Das Warten hat ein Ende. Die Novelle des Klimaschutzgesetzes ist offenbar in der Endabstimmung zwischen Grünen und ÖVP gelandet. Ein mit 9. April datierter Entwurf liegt dem STANDARD vor. Dieser beinhaltet nicht nur ein verbindliches Treibhausgasbudget, sondern gleich mehrere Bepreisungsmodelle, sollten die vorgegebenen Klimaziele nicht eingehalten werden.

Ziel der Novelle ist es, die Republik bis 2040 klimaneutral zu gestalten. In dem vorliegenden Entwurf wird ein steiler Pfad dorthin gezeichnet. Der Plan legt fest, wie viele Emissionen pro Jahr und Sektor ausgestoßen werden dürfen. Zeigt die Treibhausgasinventur, dass Klimaziele in einzelnen Sektoren überschritten wurden, müssen Bund und Länder zahlen: Für jede Tonne, die zu viel emittiert wird, müssen 100 Euro in einen sogenannten Zukunftsinvestitionsfonds überwiesen werden. Der Eurobetrag erhöht sich jährlich ab 2022 um zehn Euro. Die Kosten sollen zu 60 Prozent vom Bund und zu 40 Prozent von den Ländern gestemmt werden.

Leonore Gewessler (rechts) und Gernot Blümel (links) sollen im Klimakabinett sitzen.
Foto: STANDARD/Cremer

Im Entwurf wird das mit einem Beispiel untermauert: Überschreitet Österreich die für das Jahr 2025 vorgegebene Emissionshöchstmenge um eine Millionen Tonnen CO2, muss der Bund 84 Millionen Euro in den Klimatopf einzahlen, die Länder müssen gemeinsam 56 Millionen bereitstellen. Die Mittel aus dem Fonds sollen wiederum in den Klimaschutz fließen – und zwar ausschließlich in Maßnahmen im Inland, wie es in dem Papier heißt.

Verglichen mit den Mitteln, die zuletzt in Klimaförderungen flossen, ist jener Betrag eher niedrig. Nichtsdestotrotz könnten Bund und Länder so animiert werden, mehr Maßnahmen umzusetzen. Das würde auch die Kosten senken, die auf Österreich zukommen, sollte das Land seine Klimaziele verfehlen und Emissionszertifikate zukaufen müssen.

Sofortmaßnahmen nach der Prognose

Geplant ist darüber hinaus auch ein zweiter Mechanismus, der schon vor der Erstellung der Treibhausgasinventur, die erst spät veröffentlicht wird, greifen soll: Zeichnet sich bereits in einer Prognose ab, dass die Klimaziele nicht erreicht werden, kommt das geplante Klimakabinett ins Spiel. Dieses muss, in Einbeziehung des ebenfalls geplanten wissenschaftlichen Beirats, innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Prognose, Vorschläge für Sofortmaßnahmen an die Regierung herantragen. Die Maßnahmen sollen vorrangig in jenen Sektoren gesetzt werden, in denen das Klimaziel verfehlt wurde. Dann ist die Regierung am Zug.

Sollten die Regierungsmaßnahmen nicht ambitioniert genug sein, setzt als Ultima Ratio ein weiterer Preismechanismus ein, der im Text als Notfallmaßnahme beschrieben wird: Sollte das Klimaziel in einem Sektor trotz aller Bemühungen überschritten werden, sollen bestehende Steuern auf fossile Energieträger um jeweils 50 Prozent erhöht werden. Auch hier sollen die zusätzlichen Erlöse in den Investitionsfonds fließen.

Vor allem im Verkehrssektor hat Österreich noch viele Aufgaben im Klimaschutz vor sich.
Foto: APA/EXPA/ JOHANN GRODER

Wie dem Entwurf zu entnehmen ist, sollen die Emissionen jedenfalls rasch sinken: Bis 2030 soll der Netto-Ausstoß in Österreich im Vergleich zu heuer halbiert werden. Die Werte beziehen sich jedoch jeweils nur auf Treibhausgase, die außerhalb des Emissionshandels anfallen – wie etwa Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude. Wie in jenen Bereichen, die unter das EU-Regime fallen, Klimaneutralität erreicht werden soll, erschließt sich aus dem Entwurf nicht.

