Für die Wahl 2023 forderte zuletzt auch ÖH-Vorsitzende Sabine Hanger von der Aktionsgemeinschaft einen neuen Anlauf für E-Voting.

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Es war eine kleine demokratiepolitische Revolution: 2009 führte der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) E-Voting bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) ein, um die Wahlbeteiligung in die Höhe zu schrauben. Der Versuch endete aber in einem Fiasko. Anstatt zu steigen, sank die Beteiligung von 28,3 auf 25,7 Prozent. Zwei Jahre nach der Wahl erklärte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) diese offiziell für ungültig. Einen neuen Anlauf gab es bisher nicht. Auch für die kommende Wahl im Mai ist der Zug aufgrund des Fristenlaufs bereits abgefahren. Für die Wahl 2023 forderte zuletzt auch ÖH-Vorsitzende Sabine Hanger von der Aktionsgemeinschaft einen neuen Anlauf für E-Voting.

FÜR

Bei der vergangenen ÖH-Wahl 2019 lag die Beteiligung bei 26 Prozent. Dieses Jahr rechnet die ÖH Corona-bedingt mit noch weniger Wählerinnen und Wählern. Das E-Voting-Angebot könnte dem Problem entgegenwirken. Gerade für Wahlen, die gemeinhin als weniger wichtig wahrgenommen werden, wäre das niederschwellige System von Vorteil. Der Weg ins Wahllokal ist für manche immerhin ein Grund, nicht zu wählen.

Die Etablierung der Briefwahl schafft hier zwar Abhilfe, spontane Entscheidungen sind aber kaum möglich. Wahlkarten müssen früh beantragt und abgeschickt werden.

Die Option, Volksbegehren auch elektronisch per Handysignatur zu unterschreiben, wird vor allem von jungen Erwachsenen zunehmend genutzt. Denn Volksabstimmungen könnten mit wenig Vorlaufzeit praktisch rund um die Uhr abgehalten werden. Internetbasierte Wahlen würden die politische Partizipation junger Menschen wohl weiter fördern.

ÖH-Wahlen als Vorbild

E-Voting bei den ÖH-Wahlen könnte als Blaupause dienen, um direkte Demokratie auch auf anderen Ebenen voranzutreiben. Die einfache Stimmabgabe würde auch bei häufigen Abstimmungen einer "Wahlmüdigkeit" der Bevölkerung entgegenwirken.

Es ist deshalb kein Wunder, dass die Schweiz als Musterland der direkten Demokratie schon früh mit E-Voting experimentierte. Bis Anfang 2019 wurde die elektronische Stimmabgabe versuchsweise in zehn Kantonen angeboten. Zuletzt wurden aber beide E-Voting-Systeme eingestellt – aktuell arbeitet die Regierung an einer Wiederaufnahme des Versuchsbetriebs.

In Estland können Wahlberechtigte bereits seit 2005 digital an Parlamentswahlen teilnehmen. Die E-Wahlbeteiligung stieg seither kontinuierlich: 2019 wählten 28 Prozent der Wahlberechtigten über ihren Computer. Das elektronische Votum wird doppelt verschlüsselt, der Quellcode des Programms ist für jeden einsehbar.

Ein funktionierendes E-Voting-System wäre zudem zeitsparend und ressourcenschonend. Wahlzettel müssten nicht gedruckt werden, Wählerinnen und Wähler müssten sich nicht auf den Weg ins Wahllokal machen.

WIDER

Wahlen müssen für jeden nachvollziehbar und überprüfbar sein. Der VfGH hob die ÖH-Wahl 2009 deshalb auf, weil nicht präzise genug geregelt war, wie die Fehlerlosigkeit des Systems kontrolliert werden kann.

In den letzten zwölf Jahren hat sich zwar technisch einiges getan, E-Voting stellt IT-Systeme aber nach wie vor vor eine besondere Herausforderung: Wahlberechtigte müssen vor der Abstimmung eindeutig identifiziert werden, die Stimmabgabe aber anonym erfolgen. Eines der Hauptprobleme elektronischer Wahlen ist daher das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler. Sie müssen sich zu 100 Prozent auf das System verlassen, ohne die genauen technischen Details nachvollziehen zu können.

Die verfassungsrechtliche Problematik von E-Voting schlägt sich auch in den Wahlrechtsgrundsätzen der freien, geheimen und persönlichen Wahl nieder. Diese Prinzipien können im Bereich elektronischer Wahlsysteme nur bedingt garantiert werden. Letztlich lässt sich nie mit absoluter Sicherheit sagen, ob hinter dem Computer die richtige Person sitzt und unbeeinflusst abstimmt: ein Manko, das auch die Briefwahl hat – elektronische Wahlen sind allerdings deutlich betrugsanfälliger.

Sicherheitsprobleme

Geschickte Hacker könnten in das System eindringen und Stimmen fälschen, um ihrem Lieblingskandidaten zu helfen oder die Wahl an sich in Misskredit zu bringen. Auch analoge Wahlen können manipuliert werden, jedoch meist nur dezentral in einzelnen Sprengeln. Bei E-Voting könnte eine einzige Person theoretisch das gesamte Netzwerk lahmlegen.

Verwenden Wahlberechtigte ihre privaten Smartphones zur Stimmabgabe, könnten auch einzelne Handys Ziel von Angriffen sein. Bei Geräten, die mit Schadsoftware infiziert sind, besteht die Gefahr, dass die Wahlentscheidung oder die Log-in-Daten abgefangen werden.

Fraglich ist, ob man all diese Risiken in der Hoffnung auf eine bessere Wahlbeteiligung eingehen sollte. Bei der ÖH-Wahl haben die Lokale drei Tage geöffnet. Im pandemielosen Normalfall kann man den Weg zur Wahlkabine daher leicht mit dem Besuch einer Lehrveranstaltung kombinieren. (Jakob Pflügl, 23.4.2021)