Alles neu macht der Mai? Die Regierung zeigt sich wild entschlossen, den Lockdown abzubauen.

Foto: Hans Punz

Am Freitagnachmittag verkündete die Bundesregierung die Öffnungsschritte ab 19. Mai. Seit dem Vormittag berieten Vertreter von Bundesregierung, Ländern, Gemeinden und Sozialpartnern in der dafür eingerichteten Öffnungskommission über die Lockerung des Lockdowns.

Im Vorfeld hatte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits angekündigt, dass ab Mitte Mai breite Öffnungsschritte in allen Bereichen – von der Gastronomie bis zum Tourismus, von Kulturveranstaltungen bis zu Sportevents – geplant sind. Und so soll es nun auch kommen – auch wenn einzelnen Regierungsmitgliedern Sorge anzuhören war. So sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne): "Das ist eine Gefahr, natürlich. Die Zahlen werden steigen. Aber die Experten sagen, das ist vertretbar."

Eine wesentliche Rolle werden Nachweise über den Immunstatus und negative Tests spielen. Für diese gilt: Selbsttests gelten 24 Stunden lang, Antigentests 48 Stunden lang, PCR-Tests 72 Stunden lang. Als Genesene oder Genesener gilt man bis sechs Monate nach überstandener Krankheit. Für Geimpfte gilt der Zeitraum "ein Jahr ab 22 Tage nach der Erstimpfung".

Damit Geimpfte nun schon früher als gedacht zu Freiheiten kommen – immerhin wurde der Plan eigentlich vom Bundesrat bis Ende Mai verzögert –, braucht es eine Gesetzesänderung. Die soll dank eines Deals mit der SPÖ möglich werden. Die bestätigt das auf Anfrage, allerdings geht sie da erst dann mit, "wenn genug Leute, alle die Möglichkeit zur Impfung haben". Das werde erwartungsgemäß im Mai der Fall sein, heißt es. Skepsis herrscht hingegen beim Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), was die groß angelegte Öffnung angeht.

Die Öffnungen im Überblick:

Ausgangsbeschränkungen und Kontakte: Die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen in der Nacht – so wie sie derzeit beim "soften" Lockdown gelten – fallen. Im öffentlichen Bereich gilt: Treffen von maximal zehn Personen und Kindern sind im Freien möglich. Indoor sind maximal vier Erwachsene plus Kinder erlaubt. Für Treffen mit mehr Personen gelten die Veranstaltungsregelungen – also die Anzeige- bzw. Genehmigungspflicht. Eine Einschränkung bleibt auch in der Nacht: Zwischen 22.00 und 5.00 Uhr sind nur Treffen mit maximal vier Erwachsenen (und Kindern) erlaubt.

Gastronomie: Die Gastronomie wird wieder geöffnet. Sperrstunde ist um 22 Uhr. Außerhalb des zugewiesenen Sitzplatzes herrscht FFP2-Masken-Pflicht, zudem gilt Registrierungspflicht. Beim Betreten von Lokalen muss ein Test gemacht werden oder ein gültiges negatives Testergebnis, ein Impfzertifikat oder eine Bestätigung über eine durchgemachte Corona-Erkrankung vorgewiesen werden können. Eine Gruppe darf indoor aus maximal vier Erwachsenen und dazugehörigen Kindern und outdoor aus maximal zehn Erwachsenen bestehen. Zwischen den Tischen muss ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden.

Konsumation an der Bar ist nicht erlaubt. Jeder Betrieb muss ein Präventionskonzept vorlegen. Mitarbeiter mit Kundenkontakt müssen eine FFP2-Maske tragen, außer sie lassen sich testen.

Kultur: Behördlich genehmigte Veranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen dürfen outdoor mit maximal 3.000 und indoor mit maximal 1.500 Personen stattfinden. Veranstaltungsorte mit fixen Sitzplätzen dürfen maximal zur Hälfte ausgelastet werden, für jene ohne Sitzplätze gilt ein Maximum von 50 Personen, sowohl indoor als auch outdoor. Veranstaltungen ab elf Personen sind anzeigepflichtig, ab 51 Personen muss die Gesundheitsbehörde eine Genehmigung erteilen.

