Das ist jetzt vielleicht nicht das klassische Familienauto, aber es ist ein Familienauto. Für die "junge Familie", wie man bei Ferrari betont. Es ist ein "Spider GT 2+", also prinzipiell ein Cabrio für zwei Personen, aber mit hinten auch noch ein bisschen Platz. Für Erwachsene definitiv zu wenig, aber Kleinkinder bringt man auf den Plätzen da hinten unter. Und 620 PS sollten genügen, um zwei Kinder ausreichend unterhaltsam zur Schule oder in den Kindergarten zu bringen. Für Aufmerksamkeit ist jedenfalls gesorgt, in der Innen- wie Außenwirkung.

Foto: Ferrari

Im Kindergarten gibt’s ein Gesprächsthema, ja, das ist der V8-Turbomotor, der ist jetzt mit dem neuen 8-Gang-Getriebe verbunden und hat einen eigenen Race-Modus, sollten wir doch einmal auf die Rennstrecke müssen, wer weiß. Das wird auch der pädagogischen Fachkraft taugen, zu der man früher einmal Tante gesagt hat.

Prinzipiell muss man aber sagen, dass sich der Portofino M eher nur als Zweitwagen eignet. Man würde sich schwertun, den großen Wochenendeinkauf samt Windelvorrat in den schmalen Kofferraum zu schlichten, vom Kinderwagen einmal ganz zu schweigen. Zu den 254.947 Euro, die der Portofino M in der Grundausstattung in Österreich kostet, müsste man also noch etwas Budget für einen Golf oder einen Bentley einkalkulieren, je nachdem, wie die Ansprüche sind.

Unterwegs mit dem Papier von Ferrari

An den Starnberger See südwestlich von München reiste ich jedoch allein, dem daheimgebliebenen Kind würde ich ein lustiges Video samt aufregender Tonspur vom ersten bis zum dritten Gang schicken. Für die Beamten an den Grenzen hatte ich ein offizielles Papier von Ferrari mit, dass ich im Auftrag des Cavallino Rampante unterwegs sei. Das wurde anstandslos akzeptiert.

Ferrari Portofino M, ein Italiener in Bayern: In der Gegend um den Starnberger See gibt es ausreichend besinnliche Fotomotive.
Foto: Völker

Ich hatte die Ferrari-Leute nur um einen Gefallen ersucht: Bitte kein rotes Auto! Das wäre ein wenig flach, zu plakativ für ein anspruchsvolles Qualitätsmedium wie den STANDARD, wir wollen uns doch von der Masse abheben. So stand in der Auffahrt des Hotels Vier Jahreszeiten in Starnberg, wo wir verabredet waren, ein Portofino M in einem blauen Farbton: Celeste met. Die Farbe verändert sich im Licht, ist mal dunkel, dann wieder hell, wie die Spielzeugautos, die beim Eintauchen ins Wasser ihre Farbe verändern. Das Wetter war auch prächtig, Fahren ohne Dach war angesagt. Dennoch war ich dankbar für den Nackenwärmer, der in der Kopfstütze eingebaut ist und für den Einsatz in den Wintermonaten gedacht ist. Die drei Heizstufen tun aber auch in der Übergangszeit ganz gut. Das System umhaucht den Nacken mit warmer Luft proportional zur Außentemperatur, zur Fahrgeschwindigkeit und zur Position des Verdecks. Mit zunehmendem Alter lernt man solche Finessen wirklich zu schätzen, das nenn ich Vorsorge.

Fünf verschiedene Modi

Angereist bin ich übrigens nicht mit dem eigenen Familien-Škoda, sondern mit einem komfortabeln Test-Mercedes, sonst wäre der Wechsel zu krass gewesen. Hin geht ja noch, da überwiegt die Vorfreude, aber zurück versinkt man dann im eigenen Schluchzen, nachdem man unmittelbar von acht auf drei Zylinder gewechselt ist, das tut ja richtig weh.

