Von der Sonne her weht ein beständiger Wind aus Strahlung und geladenen Teilchen, der vom Erdmagnetfeld abgelenkt wird und keine Gefahr darstellt. Mitunter aber kann es zu einem regelrechten Sonnensturm kommen. Die Ursache sind Eruptionen in Regionen mit hoher magnetischer Feldstärke in den äußersten Schichten der Sonne, die mit einer plötzlichen Umordnen der magnetischen Feldlinien in Zusammenhang stehen. Weist ein solcher Ausbruch direkt in Richtung unseres Heimatplaneten, werden drei Phänomene beobachtbar: Es kommt zu einem Röntgenblitz, auch Flare genannt, der rund acht Minuten nach der Sonneneruption die Erde erreicht und als erstes Anzeichen für einen Sonnensturm registriert wird.

Etwa eine Stunde später treffen Protonen und andere hochenergetische Teilchen ein. Diese Partikel können im Ernstfall den Satelliten im Orbit große Unannehmlichkeiten bereiten, bis hin zum Totalausfall. Schließlich, nach etwa ein bis zwei Tagen, bekommen wir es mit einer Plasmawolke aus geladenen Teilchen zu tun. Diese sogenannten koronalen Massenauswürfe (CME, Coronal Mass Ejection) sind für viele Probleme verantwortlich, die mit einer schweren Sonneneruption einhergehen, und zählen zu den energiereichsten Prozessen in unserem Sonnensystem.

Eine Sonneneruption der Klasse M, aufgenommen vom Solar Dynamics Observatory der Nasa. Die Aufnahme zeigt unseren Heimatstern im Licht mit einer Wellenlänge von 171 und 304 Angström.
Foto: Nasa/SDO

Beobachtungen per künstlicher Sonnenfinsternis

Die riesigen Wolken von magnetisiertem Sonnenplasma können sich mit Geschwindigkeiten bis zu einigen Millionen Kilometern pro Stunde ausbreiten, erklärte Astrid Veronig vom Institut für Physik und Observatorium Kanzelhöhe der Universität Graz. So ein Ereignis könne das Magnetfeld der Erde "ordentlich durcheinanderschütteln" und schwerwiegende Schäden an terrestrischen Transformatoren, Kommunikations- und Energiesystemen anrichten.

"Verfolgt werden die Auswürfe mit Hilfe von Koronographen, die das starke direkte Sonnenlicht ausblenden und so eine Art künstliche Sonnenfinsternis erzeugen", schilderte die Grazer Astrophysikerin. Sie hat schon seit Jahren die Vorgänge auf der Sonne im Visier und arbeitet mit den Weltraumorganisationen Esa und Nasa zusammen.

Während Masseauswürfe auf unserer Sonne gut beobachtbar sind, sind Berichte über solche Ausbrüche bei Sternen rar – hauptsächlich aufgrund der schwierigen Detektion. "Für koronographische Messungen wie bei der Sonne ist die räumliche Auflösung zu gering und die Strahlung der Auswürfe zu schwach", umriss Veronig das Problem. Mit Kollegen im schottischen Glasgow hat ihr Grazer Team eine neuartige Methode des Nachweises entwickelt.

Koronaler Verdunklung als Hinweis

Im Falle unseres Sonnensystems haben die Forscher bisher auch schon die Sonne im Licht der extremen ultravioletten Strahlung (EUV) und Röntgenstrahlung beobachtet. "Wenn es zu Masseauswürfen kommt, also riesige Plasmawolken aus der Korona hinausgeschleudert werden, bleiben in diesem Strahlenkranz Verdunkelungen zurück", schilderte die Astrophysikerin. Sie sind auf die durch die Expansion des Plasmas hervorgerufene Dichteabsenkung zurückzuführen und sind Regionen mit vorübergehend verringerter Intensität. "Wir sehen uns also an, was zurückbleibt, nicht was hinausfliegt", erklärte Veronig.

Die Grazer Forscher haben zahlreiche Analysen solcher koronaler Verdunklungen auf der Sonne gemacht und dann herangezogen, um einen Referenzrahmen für entsprechende Ereignisse auf Sternen zu erstellen. Diese Methode der CME-Detektion anhand von Verdunkelungmessung erprobte das Team dann im nächsten Schritt bei Sternen, die nach Vermutung der Forscher CME-Kandidaten sein könnten.

In ihren jüngsten Auswertungen der Daten von rund 200 Sternen zeigte sich tatsächlich, dass in den Lichtkurven von Sternen ebenfalls solche plötzlichen Verdunkelungen zu finden sind. "Daraus schließen wir, dass es dort ebenso koronale Masseauswürfe gibt", erklärte Petra Odert, Forscherin am Institut für Physik der Uni Graz und Co-Autorin der im Journal "Nature Astronomy" publizierten Studie.

21 CME in 13 Sternsystemen

Insgesamt haben die Grazer Experten für Sonnen- und Sternenphysik auf diese Weise 21 CME auf 13 verschiedenen Sternen entdeckt. Dabei können laut den Forschern beträchtliche Teile der Korona ausgestoßen werden. "Mit den neuen Satellitenmissionen mit viel sensitiveren EUV-Beobachtungen dürften wir noch viel mehr finden", zeigte sich Veronig optimistisch.

Das Wissen über Massenauswürfe auf Sternen ist zum einen hilfreich, um sonnenähnliche Sterne in puncto Aktivität zu charakterisieren. Wenn stellare Massenausbrüche häufig auftreten, können sie die atmosphärische Erosion des Sterns erhöhen. Zugleich beeinflussen die Phänomene die Atmosphäre der um die Sterne kreisenden Planeten und damit in weiterer Folge deren Habitabilität. "Diese Studie ebnet den Weg für umfassende Detektionen und Charakterisierungen von CME auf Sternen, die wichtige Faktoren für die Bewohnbarkeit von Planeten sind", fassten die Autoren zusammen. (red, APA, 25.4.2021)