Was an Fahrkartenerlösen in der Coronakrise ausblieb, wurde der ÖBB großteils vom Staat ersetzt

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Wien – Dank Corona- und sonstiger Staatsfinanzierung ist die ÖBB im Jahr eins der Pandemie trotz massiver Fahrgast- und Frachtrückgänge in den schwarzen Zahlen gelandet. Maßgeblich beigetragen habe aber auch der Konzern selbst, wie ÖBB-Chef Andreas Matthä und Finanzvorstand Arnold Schiefer bei Vorlage der Zahlen für das Jahr 2020 am Freitag nicht müde wurden zu betonen.

Mit 348 Millionen Euro trug freilich insbesondere der gesunkene Aufwand maßgeblich bei. Mit reduzierten Frachtraten ging das Zugsangebot in Güter- und Personenverkehr und damit der Materialaufwand (Strom, Diesel etc.) um rund 235 Millionen Euro zurück. Weitere 45 Millionen seien bei Marketing und sonstigem betrieblichen Aufwand eingespart worden, 68 Millionen brachten Überstundenabbau, Verzicht auf Gehaltserhöhungen und die Verschiebung von Neuaufnahmen. Weitere 30 Milionen Euro steuerte das Finanzergebnis bei.

Zurück in die Neunzigerjahre

Der Einbruch der Zahl der Fahrgäste habe die Bahn zurück in die 1990er-Jahre katapultiert, betonte Schiefer. Nach 477 Millionen Passagieren im Vor-Corona-Jahr 2019 waren im Vorjahr nur mehr geschätzte 287 Millionen Fahrgäste an Bord. Entsprechend reduzierte sich der Konzernumsatz, den die ÖBB mit 4,083 Milliarden Euro angibt – um 322 Millionen Euro niedriger als 2019.

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Unterm Strich blieb ein um 110 Millionen Euro vermindertes Konzernergebnis vor Steuern (EBT) in Höhe von 59 Millionen Euro, das maßgeblich den eingangs erwähnten Staatshilfen geschuldet ist, die die ÖBB mit rund 200 Millionen Euro angibt. Sie verteilen sich so: 91 Millionen kamen aus Nachverhandlungen bei den Verkehrsdienstverträgen im Personenverkehr und der "Notvergabe" für die Weststrecke bis Salzburg, und 60 Millionen Euro aus der Senkung der Schienenmaut für die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA).

"Eisenbahnkrise verhindert"

25,6 Millionen Euro flossen an Kurzarbeitsbeihilfe für rund 6000 ÖBBler (ein Großteil davon im Güterverkehr) und 13,9 Millionen in die Erhöhung der Güterverkehrsförderung (auf 92 Millionen Euro für Einzelwagenverkehr und Rollende Landstraße) sowie 7,2 Millionen Euro aus dem Titel Epidemiegesetz. Zusammen habe sich so der Corona-bedingte Einbruch von 696 Millionen Euro ausgleichen lassen, verkündete das ÖBB-Vorstandsduo voller Stolz. Es sei gelungen, neben der Coronakrise eine "Eisenbahnkrise zu verhindern".

Bei aller Sparsamkeit, gereicht hätte all das trotzdem nicht. Massiv geholfen hat, was die ÖBB-Führung partout nicht als Corona-Staatshilfe bezeichnen will, aber nicht weniger ist: die Verkehrsdienstverträge, mit denen die öffentliche Hand den Nah- und Regionalverkehr ebenso finanziert wie den Fernverkehr zwischen Salzburg und Bregenz sowie auf der Südbahn (plus Nachtzüge).

Brutto bringt mehr als netto

Diese Verträge wurden, wie berichtet, von netto auf brutto umgestellt, was dem Teilkonzern ÖBB-Personenverkehr stabile Umsatzerlöse garantierte. Zug- und Busverbindungen blieben erhalten, der von der Zahl der Fahrgäste abhängige Umsatz reduzierte sich gegenüber 2019 aber lediglich um rund hundert Millionen auf 2,027 Milliarden Euro – obwohl zeitweise kaum Fahrgäste mitfuhren.

Laut Bilanz erhöhten sich die Umsatzerlöse aus den Zug-Bestellungen des Verkehrsministeriums um 431 Millionen auf 1,188 Milliarden Euro, während die Zahlungen der Länder und Gemeinden von 388 auf 257 Millionen Euro schmolzen. Per Saldo bekam der ÖBB-Personenverkehr also um 300 Millionen Euro mehr.

Kapitalspritze für Güterverkehr

Der Vollständigkeit halber seien freilich noch jene 61 Mio. Euro an Stützung genannt, die der Bund zwecks Eigenmittelstärkung in die RCA pumpte. An Umsatz ging die ÖBB-Güterbahn übrigens schlanke 139 Mio. Euro verlustig – obwohl es ab Sommer wieder aufwärtsgegangen sei mit den Frachtraten.

Die Finanzverbindlichkeiten (unter anderem für den Bahnausbau) stiegen von 25,3 auf 26,6 Milliarden Euro. Finanzchef Schiefer verwies auf das große Infrastrukturprogramm: 2020 wurden 2,6 Milliarden Euro in Erneuerung und Ausbau der Bahninfrastruktur investiert. Mit dem im Vorjahr beschlossenen Rahmenplan 2021 bis 2026 sei mit 17,5 Milliarden Euro das größte Investitionspaket aller Zeiten auf Schiene gebracht.

Tunnelbau in Verzug

Bei Semmering- und Brennerbasistunnel ist man zeitlich einigermaßen in Verzug. "Der Berg bestimmt, wie schnell wir da bauen", sagte Matthä. Am Semmering bohre man "von Wasserloch zu Wasserloch, das ist inzwischen ein tunneltechnischer Lehrpfad", räumte Schiefer ein. Die geologischen Schwierigkeiten kamen freilich nicht überraschend, Geologen hatten bereits im Genehmigungsverfahren vor massiven Problemen gewarnt, die aufgrund der Gesteinsformation quasi programmiert seien. Vor 2027 hält man eine Fertigstellung nicht einmal mehr in der Bahn für realistisch. Die Koralmbahn solle 2025 plangemäß eröffnet werden.

Heuer rechnet die ÖBB-Führung vorbehaltlich der Pandemie-Entwicklung mit einem Jahres-Ergebnis von rund hundert Millionen Euro. "Wir glauben im Moment, dass unser Budget halten wird. Ein positives Ergebnis sei – sowohl 2020 als auch 2021 – ja für die Finanzierungen der Verbindlichkeiten notwendig – und wohl auch für die Vorstandsgagen. Laut Geschäftsbericht belief sich der Vorstandsbezug von Matthä auf 597.000 Euro, davon waren 444.000 Euro Fixbezug und 153.000 Euro Erfolgsprämie für 2019. Schiefer verdiente 573.000 Euro, davon 486.000 Euro fix und 87.000 Euro Prämie für 2019. (Luise Ungerboeck, 23.4.2021)