Spirit of Ecstasy. Die immerjunge Schutzfee von Rolls-Royce feiert heuer ihren 110. Geburtstag. Ein hübscher Anlass, das Kapitel Kunst auf dem Kühler kurz Revue passieren zu lassen. Den 100er der von Charles M. Sykes entworfenen Kühler-Lady feierte die Marke mit einer Bildserie von Starfotograf Rankin – 100 an der Zahl, die nach und nach veröffentlicht wurden. Aber Sykes war nicht der Einzige, der sich an diesen Luxusschiffen verewigte. Aus der Firma des Art-déco-Künstlers René Lalique stammen atemberaubend schöne, filigrane Meisterwerke, geschaffen für Citroën, Bentley, Bugatti, Hispano-Suiza, Voisin und aber eben auch für einen Silver Wraith, 1956.

Spirit of Ecstasy, Schutzpatronin für gleichnamiges Fahrerlebnis bei Rolls-Royce.
Foto: Rolls-Royce

Ein anderer Künstler ist auch gleich zur Stelle, wenn von Art déco und Bugatti die Rede ist: Rembrandt. Nein, natürlich nicht der aus Holland, sondern der jüngere Bruder Ettore Bugattis. 1904 schuf dieser den berühmten tanzenden Elefanten, den Ettore nach seines Bruders Tod als Kühlerfigur für den legendären Type 41 "Royale" verwendete.

Mercedes-Stern, eines der
bekanntesten Markenzeichen der Welt.
Foto: Daimler
Flying B von Bentley
Foto: Bentley

Und noch einmal Kunst auf dem Kühler, diesmal österreichischer Provenienz: eine 1906 von Carl Kauba offenbar für die Familie Esterházy gefertigte Skulpturengruppe Heiliger Georg als Drachentöter. Man sehe und staune: so was auf einem Automobil? Das Prachtstück wurde 2019 im Dorotheum versteigert, zum Sammlermarkt, der sich um die seltenen Kühlerfiguren entwickelt hat, später ein paar Worte.

Maybach-Logo
Foto: Daimler
Rolls-Royce-Opalglasfigur von Lalique (1956)
Foto: Wikipedia/Brian Snelson from Hoc

Zurück zur theriomorphen Gruppe, ein weiterer heimischer Beitrag: Gräf & Stift, der Rudolf Weyrs Skulpturen auf der Nussdorfer Schemerlbrücke nachempfundene Löwe. Seit 1916 Warenzeichen der Firma, nach dem Ersten Weltkrieg auf den neu entwickelten Sechszylindermodellen zu finden. Bis in unsere Tage geschafft hat es ein anderer Löwe, zumindest als Emblem: der von Peugeot. Seit 1858 eingetragenes Markenzeichen, prangte er ab 1906 und bis 1958 in unterschiedlichen Ausformungen figurativ auf den Autos.

Seit den 1940er-Jahren fand sich der ebenfalls legendäre Leaper auf den Fahrzeugen von Jaguar. Da hatte die Kühlerfigur sich aber längst vom ursprünglich funktionalen Zweck auf dem Kühlerdeckel gelöst, und in den meisten Fällen machten Sicherheitsauflagen dem Phänomen den Garaus. Übrig blieb bei Jaguar nur mehr der Growler im Wappen – wie jenes von Peugeots Leu oder Ferraris und Porsches Hengst letztlich ein Relikt aus Mittelalter und Heraldik.

Heiliger Georg als Drachentöter von Carl Kauba (1906)
Foto: Dorotheum
Hermes-Kühlerfigur für Buick (1930er-Jahre)
Foto: Wikipedia/Wolfgang Scharmer

Im Wolfsburger Zeithaus, wundervolles Automobilmuseum, landete – strandete, ist man fast versucht zu sagen – ein Bentley 3 Litre Speed, den Anthony Methley 1923 bestellt hatte und der 1940 vom Bootsbauer Austin Packard Farrar vom Schrottplatz gerettet wurde. Mit dem instand gesetzten Wagen wollte Farrar seine Boote zur Kundschaft karren, als passenderes Markenzeichen ersetzte er das Flying B durch ein filigranes, bronzenes Seepferdchen. Der "Speed" hatte übrigens 80 Seepferdchenstärken, und damit sind wir auf der letztendlichen kulturgeschichtlichen Herkunftsspur der Kühlerzier, bei der Galionsfigur.

Archetypisch

In der Christlichen Seefahrt kamen da gerne Nixen und Frauengestalten vor. Große Bekanntheit haben auch die Drachenboote der Wikinger, das archetypische Motiv an Vorder- und Hintersteven taucht aber schon in grauer Vorzeit auf, wie etwa die bronzezeitlichen Petroglyphen im schwedischen Bohuslän oder die Abbildungen der Seevölkerkriege auf dem Totentempel von Ramses III. in Medînet Hâbu (12. Jahrhundert vor Christus) belegen. Verbürgt sind ferner Schwäne, sie sind auch Apollons und Brahmas heilige Tiere, das mythische Motiv taucht neuzeitlich in Lohengrins von einem solchen gezogenem Boot auf, nie sollst du mich befragen (mein lieber Schwan, da kommt einem auch der Kranich bei Hispano-Suiza in den Sinn und der Adler bei Chevrolet, 1930er). Für Phönizier und frühe Griechen ist das Pferd figurativ verbürgt, naheliegend insofern, als Poseidon Gott des Meeres und auch der Pferde war, womit sich der Kreis zum Bentley-Seepferdchen schlösse.

