version des Todes von Idriss Déby, dass er bei einem Besuch der Front von Rebellen erschossen wurde. Glauben Sie das?

Adamou: Das ist schwer zu sagen. Neben der offiziellen Version ist oft zu hören, dass er nach seiner Rückkehr von der Front in N’Djamena einem Attentat zum Opfer gefallen sei. Und wer dann dahinterstecken könnte, da gibt es auch unzählige Gerüchte. Oppositionsführer Yaya Dillo könnte demnach eine Rolle gespielt haben. Der wollte heuer bei der Präsidentenwahl kandidieren. Ende Februar wurde er aber in seinem Zuhause von Sicherheitskräften attackiert, dabei wurde seine Mutter erschossen und er verhaftet. Ein General, so hört man, soll sich mit Dillo solidarisiert haben und deshalb das Attentat organisiert haben. Wie gesagt, das ist alles sehr konfus.

STANDARD: Déby war vor allem für Frankreich und die USA ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus in der Region. Wie geht es hier nun mit seinem Sohn weiter?

Adamou: Dazu kann man jetzt noch nicht viel sagen. Bevor das eine Rolle spielt, muss er andere Probleme lösen. Da sind vor allem die Rebellen, dann die Kritik von Opposition und Zivilbevölkerung an seiner Machtübernahme. Und auch innerhalb des Militärs muss er aufpassen. Einige Generäle, und damit ein nicht so kleiner Teil des Militärs, sind ebenfalls dagegen, dass er entgegen der Verfassung Präsident geworden ist, weil er dazu keine Legitimation besitzt. Die Position des neuen Präsidenten ist also sehr, sehr schwach.

STANDARD: Was wäre das beste Szenario für den Tschad?

Adamou: Alle Parteien – also Militär, Rebellen, Zivilbevölkerung und Opposition – setzen sich an einen Tisch und einigen sich auf eine Übergangsregierung, in der alle vertreten sind. Die bereitet mithilfe ausländischer Organisationen faire Neuwahlen vor. Das ist der einzig richtige Weg, um all die Probleme im Land zu lösen.

STANDARD: Und was wäre das schlimmste Szenario für den Tschad?

Adamou: Die Rebellen marschieren in N’Djamena ein, und Frankreich interveniert militärisch. Die Folge: Chaos. Krieg. (Kim Son Hoang, 23.4.2021)