Immer wieder wurde in Spanien für aktive Sterbehilfe demonstriert, seit Mitte März ist sie für Menschen mit schweren tödlichen Erkrankungen erlaubt.

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Soll Herr Gärtner das tödliche Medikament bekommen? Er ist nicht krank, hat keinen Schicksalsschlag erlebt: Er sieht einfach keinen Sinn mehr im Leben. Und er besteht auf sein Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Diese Ausgangssituation bildet die Basis für Gott, ein jüngst verfilmtes Stück des Autors und Juristen Ferdinand von Schirach. Bei einer Art Gerichtsverhandlung wird das Anliegen von Herrn Gärtner diskutiert. Zum Schluss entscheiden die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die Diskussion über das heikle Thema Sterbehilfe ist in der realen Welt nicht weniger komplex. In Österreich entschied Ende vergangenen Jahres der Verfassungsgerichtshof, dass das ausnahmslose Verbot der Hilfeleistung zum Suizid dem Recht auf Selbstbestimmung widerspreche und mit Wirkung 2022 aufzuheben sei. Noch in diesem Jahr muss daher eine Neuregelung beschlossen werden, Gesetzesvorschlag gibt es aber noch keinen. Es bedürfe eines gründlichen Diskussionsprozesses unter breiter gesellschaftlicher Einbindung, ließ die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kürzlich im Ausschuss für Menschenrechte wissen. Ziel sei, bis Sommer eine neue rechtliche Basis zu schaffen.

Dialogforum in Österreich

Das grüne Justizministerium hat nun Religionsgemeinschaften, Organisationen und Wissenschafter zu einem neu eingerichteten "Dialogforum Sterbehilfe" geladen, das am Montag startet. Die Fragen, die sich stellen, berühren existenzielle Grundfragen. Es geht um Selbstbestimmung, sozialen Druck, Religion, Ethik, Moral – und Recht.

Die Diskussion wird zurzeit nicht nur in Österreich geführt, wo jede zweite Person sich vorstellen kann, einmal selbst Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Auch 96 Prozent der französischen Bevölkerung sind für die Zulassung eines selbstbestimmten Lebensendes: Diesen – für ein Land mit tiefen katholischen Wurzeln – überraschend klaren Befund hat jüngst eine Meinungsfrage ergeben. Sie war ein zusätzlicher Ansporn für mehrere Abgeordnete der Sozialisten und der Partei La République en Marche (LRM) von Staatspräsident Emmanuel Macron, einen Vorstoß in der Nationalversammlung für eine Liberalisierung der strengen französischen Gesetzgebung zu lancieren.

Eine Handvoll konservative Abgeordnete genügten allerdings, um die Vorlage zu bremsen. Fünf Vertreter der konservativen Partei Les Républicains (LR) reichten Mitte April eine Flut von mehreren Tausend Zusatzanträgen ein. Sie machten es damit unmöglich, die Debatte über die einzelnen Artikel in der vom Parlamentsreglement geforderten Zeitspanne zu beenden. Deshalb kam es gar nicht zur Abstimmung: Die Sterbehilfe bleibt in Frankreich – zumindest vorerst – verboten.

Unterschiedliche Rechtslagen

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 ein Verbot der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe aufgehoben, dadurch auch die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen legalisiert. Die Möglichkeit, Sterbehilfe zu beschränken oder anderweitig zu regeln, ließ das Gericht aber ausdrücklich offen. Eine politische Neuregelung gibt es nach wie vor nicht.

2001 ließen die Niederlande als erstes Land der Welt die aktive Sterbehilfe zu. Belgien und Luxemburg, seit kurzem auch Spanien, sind weitere EU-Länder, die "aktive Sterbehilfe" – also Tötung auf Verlangen – für Menschen mit schweren tödlichen Erkrankungen erlauben.

Die Schweiz ist vor allem bekannt für ein seit Jahrzehnten existierendes Angebot einer begleiteten Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe ist aber auch hier verboten.

Mit bis zu 14 Jahren Haft muss man in Irland rechnen, wenn man aktive Sterbehilfe begeht, aber auch bei "assistiertem Selbstmord". Im katholischen Polen ist jede Art der Sterbehilfe gesetzlich verboten. Das italienische Verfassungsgericht erklärte 2019 Sterbehilfe in eng beschränkten Fällen für straffrei. (Stefan Brändle, Manuela Honsig-Erlenburg, 26.4.2021)