Ganz Österreich blickt seit Wochen auf die Intensivstationen – und hört jenen zu, die dort tagtäglich versuchen, Menschenleben zu retten. Wir hören und lesen von Menschen, die einerseits schwere körperliche Arbeit leisten müssen – und das mit umfangreicher Schutzausrüstung –; die seit Monaten Überstunden machen, weil es einen chronischen Personalmangel gibt; die ständig in Angst leben, sich selber oder andere anzustecken; und wir hören und lesen, dass viele von ihnen unter diesen Bedingungen einfach nicht mehr können und wollen.

Dass die Regierung vor wenigen Wochen angekündigt hat, das Personal in Intensivstationen zu unterstützen, war deswegen wichtig – und der Applaus für die versprochene Offensive zu Recht laut.

Es herrscht aber nicht überall Jubelstimmung: Pflegefachkräfte, die auf anderen Stationen oder in anderen Bereichen arbeiten, begehren nun auf und fordern ebenfalls arbeitsrechtliche und finanzielle Verbesserungen. Vollkommen zu Recht, denn auch sie haben in den vergangenen Monaten unter enormen Belastungen ihre so schon herausfordernde Arbeit getan.

Der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sollte den Betroffenen rasch Gehör schenken, denn ihre Nerven liegen blank, ihre Geduld – und vor allem ihre Kraft – sind am Ende. Sie fühlen sich vergessen. Besagte Ankündigung war da ein weiterer Tropfen, der das Fass bald zum Überlaufen bringen könnte.

Der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sollte den erschöpften Pflegefachkräften rasch Gehör schenken.
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Warum das fatal wäre, liegt auf der Hand: Österreichs Bevölkerung wird immer älter und benötigt daher immer mehr pflegerische Versorgung. Gleichzeitig sinkt aber der Anteil an jüngeren Personen, die in der Lage sind, diese Pflege- und Betreuungsleistungen zu erbringen. Bis 2030 wird ein Mehrbedarf an 76.000 Pflegekräften prognostiziert.

Zweite Gefahrenquelle

Zu Engpässen kann es freilich schon viel früher kommen: Erstens, wenn tatsächlich einige ihren Job an den Nagel hängen und neue Tätigkeiten suchen. Das wäre eine Entwicklung mit besonderer Ironie, denn aktuell fordert die Politik bekanntlich, dass sich Menschen aus anderen gebeutelten Branchen umorientieren und in die Pflege wechseln mögen. Dass nach Berichten von ausgelaugten und unzufriedenen Pflegerinnen und Pflegern viele Menschen diesen Weg einschlagen, ist aber mehr als fraglich: eine zweite Gefahrenquelle für einen noch früheren Personalnotstand.

Viele in der Krankenpflege Beschäftigte fahren derzeit nur noch deswegen Tag für Tag zur Arbeit, weil sie ein besonders hohes Berufsethos an den Tag legen. Sich auf diese aufopfernde Haltung zu verlassen kommt Ausbeutung gleich und ist außerdem kurzsichtig. Das unterstreicht der aktuelle Aufschrei unter Langzeitpflegekräften. Die Gewerkschaft berichtet, dass ihnen die Türen eingerannt werden.

Würde man selbst gern von jemandem versorgt werden, der oder die täglich über einen Jobwechsel nachdenkt? Natürlich nicht. Das oberste Ziel muss daher lauten, das Berufsbild nachhaltig zu attraktivieren – unabhängig davon, ob auf einer Intensivstation oder in einem Pflegekrankenhaus für Demenzkranke.

Geklatscht wurde genug, jetzt geht es darum, Anerkennung zu zeigen, indem Wünsche der Beschäftigten ernst genommen werden. Konzepte dazu liegen bereits auf dem Tisch. Ist die akute Bekämpfung der Pandemie erst einmal erledigt, sollten sie endlich umgesetzt werden. (Lara Hagen, 22.4.2021)