Egal, unter welchem Zeichen da vorne auch immer man auslief, es sollte Schutz und Segen auf allen Wegen spenden. Dass die Kühlerfigur von Beginn an auch durch finanzielle Potenz aufgeladen war, solange das Auto noch exklusives Statussymbol war, ist natürlich ebenfalls unstrittiges Faktum.

Weitere Subgenres: Personen und Firmenzeichen. Aus Österreich erwähnt sei etwa eine ägyptische Prinzessin aus der Werkstatt Weber & Rühl. Sorgte in den 1920er-Jahren selektiv bei Steyr für frontales Wohlgefallen. Und, weiterhin Mythenwelt Land am Nil: eine Sphinx auf dem Sapphire 346 von Armstrong Siddeley (1950er). Gute Figur machten ferner, bei Buick in den 30ern, eine hermesartige Figur sowie eine sich im Wind räkelnde Frau. Selbe Zeit und ästhetischer Volltreffer: der Bogenschütze auf diversen Pierce-Arrows, auch auf dem von Nikola Tesla (Raumenergie!).

Leaper von Jaguar
Foto: Jaguar

Der Bogenschütze ohne Schütze sozusagen war kurzzeitig bei Horch zu finden: der vom Grafiker und (Auto-)Designer O. H. W. Hadank gestaltete geflügelte Pfeil, und damit abschließend zu den Firmenzeichen. Das von Maybach beispielsweise, mit dem doppelten, vom Bogendreieck gerahmten M, das bereits erwähnte Flying B von Bentley und zuletzt das bekannteste von allen: der Stern von Mercedes, Markenzeichen seit 1926. Verschwindet leider auch immer häufiger von der Haube in den Grill. Wo er noch oben ist: Nix da made in Germany, produziert wird er in der Türkei.

Zwei Löwen-Kühlerfiguren: einmal österreichisch (Gräf & Stift)...
Foto: Dorotheum
...einmal französisch (Peugeot).
Foto: Peugeot

Maskottchen

Der fliegende Pfeil zierte die Karossen von Horch nur kurz, etwas Ähnliches findet sich heute noch auf der Firmenplakette von Škoda (Federschmuck mit Pfeil).
Foto: Wikipedia/Ralf Pfeifer
Zu den größten Berühmtheiten des Genres schließlich zählt der tanzende Elefant vom Bugatti Type 41 "Royale" – von Ettores Bruder Rembrandt Bugatti.
Foto: Bugatti

Kennen Sie übrigens Louis Lejeune? Nein, nicht den deutschen Maler, sondern die gleichnamige britische Firma. Dort bekommt man alles an Automaskottchen und Kühlerfiguren, was man sich vorstellen mag oder lieber auch nicht, und damit noch rasch ein Schlenker zur Sammlerszene. Wir befragten Wolfgang Humer, Leiter der Abteilung Klassische Fahrzeuge im Dorotheum, zum Thema. Er berichtet von einer überschaubaren Szene, allzu viel an historischem Zierrat habe die Zeitläufte ja nicht überstanden. Dementsprechend heißt es bei den Preisregionen: vom zweistelligen Bereich bis "nach oben hin offen" – fast. "Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass eine Kühlerfigur schon einmal Sechsstelligkeit erreicht hätte. Fünfstelligkeit sehr wohl." Und es habe sich zwar der Markt konsolidiert, aber "gerade bei den guten Sachen, wenn es in Richtung Jugendstil, Art déco geht, spricht das auch eine andere Sammlergruppe an: Französische Lalique-Glasfiguren kauft nicht nur der Autonarr, die kaufen auch andere Sammler".

Sammlerprofil? "In der Regel Herren fortgeschrittenen Alters. Wenn es um Art-déco-Stücke geht, rücken in der Szene aber auch schon die Jüngeren nach." In Österreich besonders begehrt seien einige Klassiker, so Humer weiter, wie die Löwen von Gräf & Stift, "und nicht einmal nur Kühlerfiguren, sondern solche, die vielleicht Briefbeschwerer waren und die Zeiten besser überstanden". Die heimischen Klassiker schlechthin seien aber die Weber & Rühl-Figuren aus Wien VII, "wo jetzt die Apollo-Garage ist. In den 1930ern hatten Weber & Rühl dort die Steyr-Vertretung, und sie haben die Autos mit ihren eigenen Figuren ausgestattet." (Andreas Stockinger, 9.4.2021)