Milva bei einem Konzert im Jahr 1985.

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Rom/Mailand – Es kann als nur allzu passend bezeichnet werden, dass Milva eine produktive künstlerische Beziehung auch mit Komponist und Bandoneon-Spieler Astor Piazzolla pflegte, dem Ideengeber des Tango Nuevo. Dieser wehmütig dahinschwebende Stil war bei den großzügigen Vokalgesten gut aufgehoben, mit denen die Italienerin die stilisiert sentimentalen Gefühle zu beschwören verstand. Natürlich auch bei Piazzollas Oper "Maria de Buenos Aires".

Milva, 1939 als Maria Ilva Biolcati im norditalienischen Örtchen Goro geboren, wird auch inhaltlich eine Verbindung zu diesem argentinischen Stil gefunden haben. Er kam aus verrauchten Kneipen, war der traurige Gedanke, den man tanzt, und interessierte sich auch stark für Existenzen an sozialen Rändern.

Früh im Lokal

Als Tochter eines verarmten Fischhändlers und einer Schneiderin musste Milva jedenfalls früh in Lokalen singend das Familienbudget mitretten. Erst ein Schlagerwettbewerb des staatlichen italienischen Fernsehens RAI ermöglichte ihr als Siegerin ein Stipendium für eine Gesangs- und Schauspielausbildung. Der schon früh markante, leicht herbe Klang ihrer Stimme führte sie schließlich aber zum Wettbewerb von San Remo. Obwohl Milva nicht gewann, startete ihre Karriere durch, sie landete Hits, hatte eine eigene TV-Show und spielte in Filmen u. a. neben Gina Lollobrigida.

Die andere Seite

Es existierte aber auch eine andere Seite. Schon in den frühen 1960ern sammelte Milva in Giorgio Strehlers Mailänder Teatro Piccolo Erfahrungen mit Brecht/Weill-Liedern, die sie später zu einem Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit werden ließ.

"La Rossa", wie Milva nicht nur wegen ihrer roten Haare, vielmehr auch ihrer politischen Haltung wegen genannt wurde, wuchs mit der Zeit also zur markanten Sängerin empor, die problemlos zwischen den Genres zu reisen verstand. Da hatte sie mit "Hurra, wir leben noch" einen ihrer großen Hits in Deutschland. Auch veröffentlichte sie mit "Dein ist mein ganzes Herz" ein operettenlastiges Album, das Easy-Listening-King James Last betreute.

Von Witwe geehrt

Gleichzeitig gab sie aber auch präzise inszenierte Abende mit Liedern von Brecht/Weill oder ließ sich 1990 von den Berliner Philharmonikern und Dirigent Claudio Abbado bei diesem Repertoire begleiten, das einst Lotte Lenya geprägt hatte. Kurt Weills Witwe sah Milva, die übrigens insgesamt an die 20-mal beim Schlagerfestival von San Remo aufgetreten war, ohne jemals zu siegen, als legitime Advokatin jener Tradition, die sie, Lenya, einst begründet hatte.

2010 hatte sich Milva aus gesundheitlichen Gründen endgültig von der Bühne zurückgezogen. Am Freitag ist "La Rossa" 81-jährig in Mailand gestorben. (Ljubisa Tošic, 26.4.2021)