Transparenz bei Bauvergaben? Nur wenige der namhaften Baufirmen kommen in den Ermittlungsakten nicht vor. Nun beantragte die Kartellbehörde die Verhängung von Bußgeld gegen Unternehmen der Porr Group.

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Wien – Im November war der börsennotierte Baukonzern Porr AG noch verschont geblieben, am Donnerstag nicht mehr: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat beim Kartellgericht die Verhängung von Bußgeld gegen den Baukonzern beantragt.

Namen nannte die BWB nicht – wie vor einem halben Jahr, als die erste Tranche des Baukartell-Verfahrens mit vier beschuldigten Unternehmen zum Kartellgericht wanderte. Da es sich laut BWB diesmal um sieben Unternehmen eines österreichischen Baukonzerns handelt, gilt in der Branche und in Justizkreisen als offenes Geheimnis, dass es um die Porr AG gehe respektive um allfällige Strafen und deren Höhe, über die das Kartellgericht befinden soll. Da Konkurrent Strabag laut Austria Presse Agentur (APA) verneinte, bleibt nach dem Ausschlussverfahren nur die Porr übrig, die laut APA einen Kommentar allerdings verweigerte. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Vielfältige Absprachen

Die BWB wirft den Kartellmitgliedern vor, den Wettbewerb im Bausektor zwischen 2002 und 2017, also 15 Jahre lang, minimiert oder gar ausgeschlossen zu haben, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen, Risiko bezüglich des künftigen Geschäftsverhaltens zu verringern und so Marktanteile und Margen zu sichern oder zu erhöhen. Zu diesem Zweck wurden Preise abgesprochen und festgesetzt, Kunden und Märkte aufgeteilt und Informationen ausgetauscht.

Den Schaden hatte sehr oft die öffentliche Hand, denn die Palette an Aufträgen, bei denen sich die insgesamt an die 45 involvierten Bauunternehmen zu schaffen machten, reichte von Kreisverkehren oder Ortsumfahrungsstraßen über Kindergartenneubauten oder die Sanierung oder Erweiterung von Autobahnteilstücken quer durch Österreich. Landes-, Gemeinde- und Privatstraßen und Parkplätze nennt die BWB ebenso wie Kanal-, Leitungs- und Gleisbauten, Schulen, Gesundheitszentren, Kraftwerke oder Tankstellen.

Fast 5.000 Projektvergaben

Von mehr als 4.500 betroffenen Ausschreibungen und Baulosen ist bei den Wettbewerbshütern die Rede, für die die Auftraggeber mutmaßlich zu viel bezahlt haben. Darin nicht inkludiert sind Lose unter 100.000 Euro, denn für diese muss kein offenes Vergabeverfahren durchgeführt werden.

Bei den Unternehmen, gegen die sich der aktuelle Bußgeldantrag richte, handele es sich nicht um kooperierende Kronzeugen, teilte die BWB mit. Es dürften nicht die letzten Strafanträge sein, davon kann man ausgehen. Denn laut BWB laufen die Ermittlungen gegen die weiteren beteiligten Unternehmen. Diese würden "zeitnah zu weiteren Anträgen auf Geldbußen führen". Davon ist auszugehen, denn unter Verdacht stehen insgesamt mehr als 40 Bauunternehmen. Trotz verminderten Personals funktioniere die Wettbewerbsüberwachung, sagte BWB-Chef Theodor Thanner.

2017 ging es los

Ihren Ausgang nahmen die Untersuchungen vor vier Jahren. 2017 war die Finanz in einem relativ kleinen Kärntner Bauunternehmen im Zuge einer Steuerprüfung auf Unregelmäßigkeiten gestoßen – DER STANDARD berichtete exklusiv. Ein Mitarbeiter versuchte den inzwischen berühmten "roten Ordner" in Sicherheit zu bringen, was nicht gelungen ist. In der Folge gelangten detaillierte Auflistungen von Projekten und Preisen zu den Prüfern. Über die Jahre wurde daraus ein Riesending, das parallel zur Wettbewerbsbehörde BWB die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung gut beschäftigt.

Ermittelt werde gegen insgesamt rund 500 bekannte Beschuldigte (inklusive Verbände, also Bauunternehmen) wegen Verdachts der Wettbewerbsbeschränkung und des Betrugs, sagte eine Sprecherin. Ob und bei wie vielen Personen ausreichend Substrat für eine Anklage vorliegen könnte, sei derzeit nicht ansatzweise absehbar.

Zum Vergleich: 2019 waren es "nur" 250 Beschuldigte, gegen die ermittelt wurde, und die die Zahl der betroffenen Projekte und Aufträge hat sich seither fast verzehnfacht.

Kreative Preisfindung

Die Systeme der illegalen Absprachen waren überaus fantasievoll: Einmal verständigten sich die Kartellanten darauf, welcher Anbieter zu einem höheren Preis anbietet (und in der Folge bei der Vergabe logischerweise leer ausgeht) und dafür bei der nächsten Ausschreibung siegreich hervorgehen wird. Dann wiederum gab es Prämien dafür, dass ein Unternehmen gar nicht anbietet und im Gegenzug einen Teil des Gewinnes in Form einer Prämie erhält.

Bis die öffentliche Hand, also der Steuerzahler, für allfällig verrechnete Mehrkosten entschädigt wird, wird es dauern. Selbst in dem Fall, dass das Baukartell zu saftigen Bußgeldern verdonnert wird (möglich sind maximal zehn Prozent des Konzernumsatzes): Schadenersatz ist extra einzuklagen. Beim Aufzugskartell läuft das Zivilverfahren inzwischen seit 13 Jahren. (Luise Ungerboeck, 22.4.2021)