Mindestens 99 Euro verlangen die Verkäufer auf Telegram für ein gefälschtes Dokument.

Foto: APA/dpa/Kay Nietfeld

Auf sozialen Medien wie Telegram haben Verschwörungserzähler derzeit pandemiebedingte Hochkonjunktur. Während meist über eine vermeintliche "Lügenpandemie" fabuliert wird, gibt es inzwischen auch Angebote für besonders hartgesottene Impfgegner und Corona-Leugner: gefälschte Impfpässe. Potenzielle Käufer verkünden ihr Interesse dabei öffentlich und oft mit Klarnamen. Abgesehen von der offensichtlichen Problematik offenbart das breite Angebot vor allem die Schwächen eines Impfausweises aus Papier – und wirft die Frage auf, ob es womöglich einer digitalen Lösung bedarf.

Durchsucht man einschlägige Kanäle des Messenger-Dienstes, dauert es nicht lange, bis man auf unterschiedlichste Angebote stößt. Worum es den Gruppenteilnehmern geht, ist dabei schnell klar: Die Impfung sei "Gift", dessen Verabreichung mittels gefälschter Nachweise umgangen werden soll. Immer wieder tauchten während der Beobachtung neue Postings auf, in denen einerseits Kaufinteresse, andererseits allerdings auch Skepsis gegenüber den Verkäufern geäußert wird: "Wenn es (den Impfpass, Anm.) jemand bekommt, dann bitte melden", schreibt eine Person.

Ein weiterer Nutzer weist darauf hin, dass er nach der Anfrage einer Verifizierung keine Reaktion mehr bekommen habe. Ob die Bestellungen tatsächlich ausgeliefert werden, ist also unklar. Auf den Hinweis, man solle sich deshalb ein entsprechendes Dokument von einem Arzt ausstellen lassen, wird erwidert: "Nur welcher macht das, ohne Gift zu spritzen?"

Einige Nutzer sind skeptisch, ob man bei Bestellung wirklich einen Impfpass erhält.
Foto: Screenshot/Telegram

Reges Interesse

Preislich liegen die Fälschungen bei mindestens 99 Euro – kauft man gleich drei auf einmal, gibt es meistens Mengenrabatt. Die Bezahlung soll über die Kryptowährung Bitcoin ablaufen, teilweise werden allerdings auch Geschenkgutscheine oder Paysafecards akzeptiert. Verkäufer garantieren stets, dass "alle großen Impfzentren vorhanden" seien. Man könne also Fälschungen für möglichst viele Standorte anbieten, so das Versprechen.

Die gefundenen Inserate scheinen großteils aus Deutschland zu stammen, beworben werden sie häufig inklusive eines vermeintlichen Beweisfotos, auf dem der international anerkannte gelbe Impfpass zu sehen ist. Dieser wird mit Stempel des zuständigen Impfzentrums, einer Unterschrift und sogar einem Aufkleber abgebildet, auf dem der vermeintlich verabreichte Impfstoff und die dazugehörige Chargennummer eingetragen wurden.

Kaum vom Original zu unterscheiden

Im Rahmen einer Recherche konnten Berichterstatter der ARD-Sendung "Report Mainz" zwei solcher Fälschungen ergattern, die aus dem "Impfzentrum Frankfurt, Ludwig-Erhard-Anlage 1" stammen sollen. Neben einer Unterschrift sollen die Pässe außerdem mit zwei Aufklebern und der Aufschrift "Comirnaty" (Biontech/Pfizer) und einer Chargennummer versehen sein. Laut ARD sei das Dokument kaum vom Original unterscheidbar.

Doch das ist nicht alles: Den Reportern gelang es nämlich, einen Händler ausfindig zu machen. Im Gespräch soll dieser erzählt haben, dass er an einem Tag mehr als 30 Stück verkauft habe. Außerdem prahlte er offenbar damit, "'Land unter' mit Anfragen" zu haben. Laut Experten handele es sich beim Verkauf entsprechender Dokumente allerdings schlicht um gewerbsmäßigen Betrug, so die "Tagesschau".

Fotos zensieren

Den Fälschern scheinen bei der Produktion allerdings auch nicht allzu viele Hindernisse in den Weg gelegt zu werden. Blanko-Impfpässe sind nämlich frei im Internet erhältlich, unter anderem sogar auf Amazon. Ein einzelnes Impfbuch kann man dort für 5,90 Euro inklusive Prime-Lieferung bestellen. Ein Paket mit 25 Pässen kostet hingegen etwa 60 Euro. Diese Tatsache führe zum vermehrten Angebot, dem mit eindeutig fälschungssicheren Sicherheitsmerkmalen entgegengewirkt werden könnte, merkt das Landeskriminalamt Hessen gegenüber den Reportern an.

Ein weiteres Problem ist, dass Nutzerinnen und Nutzer auf sozialen Medien nach ihrer Impfung häufig ein Foto des eigenen Impfpasses posten – inklusive der Chargennummer, dem Namen des Impfzentrums und der Unterschrift des zuständigen Arztes. Immer wieder findet man deshalb den Hinweis, insbesondere die Chargennummer unkenntlich zu machen. Diese erleichtert nämlich die Ausstellung gefälschter Dokumente.

Teilweise werden die angebotenen Blanko-Impfpässe sogar inklusive Prime-Versand angeboten.
Foto: Screenshot/Amazon

Digitaler Impfpass als Lösung?

An einer möglichen (digitale) Lösung des Problems arbeiten derzeit bereits mehrere privatwirtschaftliche Initiativen – so auch die Covid-19-Credentials-Initiative, für die sich mehrere Unternehmen und Organisationen über fünf Kontinente hinweg zusammengetan haben. Ziel ist es, einen Standard für Apps zu schaffen, mit denen Corona-Impfungen belegt werden können. Mit von der Partie ist unter anderem das von der Genfer Non-Profit-Organisation koordinierte Common Trust Network. Dieses will mit einer App namens Common Pass ermöglichen, medizinische Daten wie Testergebnisse und Impfnachweise vorzuweisen.

In Österreich ist außerdem schon ein E-Impfpass im Einsatz. Mit diesem will die österreichische Bundesregierung unter anderem die Verteilung der Vakzine dokumentieren. Wer sich künftig impfen lässt, landet also in einem zentralen Register (DER STANDARD berichtete). Eine Opt-out-Möglichkeit gibt es nicht. In Deutschland ist ein vergleichbares Vorgehen geplant. Derzeit werden die Daten zwar an die zuständigen Gesundheitsämter übermittelt, Flughäfen oder gar Restaurants und Freizeiteinrichtungen haben jedoch keinerlei Möglichkeit, vorgezeigte Impfpässe auf Echtheit zu überprüfen. (Mickey Manakas, 26.4.2021)