Obwohl ich als erfahrener und hingebungsvoller Ferrari-Fahrer bekannt bin, ließ ich mir geduldig die verschiedenen Positionen des Manettino im Portofino M erklären:

  • Wet: Eigentlich ausreichend, bietet maximale Stabilität und Kontrolle. Ist sinnvoll auf nasser Straße, reicht in Wirklichkeit aber für alle Lebenslagen, die 620 PS haben sich ja nicht vertschüsst.
  • Comfort: Normale Verwendung auf trockener Straße, wenn man in der Früh nur schnell ein Kipferl holt. Betonung auf schnell.
  • Sport: Sportliche Verwendung, eh klar, da ist alles schon sehr beschleunigt, unterbindet alle Diskussionen auf dem Weg zum Kindergarten.
  • Race: Maximales Fahrvergnügen, das Gegenteil von maximaler Sicherheit. Falls einmal doch eine Rennstrecke in der Nähe ist. Der Kollege von Ferrari klopfte mir aufmunternd auf die Schultern: "Damit kannst du das Auto sehr schnell wegschmeißen."
  • ESC-Off: Also ehrlich, Finger weg. Da sind jetzt alle Stabilitäts-und Traktionskontrollen ausgeschaltet, wer da in den Grenzbereich geht, muss ein Profi sein, sonst ist das Auto wirklich weg. So viel zur Familientauglichkeit. Das Manettino, diesen kleinen, roten Hebel am Lenkrad, muss man also mit Bedacht bedienen.
Foto: Ferrari

Wenn man die Ferrari-Leute ärgern will, fragt man sie, ob sie sich das "M" von BMW abgeschaut haben, da beben erzürnt die Nasenflügel, weil natürlich hat Ferrari das erfunden, 1971 gab es einen 512 M, und M steht für Modificato. Den Portofino gibt es seit 2018, und jetzt kann er alles eben noch besser, auffälligste Innovation ist vielleicht der achte Gang. Das Doppelkupplungsgetriebe ist immer noch extrem straff, aber der achte Gang ist gemütlich ausgelegt, da kann man die 320 km/h Spitze entspannt cruisen.

Jetzt aber echt: Dass man auf deutschen Autobahnen so schnell fahren kann und darf, ist schon unglaublich. Ich hab das nicht ausgereizt, war aber, aus reinen Testzwecken natürlich, richtig schnell unterwegs, also wirklich schnell – und bin dabei von einem Mercedes SLS überholt worden. Das muss jetzt auch nicht sein, oder?

Benzinverbrauch? Was ist das?

Der Achtzylinder hat knapp vier Liter Hubraum, und worauf die Ingenieure von Ferrari wirklich stolz sind, ist das komplette Fehlen eines Turbolochs, ich kann das reinen Herzens bestätigen. Angaben zum Benzinverbrauch sucht man vergeblich, das sei noch in Homologation. Neu ist jedenfalls ein Partikelfilter im Auspuffsystem, den erklärt man mit einem bedauernden Achselzucken. Der war notwendig, um die strenger werdenden Schadstoffemissionen einhalten zu können, tut aber nicht weh, ehrlich nicht.

Pause am Wegesrand. Das italienische Kennzeichen ist so fesch wie das Heck, gibt es aber nur an diesem. Erklären Sie das einmal einem Polizisten.
Foto: Völker

Kaum hatte ich Starnberg verlassen, war ich schon am Fuße der Zugspitze, München, Bad Tölz und Garmisch-Partenkirchen liegen fast nebeneinander, und jetzt erklären Sie einmal einem bayrischen Polizisten, dass ein Ferrari in Italien vorn kein Kennzeichen hat. Da können Sie im Handschuhfach noch so viele offizielle Papiere haben, die helfen alle nichts, weil die sind italienisch, und der Polizist sagt, dass wir in Deutschland sind. Und ein Argument hat er, das einleuchtend wirkt, gerade wenn man in einem Ferrari sitzt: "Bei uns wird von vorn geblitzt. Und da kann ich mit Ihrem Gesicht nichts anfangen, wenn ich kein Kennzeichen dazu hab." Da hat er recht, und darum haben wir ein Kennzeichen aus Pappkarton gebastelt, das haben wir in die Windschutzscheibe geklebt. Und wenn auf der Autobahn 120 angeschrieben war, bin ich eben 120 gefahren, so schaut’s aus. (Michael Völker, 14.5.2021)