Die palästinensische Wahlkommission bereitet sich auf den Urnengang vor – möglicherweise umsonst.

Foto: APA / AFP / Abbas Momani

In ein, zwei Wochen ist hier alles voll mit Wahlplakaten", sagt Nidal, während sie ihren Wagen durch die dichtbefahrenen Straßen Ramallahs steuert und bei jeder Ampel vor Vergnügen hupt. Sie ist optimistisch. "Ich glaube einfach nicht, dass sie die Wahl verschieben", sagt sie. Und fügt hinzu, dass sie in ihrem Freundeskreis allerdings die Einzige ist, die das so sieht.

Die Angst geht um in den Palästinensergebieten, dass Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und die Fatah-Regierung die für 22. Mai geplanten Parlamentswahlen verschieben. Es mehren sich die Zeichen, dass der Wahltermin nicht hält. Und wenn das Votum verschoben wird, so die Befürchtung, dann gleich für lange Zeit. Die letzte Wahl ist 15 Jahre her. Im Jahr 2007 hat Abbas den Notstand ausgerufen, seither regiert er per Dekret.

36 Wahllisten

Die Menschen sind hungrig nach einem Votum. Laut einer Umfrage des Jerusalem Media and Communication Centre und der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung sagen nur 26 Prozent, dass sie eher nicht wählen gehen. Und das, obwohl das Vertrauen in die Politik am Tiefpunkt ist, sodass eine niedrige Wahlbeteiligung zu erwarten wäre. Hier aber hatte rund die Hälfte der Wahlberechtigten noch nie die Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung. Und auch das passive Wahlrecht findet regen Andrang: 36 Wahllisten haben sich erfolgreich registriert.

Mitte Jänner hatte Abbas die Termine verkündet: Im Mai wird das Parlament gewählt, im Juli der Präsident, im August die PLO-Führung, so der Plan. Ein Superwahljahr stand bevor, und es war Donald Trump zu verdanken – zumindest indirekt. Der Bruch der US-Administration mit der Palästinenserbehörde, die von den USA unterstützten Annexionspläne Israels – das alles hatten die zerstrittenen Palästinenserführungen in Gaza und Ramallah zusammenrücken lassen. Zwar ist der Streit alles andere als geschlichtet, aber immerhin konnte man sich auf gemeinsame Wahlen einigen.

Die Annexionspläne sind mittlerweile vom Tisch in die Schublade verlagert worden, in den USA regiert Joe Biden. Der Machtwechsel wird von Ramallah begrüßt. Dass es eine demokratisch nicht legitimierte Palästinenserführung schwer haben wird, in Washington Anerkennung zu finden, ist ein Motiv mehr, das Volk an die Urnen zu lassen.

Covid und Ostjerusalem

Wenn die Wahlen nun womöglich verschoben werden, werden offiziell dringliche Gründe genannt: einerseits die Covid-19-Epidemie, die im Westjordanland und vor allem in Gaza weiter wütet. Andererseits die Frage, ob auch im von Israel annektierten Ostjerusalem Stimmen abgegeben werden dürfen.

Abbas hatte die Ostjerusalem-Frage zum Knackpunkt erklärt – wohlwissend, dass Israel einer Abhaltung fremder Wahlen auf eigenem Gebiet nicht zustimmen wird, zumal die Palästinenser, wie Israel, Jerusalem als ihre Hauptstadt betrachten.

Hintergrund der Wahlverschiebung ist die Angst Abbas’ vor einem Machtverlust. Zwar sieht die jüngste Umfrage Fatah bei der Parlamentswahl vor der in Gaza regierenden Hamas, aber Fatah ist gespalten.

Barghouti beliebter

Schlecht sieht es für Abbas vor allem bei der Präsidentenwahl aus. Sein stärkster Konkurrent ist der in Israel inhaftierte Marwan Barghouti. Die jüngste Umfrage sieht ihn klar vor Abbas. "Die Tatsache, dass Barghouti ein Gefangener ist, macht ihn für die Menschen zur Symbolfigur für ihre eigene Situation, die Besatzung", meint Politologe Mohammed Dajani Daoudi vom Jerusalemer Wasatia Academic Institute.

Abbas hingegen steht für Kollaboration mit Israel. Ihn trifft auch der Zorn über die Besatzung. Dieser würde durch eine Wahlverschiebung aber nur noch angestachelt, meint ein junger Fatah-Sympathisant, der eine Absage kritisch sieht. "Wenn es wirklich dazu kommt, gibt es Gewalt auf der Straße." (Maria Sterkl aus Ramallah, 23.4.2021)