In Bosnien-Herzegowina herrscht Aufregung über die von der HDZ vorgeschlagenen Änderungsvorschläge zum Wahlgesetz. Das Verfassungsgericht bestätigte nun offiziell, dass es nicht erneut im Fall Ljubić, auf den sich die HDZ beruft, entscheiden wird.

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Seit Wochen wird in Bosnien-Herzegowina über Änderungsvorschläge zum Wahlgesetz debattiert. Die bosnisch-herzegowinische Partei HDZ will laut einem dieser Vorschläge erreichen, dass im Landesteil Föderation zwei Wahlkreise geschaffen werden – etwa mit den Namen A und B –, in denen dann getrennt voneinander Abgeordnete für das Parlament, aber auch die beiden Vertreter im Staatspräsidium gewählt werden.

Der HDZ geht es jedenfalls darum, dass diese Wahleinheiten nach sogenannten ethnischen Kriterien neu definiert werden. In einem Wahlkreis sollen demnach vor allem Bosnier und Herzegowiner mit kroatisch-katholischen Namen und in dem anderen Wahlkreis vor allem Bosnier und Herzegowiner mit bosniakisch-muslimischen Namen leben. Durch so eine Ethnisierung und Fragmentierung der Wahleinheiten wäre es möglich für die HDZ, die in manchen Teilen der Föderation mehr Wähler hat, ihre Machtposition zu stärken.

Ablehnung einer weiteren Fragmentierung

Bisher haben westliche Vertreter der internationalen Gemeinschaft allerdings eine weitere Fragmentierung von Bosnien-Herzegowina abgelehnt, auch weil aus jahrzehntelanger Erfahrung bekannt ist, dass Nationalisten eine dritte Entität – neben der Republika Srpska und der Föderation – schaffen wollen. Die Schaffung von Wahlkreisen nach ethnischen Kriterien wird von manchen Beobachtern als ein Schritt in diese Richtung gesehen. Im Krieg (1992–1995) versuchten Nationalisten in der Herzegowina bereits, eine eigene "Republik" Hercegbosna zu schaffen, mit der Option, diese später an Kroatien anzuschließen.

Wenn es nun darum geht, Wahleinheiten nach ethnischen Kriterien zu schaffen, bezog sich die bosnische HDZ auf ein Urteil des bosnischen Verfassungsgerichts vom 1. Dezember 2016. Sie forderte, dass dieses Urteil – als Grundlage für ihre politischen Wünsche – umgesetzt werden sollte. Wie der Grazer Verfassungsrechtler Josef Marko jedoch im Gespräch mit dem STANDARD wiederholt festgestellt hat, ist dieses Urteil bereits erledigt, weil das Verfassungsgericht den entsprechenden Passus nach einer Frist von sechs Monaten gestrichen hat.

"Nicht mehr gültig"

Nun gab es in bosnischen Medien Berichte, wonach sich das Verfassungsgericht erneut mit dem besagten Fall Ljubić auseinandersetzen werde. Auch DER STANDARD hat darüber berichtet. Auf Anfrage des STANDARD stellt das Verfassungsgericht allerdings nun ganz klar fest, dass es "nicht erneut über den Fall Ljubić entscheiden wird, da dies weder beantragt noch erforderlich ist". Am 6. Juli 2017 – also nach der Sechsmonatsfrist nach dem Urteil – wurde vom Gericht festgehalten, "dass die Parlamentarische Versammlung von Bosnien und Herzegowina den Beschluss Nr. U 23/14 nicht umgesetzt hat". Weil die Politik also nichts tat, strichen die Richter den Absatz in dem Paragrafen.

"Angesichts dieser Umstände stellte das Verfassungsgericht fest, dass die angefochtenen Bestimmungen des Wahlgesetzes von Bosnien und Herzegowina nicht mehr gültig waren", heißt es in der Antwort des Verfassungsgerichts an den STANDARD. Damit bestätigt das Verfassungsgericht die rechtliche Einschätzung von Marko. "Nach der Verfassung von Bosnien und Herzegowina (Artikel VI / 4.) sind Entscheidungen des Verfassungsgerichts endgültig und bindend", heißt es am Ende der Antwort. (Adelheid Wölfl, 22.4.2021)