Jene Menschen, die neue Unternehmen starten, während die Welt eine Vollbremsung hinlegt, und sogar in Branchen, die tief in der Krise stecken. Es sind nicht nur unverbesserliche Optimisten: Manche nutzen die Gunst der Stunde, wieder andere halten weiter an Vorhaben fest. Was sie eint, ist die Zuversicht, dass ihre Ideen zur rechten Zeit kommen.

"Es wird wieder richtig abgehen in der Stadt"

David Figar und Rubin Okotie hauchen dem Café Bellaria neues Leben ein.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

Eigentlich wollte er kürzertreten – dann kam das: David Figar deutet auf das Gewölbe über sich. Der 41-Jährige hat sich mit Ex-Nationalspieler Rubin Okotie (33) zusammengetan, um das Café Bellaria wieder zum Leben zu erwecken. Man hätte gar nicht anders gekonnt, sagen die beiden Gastronomen. Im Februar des Vorjahres hätte ihn der Anruf von seinem Freund Okotie erreicht, dass das Lokal zu haben sei, erinnert sich Figar: "Das Bellaria in der Bellariastraße – 1870 gebaut, uralt, daneben das Naturhistorische Museum, so was ist normalerweise nicht am Markt."

Binnen drei Minuten sei ihnen bei der Besichtigung klar gewesen: "Das müssen wir nehmen." Ein Bauchgefühl. Jetzt wird geschweißt, geschliffen, gestrichen. Der Boden ist schon verfliest, eingerichtet wird mit Thonet und was sonst zu einem Wiener Kaffeehaus gehört – Reminiszenzen an die Vergangenheit. Juni, Juli soll alles fertig sein, innen Restaurant und Café, draußen ein großer Gastgarten. Sacherwürstel, Öfferl-Brot, Paprikahendl, Wiener Schnitzel will man servieren, und das leistbar.

Vor allem die Wiener und Wienerinnen wollen sie bei sich begrüßen, sagt Figar. Mamas, die mit dem Kinderwagen vorbeikommen, Hipster aus dem Siebenten, ältere und jüngere Semester vor dem Volkstheaterbesuch. Bereut haben sie den Schritt trotz Krise nicht, sagt Okotie, wiewohl er auch gefragt worden sei, "ob wir wahnsinnig sind". Keineswegs, kontert Figar: "Es wird der Jahrhundertsommer werden und richtig abgehen in der Stadt." Einen Wunsch hat er: "dass Bürgermeister Ludwig hier gemeinsam mit uns das rote Band durchschneidet und dann reinwinkt".


"Ist es die richtige Zeit? Wir probieren es einfach!"

Judit Boros und Andras Turanitz wollen ein Lokal in Kufstein eröffnen.
Foto: Judit Boros

Was es für das Fluzz noch braucht, ist ein Lokal. Judit Boros und Andras Turanitz sind derzeit auf der Suche nach den passenden Räumlichkeiten. Zum Trübsalblasen hat das Paar keine Zeit. "Kinder, Hund und Business" halten die gebürtigen Ungarn auf Trab. Gearbeitet haben die beiden 41-Jährigen schon überall auf der Welt – zwischen Schweden, Mexiko, Indien und Amerika. "Oft gemeinsam, aber nicht immer", sagt Judit Boros.

Gemeinsam wollen die Innenarchitektin und der Koch jetzt mit dem Fluzz in Kufstein durchstarten. Ein Lokal als Ausstellungsraum für Gustostückerln, die man kaufen kann, und eine Küche, in der Gerichte zum Mitnehmen zubereitet werden – selbstredend nachhaltig verpackt. "Jetzt wird daheim in der Küche experimentiert und gekocht, was das Zeug hält", sagt Boros.

"Wir probieren aus, was der lokale Geschmack verträgt." Was man kredenzen wird, hat sie schon im Kopf: "Gekauft wird regional, gekocht saisonal. Gibt es gerade Spargel, werden Spargelgerichte zubereitet." Dass sie geschmacksmäßig noch am Probieren sind, hat damit zu tun, dass die Familie erst 2017 in Tirol gelandet ist, im kleinen Wintersportort Ellmau.

"Dann wurde die Wohnung zu klein, und wir sind in Kufstein gelandet." Sie hätten sich durchaus gefragt, ob jetzt die richtige Zeit für die Gründung eines Unternehmens sei. "Aber wieso nicht", gibt Boros die Antwort gleich selbst. Und die Kinder hätten ohnehin schon eine Entscheidung getroffen. Sie könne gerne weiter durch die Welt ziehen und Wohnungen renovieren, hat ihre sechsjährige Tochter jüngst erklärt – und in tiefstem Tirolerisch ergänzt: "I mog nit mehr."