Der Pfad zur Klimaneutralität wurde in dem Papier in zwei Perioden unterteilt: Zwischen 2021 und 2030 sollen die Netto-Emissionen im Land jährlich zwischen 5,3 und neun Prozent sinken. Zwischen 2031 und 2040 sinkt der Wert noch stärker ab. Zum Vergleich: Experten gehen davon aus, dass Österreichs Ausstoß im Vorjahr durch die Corona-Einschränkungen um bis zu zehn Prozent gesunken ist.

Netto-Null bis 2040

Bis 2040 soll jedenfalls die "Netto Null" erreicht werden. Das heißt aber nicht, dass bis dahin der gesamte Ausstoß bei null liegen muss. Das wäre beispielsweise in der Landwirtschaft gar nicht möglich. Deshalb kann Österreich einen Teil der Emissionen kompensieren, zum Beispiel durch Kohlenstoffspeicherung in Senken.

So sieht der Zielpfad in dem Entwurf aus.
Foto: STANDARD/BMK, Gesetzesentwurf

Auf der Maßnahmenseite ist in dem Entwurf nicht viel zu lesen. Innerhalb von sechs Monaten muss jedoch ein Plan für weitere Maßnahmen ausgearbeitet werden. Dieser soll auch festlegen, wer wofür verantwortlich ist. Für das Programm zuständig ist das Klimakabinett, das neu ins Leben gerufen werden soll. Dieses setzt sich unter anderem aus dem Bundeskanzler, mehreren Ministern sowie Entscheidungsträgern aus den Bundesländern zusammen. Darüber hinaus sind Mitglieder des ebenfalls geplanten wissenschaftlichen Klimabeirats und Bürgerrats Teil des Gremiums. Diese sind jedoch nicht stimmberechtigt.

Was im Entwurf auch nicht enthalten ist: Weder ein allgemeiner CO2-Preis, noch ein fixes Enddatum für den Ausstieg aus fossiler Energie wird genannt. Diese und weitere Punkte sollen im Rahmen der Ökosteuerreform umgesetzt werden. Keine Rede ist zudem von der Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und Förderungen. Darüber hinaus fehlen, wie erwähnt, Pläne dafür, wie die Klimaneutralität in Bereichen, die in den Emissionshandel fallen, erreicht werden kann. Dieser macht immerhin rund ein Drittel der gesamten Emissionen im Land aus.

Bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden.
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Bürgerinnen und Bürgern sollen durch das Gesetz mehr Rechte im Klimaschutz eingeräumt werden. Kommen Klimakabinett oder die Regierung ihren Pflichten in dem Bereich nicht nach, soll es einfacher werden, Verfehlungen einzuklagen. Auch der bereits im Regierungsprogramm angekündigte Klimacheck für Gesetze und Verordnungen ist in dem Papier zu finden.

Wie geht es weiter? Der Entwurf geht nun in die Verhandlung zwischen den Koalitionspartnern und den Ländern. Auch dann ist das Gesetz noch nicht unter Dach und Fach. Mehrere Punkte des Papiers, wie etwa der Reduktionspfad oder die Bildung des Klimakabinetts sollen auch in der Verfassung verankert werden. Damit sich die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat ausgeht, müssen die Grünen also nicht nur die Volkspartei von ihren Plänen überzeugen, sondern auch Teile der Opposition.

Kritik von der Opposition

Von dieser kam am Sonntag gleich Kritik: SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr sieht im Entwurf zum Klimaschutzgesetz "automatische Massensteuererhöhungen", weil etwa das Heizen betroffen wäre. Soziale Begleitmaßnahmen seien im Gesetz aber nicht vorgesehen. FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker ortete in einer Aussendung gar "grüne Enteignungspolitik".

Natürlich brauche man ambitionierte Maßnahmen beim Klimaschutz, der Zukunftsinvestionsfonds oder der "Klimacheck" seien auch dringend notwendig und gut, meinte Neos-Klimasprecher Michael Bernhard. "Eine CO2-Strafsteuer hätte aber überhaupt keinen Lenkungseffekt und würde nur die Akzeptanz von Klimaschutzpolitik untergraben. (Nora Laufer, APA, 25.4.2021)