Und auch hier heißt es: Sperrstunde ist um 22 Uhr. Ebenso muss ein entsprechender Nachweis (Test, Impfung, Genesenenzertifikat) vorgelegt werden, und auch hier gilt Registrierungspflicht. Zwischen Besuchergruppen muss ein freier Sitzplatz sein. Die FFP2-Masken-Pflicht gilt durchgängig.

Hotels: Auch hier gilt als Zutrittsticket: negativer Test, Impf- oder Genesenenzertifikat. Sollten weitere Dienstleistungen abseits der Beherbergung in Anspruch genommen werden, braucht man zusätzlich zum "Eintrittstest" alle zwei Tage einen Nachweis per Selbsttest unter Aufsicht vor Ort. In der Hotelgastro gelten dieselben Regeln wie in der regulären Gastro.

Sport: Was indoor betrifft: Die entsprechenden Zutrittsnachweise (Test, Impf- oder Genesenennachweis) müssen vorgelegt werden. Ebenso gelten Registrierungspflicht und ein Abstandsgebot von zwei Metern. Pro Person muss eine Fläche von 20 Quadratmetern zur Verfügung stehen. Es gilt FFP2-Masken-Pflicht, die Maske darf jedoch während der Sportausübung abgenommen werden, auch bei Kontaktsportarten kann die Abstandsregel "kurzfristig" unterschritten werden.

Was outdoor betrifft: Sport ist in "sportartüblicher Mannschaftsgröße" möglich. Bei Kontakt- und Mannschaftssport ist auch draußen ein entsprechender Test oder Immunstatusnachweis nötig. Sperrstunde ist um 22 Uhr. Sport im öffentlichen Raum ist bis maximal zehn Personen möglich.

Handel: Pro Kundin oder Kunden muss eine Fläche von mindestens 20 Quadratmetern zur Verfügung stehen. Es gilt FFP2-Masken-Pflicht und Sperrstunde um 22 Uhr.

Schule: Die Schule sperrt großflächig bereits zwei Tage früher, am 17. Mai, auf – soll heißen: Ab dann soll wieder überall Präsenzbetrieb herrschen. In Unterstufen muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, in Oberstufen eine FFP2-Maske. Dreimal pro Woche muss getestet werden, wobei Selbsttests erlaubt sind. Die Berufsgruppentestung der Lehrer passiert per überwachtem Selbsttest an der Schule. Singen und Sport bleiben nur im Freien erlaubt. Mehrtägige Schulveranstaltungen sind nicht möglich.

Jugendarbeit: Hier gilt ebenso die Test- oder Immunstatusnachweispflicht. Die Gruppengröße liegt bei maximal zwanzig Personen.

Hochinzidenzgebiete: Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 300 besteht eine Ausreisetestpflicht.


Ludwig bremst bei Öffnungen

Aus Wien kamen bereits im Vorfeld der Gespräche zurückhaltende Signale: Man werde mit einer "sehr vorsichtigen Linie" in die Gespräche gehen, hieß es. Offenbar dürfte man darüber, was nun im Detail die beste Vorgangsweise für die nächsten Wochen darstellt, nicht ganz übereingekommen sein. Denn der Wiener Bürgermeister trat bereits vor die Medien, noch bevor die Bundesregierung ihre Pläne offiziell verkündete.

Ludwig betonte, dass es ihm wichtig sei, "faktenbasierte Entscheidungen" zu treffen und die Gesundheit der Bevölkerung in den Mittelpunkt zu rücken. Immer noch würde der größte Teil der Menschen entsprechende Schutzmaßnahmen mittragen, und man sehe, dass Lockdowns durchaus ihre Wirkung zeigen würden, was die Virusweitergabe betreffe. Der Wiener Bürgermeister warnte davor, durch "frühzeitige Öffnungsschritte" die Sommersaison zu gefährden. Er warnte erneut vor zu vielen Öffnungsschritten auf einmal und mahnte eine hohe Qualität bei Tests ein, die als Nachweis bzw. Eintrittskarte gelten sollen.