"Es war eine emotionale Achterbahnfahrt"

Hoteldirektor Michael Fritz baut noch an seinem neuen Musikhotel Jaz in the City.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

Hämmern, Sägen, Bohren. Noch ist Baustellenlärm zu hören. In den Ohren von Hoteldirektor Michael Fritz klingt das wie Musik. "Das wird keine klassische Hotelgastronomie. Wir haben den Anspruch, ein neuer Hotspot zu werden", sagt der 42-Jährige ohne Zaudern. Die fröhlich dekorierte Fassade lässt erahnen, wohin die Reise gehen wird. Ein heimischer Graffitikünstler hat sie mit allerlei musikalischem Zierrat versehen. Bunte Akzente im Einerlei der Windmühlgasse im sechsten Hieb in Wien.

Ein neues Hotel ist im Werden – genau genommen ein Musikhotel. Und das jetzt, wo der Tourismus in seiner tiefsten Krise steckt? Michael Fritz steigt unbekümmert über Holzlatten, deutet auf Glaskuben und malt mit ausladenden Gesten die schönsten Bilder in die Baustellenluft. Im August wird das Jaz in the City der deutschen Steigenberger-Hotels (mittlerweile in chinesischer Hand) aufgesperrt.

Auch als sich herauskristallisierte, dass Corona einschneidende Folgen haben werde, sei man bei der Planung geblieben. Fritz hat seinen alten Job im Februar 2020 gekündigt. "Das war natürlich ein bisschen eine emotionale Achterbahnfahrt", sagt der 42-Jährige. Heute gehe er "sehr zuversichtlich in die Zukunft". Man glaubt es ihm. Der Mann sprüht vor Elan, hat sichtlich Freude daran, sich in Zeiten wie diesen erbaulichen Dingen zu widmen.

Wer bespielt den Laden, der die Besucher empfangen wird? Die Lobby wird ein Schallplattengeschäft, die Zimmer dienen als Proberäume samt Plattenspieler, neben den Bars gibt es Bühnen für Liveauftritte. Jüngst probten DJs für die Zeit danach auf dem Dach. Auch der Name für die Rooftopbar steht: Maria Trink.


"Jetzt muss ich das aber wirklich durchziehen"

Im vergangenen September hat Waltraud Murauer im oberösterreichischen Ried im Innkreis ihr Lokal Handmade Ried eröffnet.
Foto: Hermann Wakolbinger

Den "Fingerhut" mit Gebäck und Haselnussaufstrich gibt es für den kleinen Hunger, wer Bäume ausreißen will, greift zum üppig gefüllten "Nähkorb". Im vergangenen September hat Waltraud Murauer im oberösterreichischen Ried im Innkreis ihr Lokal Handmade Ried eröffnet. Die Idee der gelernten Schneiderin: ein Frühstückscafé mit einer Nähwerkstatt kombinieren.

"Das mit einem kleinen Café hatte ich immer im Hinterkopf. Vor allem die hübschen schwedischen Cafés, die ich auf Reisen kennengelernt habe, haben es mir angetan." Sie wollte etwas Neues ausprobieren, absolvierte eine Ausbildung zur diplomierten Ernährungstrainerin, machte dann bei einem Gründerwettbewerb mit. Das Konzept ging auf. "Ich hab einen Preis gewonnen und dachte, jetzt muss ich das aber wirklich durchziehen."

Das Interesse war schon knapp nach der Eröffnung so groß, dass sie 60 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Los ging es täglich um fünf Uhr früh, Murauer konnte eine zweite Mitarbeiterin engagieren. "Damals dachten wir, die Pandemie ist so gut wie überstanden", sagt sie. Doch es kam anders, jetzt ist wieder Lockdown. Derzeit kann man sein gesundes Frühstück, betitelt mit Namen aus der Schneiderwerkstatt, mitnehmen.

Bang ist Waltraud Murauer nicht, vom Lockdown lässt sie sich nicht bremsen: "Vor kurzem sind wir mit Salaten gestartet", auch das stoße auf Zuspruch. Das Café ist ihr mittlerweile noch mehr ans Herz gewachsen als das gelernte Handwerk. Nähkurse gibt es aber weiterhin – Corona-bedingt natürlich nur für jeweils eine Person. "Ein richtiger Luxus ist das", sagt sie verschmitzt. (Regina Bruckner, 24.4.2021)