Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reiste zum Begräbnis von Idriss Déby in den Tschad.

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Er war ein "verlässlicher" und "mutiger" Freund, ein dermaßen guter Weggefährte, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Idriss Débys rätselhaftem Tod mit seinem Außenminister in den zentralafrikanischen Sahelstaat Tschad jettete und sich dort vor dem Sarg des verstorbenen Machthabers verbeugte. Déby hatte der ehemaligen Kolonialnation tatsächlich unerschütterlich beigestanden: Ein ums andere Mal hatte er seine Soldaten an der Seite der Fremdenlegionäre in die Halbwüste geschickt, um "islamistische Terroristen" zu jagen. Dass er jüngst selbst "auf dem Schlachtfeld" fiel, hatte mit dieser Art von Terrorismus allerdings wenig zu tun: Der 68-Jährige starb vielmehr im Kampf gegen heimische Rebellen, die er gleichermaßen "Terroristen" nannte.

In Paris sorgte der Tod des heldenhaften Freunds für Angstschweißattacken. Déby hinterlässt ein bedrohliches Loch in dem strategischen Schlüsselstaat, der gleich an sechs afrikanische Krisennationen angrenzt: Libyen, die Zentralafrikanische Republik, die sudanesischen Darfur-Provinzen, Kamerun sowie den Niger und Nigeria. Dass das Loch nicht falsch gefüllt wird, war der eigentliche Grund der Reise Macrons: Er setzte sich während der Trauerfeierlichkeiten neben den 37-jährigen Sohn Débys, den ein Militärrat gerade mit einem Staatsstreich zum Nachfolger seines Vaters gekürt hatte. Ein "Notfall", erklärte Paris: Hauptsache, Mahamat Idriss stellt sich als ebenso verlässlicher Freund heraus wie sein Vater.

Leere Zukunftsversprechungen

Auch Papa Déby war vor über 30 Jahren durch einen Putsch und die Hilfe aus Paris an die Macht gekommen: Dem in Frankreich zum Piloten ausgebildeten Offizier traute man mehr zu als seinem tyrannischen Vorgänger Hissène Habré. Déby versprach, im Tschad für Frieden, Demokratie und Wohlstand zu sorgen: Und als in seiner Heimat Erdöl entdeckt wurde und die Weltbank eine über 1.000 Kilometer lange Pipeline an den Atlantik unter der Bedingung finanzierte, dass ein Teil der Öleinnahmen einem Zukunftsfonds zugute kommt, versprach Déby auch das. Doch erst einmal schaffte er sich von dem Geld einen Militärhubschrauber an. Noch heute ist das Zukunftskonto leer – und die Bevölkerung des Tschads weiterhin die viertärmste der Welt. Die Einnahmen aus dem Export des schwarzen Golds pflegte Déby für Waffen und die Sicherung seiner Macht auszugeben: Wie in allen Patronagestaaten bedachte der Präsident vor allem seinen Clan und sein über das ganze Land gespanntes Netzwerk an Getreuen.

In derartigen Patronagestaaten muss es zum Streit kommen, weil ein Großteil der Bevölkerung von den Trögen abgeschnitten bleibt. Déby überlebte – meist mit französischer Hilfe – eine Unzahl von Putschversuchen und Rebellenumtrieben: In den Jahren 2006, 2008 und 2019 hielt Frankreichs Luftwaffe die auf die Hauptstadt N'Djamena vorstoßenden Rebellen auf. Ohne Hilfe der europäischen Freunde befände sich Déby längst nicht mehr an der Macht.

Washingtons Africa Center for Strategic Studies schaute sich kürzlich die Konflikte des Kontinents genauer an – und stellte fest, dass zwölf von 16 gewalttätigen Auseinandersetzungen in autokratisch regierten Staaten toben. Keine der wirklichen Demokratien des Kontinents befindet sich derzeit in einem bewaffneten Konflikt – aber neun von 16 Autokratien Afrikas. Und in 90 Prozent der autokratisch geführten Staaten ist die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln nicht wirklich gesichert. Dazu zählt auch der Tschad.

Keine offizielle Unterstützung

Das ist natürlich auch in Paris bekannt. Deshalb werden Autokraten nicht offiziell unterstützt – es sei denn, der regierende Schuft ist unser Schuft, wie zynische Realpolitiker zu sagen pflegen. Solange die Autokraten eine wichtige Aufgabe erfüllen – die stets mit vermeintlicher Sicherheit und in diesem Fall mit Tschads Beteiligung am Kampf gegen den Terror in Verbindung gebracht wird –, wird ihr miserabler Regierungsstil in Kauf genommen. Dass der Terror durch die schlechte Regierungsführung der Autokraten und ihre Vernachlässigung der Bevölkerung überhaupt erst hervorgebracht wird, ist irgendwie egal. Déby konnte sich ungehindert durch sechs Wahlen schummeln: Bei der letzten soll er wenige Tage vor seinem Tod auf sagenhafte 80 Prozent der Stimmen gekommen sein. Tatsächlich: ein stabiler Freund.

EU-Staaten lassen Frankreich in dessen einstigen Kolonialgebieten weitgehend ungestört werkelnd: Die EU-Politik für den frankophonen Teil des Kontinents wird weitgehend in Paris formuliert. Mehrmals kündigte Macron bereits einen radikalen Kurswechsel der einstigen Kolonialmacht an: Doch der scheitert regelmäßig an den tiefverwurzelten wirtschaftlichen Interessen.

Auf Bitte des militärisch überlasteten Nachbarn hilft auch die deutsche Regierung immer wieder mit Bundeswehrsoldaten aus: Erst vor wenigen Tagen stimmte das Kabinett in Berlin einer Vergrößerung des deutschen Kontingents zum Training malischer Soldaten zu. Warum zu solchem Anlass nicht einmal die fragwürdige Pariser Afrika-Politik zur Sprache kommt? Im Fall des Tschads und der hochexplosiven Sahelzone ist es womöglich schon zu spät dafür. (Johannes Dieterich, 27.4.2021)