Auf die Frage, ob das alles bedeute, dass er die Öffnungspläne der Bundesregierung also nicht mittrage, blieb Ludwig vage: Die Bundesregierung habe sich auf bestimmte Öffnungsschritte verständigt, und es sei auch noch "viel Zeit", bis diese umgesetzt werden. Er verwies zudem darauf, dass die Bundesländer auch strengere Regeln als jene, die der Bund vorgibt, erlassen können, sofern es die Situation erfordert. Am 27. April wolle man jedenfalls nach Austausch mit Expertinnen und Experten entscheiden, wie es in Wien weitergehen soll und ob man sich ab dem 3. Mai auch in den "soften" Lockdown einreihen könne.

Fluchtmutation als Spielverderber

In Tirol greift unterdessen eine neue Variante des Virus um sich, die als eine sogenannte Fluchtmutation gilt. Die ohnehin infektiösere "englische" Mutation habe an der Oberfläche eine Veränderung durchgemacht, die Antikörpern die Bekämpfung erschwere, erläuterte der Virologe Andreas Bergthaler im Ö1-"Morgenjournal". Impfungen könnten somit weniger wirksam sein.

Die bisherigen Erkenntnisse aus den Labors suggerierten, dass die Antikörper, die das Virus töten sollen, in diesen Fällen um das Sechs- bis Zehnfache weniger effektiv sind, erläuterte der am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Akademie der Wissenschaften tätige Experte, warnte aber vor voreiligen Schlüssen: "Was das genau in der Wirklichkeit heißt, ist schwierig umzulegen." Hinweise, dass die Mutation noch schwerere Krankheitsverläufe auslösen könnte, gebe es hingegen nicht.

Was die Forscher vorerst vor ein Rätsel stellt: In anderen Ländern ist die Kombination aus "englischer" Variante und Fluchtmutation – Fachbezeichnung B1.1.7+E484K – versandet. Warum sie sich in Tirol hingegen offenbar gut ausbreitet, wisse man nicht wirklich, sagt Bergthaler.

Nicht absehbar, was der Mai erlaubt

Sind die geplanten Öffnungen vor diesem Hintergrund zu verantworten? Die Regierung solle mit vorausschauender Vorsicht agieren, empfiehlt er: Auf der Autobahn fahre man auch nicht mit Standlicht, sondern mit dem weitreichenden Fernlicht. Die "Erfolgsgeschichte" des Impfens dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden, soll heißen: Trotz steigender Durchimpfungsrate sollten die Infektionszahlen niedrig gehalten werden, um die Ausbildung derartiger Fluchtmutationen einzudämmen.

Ähnliches rät Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna. Die Regierung solle ähnlich wie bei den Lockerungen nach dem ersten Lockdown vor einem Jahr auf Sicht fahren. Welche Öffnungsschritte Mitte Mai wirklich möglich sein werden, lasse sich jetzt noch nicht seriös einschätzen, warnt er via Ö1: "Man darf jetzt einfach keinen Frühstart hinlegen."

Selbst Oswald Wagner, Vize-Rektor der MedUni Wien und bei der Pressekonferenz an der Seite der Regierungsmitglieder, mahnte zur Vorsicht: Die Politik müsste Vorsichtsmaßnahmen treffen, sagte er, denn man könne nicht vorhersagen, wie stark die Infektionen nach den Öffnungen steigen würden. Und: Nicht jeder und jede müsse sich auch an der neuen Freiheit beteiligen. (Vanessa Gaigg, Gerald John, Gabriele Scherndl, Jan Michael Marchart, 23.4.2021)