Der Champ, einmal ganz privat und entwaffnend ehrlich. Ein Star zum Anfassen, mit Rasenmäher.

Conny Habbel

Es begab sich zur Mitte der Zweitausenderjahre, dass einer aus dem Örtchen Waldneukirchen im Land ob der Enns auszog, um die austriakische populäre Unterhaltungsmusik vor ihrem schleichenden Niedergang zu bewahren. Niemand Geringeren als Freddie Mercury zur Blaupause nehmend, kämmte der Künstler Franz Adrian Wenzl sein Haupthaar zurück, pickte sich im Land ob der Oberlippe ein die sexuelle Reife andeutendes Erkennungsmerkmal auf und ließ den modischen Freuden von Lack und Leder, Glitzer, Glam und Netzshirt-Belüftung freien Lauf: Austrofred war geboren.

Der "Champ", wie ihn seine ihm hündisch ergebenen Fans rufen, zeigte nachfolgenden Popmusikanten, also den Bilderbuch-Wandas und Kreiskys dieses Landes (an nämlicher Band ist Wenzl selbst nicht unbeteiligt), dass man es schon auch in der Provinz weit bringen kann, wenn man sich nur weltläufig genug verkauft. Alles eine Frage der inneren Haltung.

Und so begab es sich, dass der theoretisch (manche meinen auch praktisch) größte Rockstar, den Österreich je gesehen hat, sein geballtes Wissen über die Mysterien der Unterhaltungsgottwerdung nicht nur via auf Oberösterreichisch umgedichtete Queen-Hymnen unter das Volk brachte, sondern seine Expertise auch im Kleinbühnenformat als Motivationscoaching feilbot und begleitend dazu sechs künstlerisch allesamt unübertroffene Satirebücher veröffentlichte, die zum Beispiel so hießen: Ich rechne noch in Schilling (2008), Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben. Mein Briefwechsel mit Wolfgang Amadeus Mozart (2010) oder das investigativjournalistische Standardwerk Pferdeleberkäse – Aufsätze & Reportagen (2015).

Demut und Anmut

Jetzt ist im Czernin-Verlag das siebente Werk erschienen. Und weil der Austrofred sein großes Idol, den Freddie Mercury, der nur 45 Jahre alt wurde, nun bereits altersmäßig hinter sich gelassen hat, schien es ihm, dem Austrofred, auch einmal an der Zeit, Rückschau zu halten, Demut vor der großen Karriere zu zeigen und der treuen Anhängerschaft Rede und Antwort zu stehen.

Über 2019 und 2020 hinweg konnte man dem Champ Fragen auf Facebook stellen, die er im Buch nun beantwortet. Und weil trotz Fernsehgymnastik mit Philipp Jelinek der Bauchansatz immer schwerer unter Kontrolle zu halten ist und das Haupthaar steil in Richtung Paulus Manker zieht, heißt das Buch konsequenterweise auch nicht Durch die Lebensmitte wie mit 17, sondern Die fitten Jahre sind vorbei – so ehrlich ist der Austrofred mit uns.

Auf Grundsatzfragen wie "Schnitzel oder doch ein Cordon?", "Bettdecke mit der zu öffnenden Seite immer zu den Füßen?", weiß der Champ natürlich ebenso Antworten wie auf ins größere Philosophische gehende Überlegungen, etwa: "Wie lang gibt es die Menschheit noch?" Ziemlich genau 500 bis 600 Jahre, weiß der Austrofred. Nicht weil er das wirklich wüsste, sondern weil er es eben so im Urin hat und ein echter Champ sich nicht scheut, gewagte Thesen als gefühlte Tatsachen gerade, wie der Schnabel gewachsen ist, herauszusagen.

Bierzeltklug bauernschlau

Mit bierzeltkluger Bauernschläue, deren philosophische Tiefe aber weiter als bis zum Krügerlboden reicht, lernen wir etwa auch, wie es sich mit der Frage "Wo beginnt und endet der Künstler?" verhält. Und: Dass selbst jemand wie Alice Cooper backstage in voller Montur zur Frankfurter greift.

Über "die Wanda" weiß der Austrofred in diesem Zusammenhang zu berichten, dass die "ein bisschen schummeln. Ich habe mit der Band einmal einen (geräumigen, weil österreichischen) Backstage-Raum geteilt und darf verraten, dass sie, entgegen allem Anschein, überhaupt nicht stinken, sondern nach einer Mischung aus Kernseife und Axe riechen. Durchaus ansprechend." Rock ’n’ Roll ist eben immer auch die Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Keine Illusionen macht sich der Austrofred hingegen beim depadn Covid, für dessen Hereinbrechen in unser aller Existenz das Buch einmal ein interessantes Dokument sein wird: Wo der Champ 2019 noch schreibt, dass der Künstlerberuf ein krisensicherer sei, weil "unterhalten werden wollen die Leute immer", hat sich der Blick 2020 ganz schön eingetrübt. Trotzdem hält er fest: "Für Mitleid is da Austrofred ned gmocht." Er ist sich sicher: "Es wird wieder Halligalli sein", und: "Es ist ein Licht am Ende des Tunnels."

Wenn der Austrofred das sagt, wollen wir das jetzt einfach glauben.

(Stefan Weiss, 24.4.2021)