Die Drohung, die Ratifizierung wegen des Streits mit London über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland weiter hinauszuzögern, lassen die Parlamentarier mit der Abstimmung fallen.

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Brüssel – Das EU-Parlament wird am kommenden Dienstagabend über den Brexit-Handelspakt mit Großbritannien abstimmen. Brexit-Berichterstatter und SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder geht davon aus, dass das Abkommen ratifiziert wird. Mit dem Pakt habe man dann die Möglichkeit, Vertragsbrüche zu regeln, erklärte Schieder am Freitag in einem Pressegespräch. Das Ergebnis werde vermutlich am Mittwochvormittag bekanntgegeben.

Breite Mehrheit im EU-Parlament

Dass es eine breite Mehrheit im EU-Parlament für den Brexit-Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien gibt, haben bereits die Abstimmungsergebnisse in den Ausschüssen für Außenpolitik und Handel gezeigt: Dort votierten die EU-Abgeordneten mit 108 Stimmen dafür. Es gab eine Gegenstimme und vier Enthaltungen.

"Es ist nicht das Ende, sondern eigentlich der Anfang", betonte Schieder. Mit diesem Abkommen und einer Begleitresolution, die ebenfalls am Dienstag im EU-Parlament verabschiedet werden soll, "schaffen wir die Grundlage für das zukünftige, hoffentlich gute Verhältnis". Gleichzeitig betonte der Europapolitiker aber auch, "wir sind nicht enthusiastisch, wir erwarten uns von der Ratifizierung des Abkommens nicht, dass die Welt eine einfachere" werde.

Mehr Infos und Details gefordert

Mit dieser Begleitresolution fordern die EU-Abgeordneten unter anderem ihre Einbindung in alle Fragen zum Verhältnis der EU mit dem Vereinigten Königreich. "Wir wollen konstant und permanent informiert werden" wie etwa in Sachfragen und Personalentscheidungen, erklärte Schieder. Das Europäische Parlament verlange nun in allen "offenen und gebrochenen Fragen konkrete ausformulierte Forderungen, Fortschritte und einen konkreten Zeitplan".

Auf die Frage, ob die Briten vertragstreu bleiben werden, antwortete Schieder: "Die Vergangenheit stimmt uns gar nicht optimistisch." Seiner Ansicht nach wisse der Verhandlungspartner Großbritannien nicht, was er wolle. Damit "sei es sehr schwierig, einen Kompromiss zu finden". Man könne "nicht austreten, und gleichzeitig drinnenbleiben", betonte der Berichterstatter für die zukünftigen Beziehungen EU-Großbritannien.

Drohung fällt weg

Mit der Abstimmung am Dienstag lassen die Parlamentarier die Drohung fallen, die Ratifizierung wegen des Streits mit London über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland weiter hinauszuzögern. Diese Regeln sind im bereits gültigen EU-Austrittsvertrag mit Großbritannien festgelegt. Die britische Regierung weicht derzeit einseitig von einzelnen Vereinbarungen ab, was Brüssel als Vertragsbruch wertet. EU-Parlamentarier hatten gedroht, deswegen die Bestätigung des zu Weihnachten 2020 geschlossenen zweiten Abkommens zu verschieben.

Dieses Handels- und Kooperationsabkommen wird bereits vorläufig angewandt. Beide Seiten hatten vereinbart, es bis 30. April endgültig in Kraft zu setzen. Einer Fristverlängerung hätte Großbritannien zustimmen müssen. (APA, 23.4.2021)