Ein Schulkind bei einem Antigen-Schnelltest Anfang Februar.

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Während die Infektionen in der älteren Bevölkerung durch Impfungen zurückgehen, sind nun viele jüngere Menschen mit Covid-19 infiziert. In der vergangenen Woche machten die unter Sechsjährigen drei Prozent aller Infizierten aus, 12,2 Prozent waren zwischen sechs und 14 Jahren, und 15,5 Prozent sind 15 bis 24. Einen höheren Anteil macht mit 15,9 Prozent nur die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen aus. Das Durchschnittsalter von Covid-Erkrankten liegt in Österreich nun bei 37.

Das Alter könnte sinken

Mit Öffnungen im Mai könnte das Alter weiter sinken. Die Regierung scheint nämlich Ansteckungen unter Jungen zu akzeptieren, weil sie seltener schwere Verläufe haben. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte etwa: "Wenn sich junge Menschen in den Schulen zum Beispiel anstecken, ist das auch nicht gut, aber es führt nicht zu mehr Hospitalisierungen."

Tatsächlich kam es sehr selten vor, dass Kinder schwer an Covid-19 erkrankten. Nur etwas mehr als 20 Kinder mussten in Österreich auf Intensivstationen – mit Virusmutationen könnte sich das ändern. Kinder und Jugendliche spielen aber natürlich als Überträgerinnen und Überträger eine Rolle. Während Lehrpersonal sich bereits impfen lassen konnte, dürfte das für die meisten Eltern unmöglich sein, da sie zu jung sind.

Und: Kinder sind von Spätfolgen der Viruserkrankung – Long Covid – ebenso betroffen wie Erwachsene. Auch jene Kinder, die keine Symptome während der Erkrankung hatten, wie eine Studie aus Italien zeigt.

Drosten warnte schon im Jänner

Der deutsche Virologe Christian Drosten warnte bereits im Jänner davor, die Corona-Maßnahmen vollkommen aufzuheben, sobald alte Menschen und Risikopatienten geimpft sind. Denn auch wenn junge Menschen in der Regel weniger schwer an Covid erkranken: Bei hohen Inzidenzen nimmt auch die Zahl der schweren Verläufe automatisch zu. "Wenn sich ganz viele junge Menschen infizieren, dann sind die Intensivstationen trotzdem wieder voll, und es gibt trotzdem viele Tote. Nur, dass es jüngere Menschen trifft", sagte Drosten dem "Spiegel".

"Geplante Durchseuchung"

Die Entscheidung, breite Öffnungsschritte zu setzen, obwohl eine Impfung für Kinder und Jugendliche noch in weiter Ferne ist, wird deswegen vielfach kritisiert. "Das ist die geplante Durchseuchung der Kinder und Jugendlichen und ihrer Eltern. Man nimmt ihnen jetzt den unbeschwerten Sommer", sagt etwa Gary Fuchsbauer von den unabhängigen GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst und in ausgegliederten Betrieben.

Auch bei der Jugend selbst herrscht teilweise Irritation über die Öffnungsschritte trotz hoher Zahlen und ohne Impfperspektive. Ihren Frust thematisieren bereits einige auf Tiktok und Instagram. Tenor: Wir mussten ein Jahr auf vieles verzichten, um Ältere zu schützen. Wer schützt jetzt uns?

Neos: "Schlichtweg vergessen"

"Kinder und Jugendliche wurden im Krisenmanagement der Regierung schlichtweg vergessen", sagt Neos-Jugendsprecher Yannick Shetty, "obwohl wir wissen, dass die Patienten immer jünger werden." Die Regierung müsse die Gesundheit junger Menschen, psychisch wie physisch, "endlich schützen". Türkis-Grün habe nun die Aufgabe, "schnellstmöglich auch PCR-Testungen in Schulen im ländlichen Bereich auszurollen" und auch Schüler von der Impfung zu überzeugen.

Die grüne Jugendsprecherin im Parlament, Barbara Nessler, spricht von einer Fahrt "auf halbe Sicht": "Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie sehr viel aushalten und auf viel verzichten müssen. Aber sie haben ein Anrecht auf soziale Kontakte und auf Bildung, das immer priorisiert werden muss – und das wird auch gemacht. Gleichzeitig haben sie und auch ihre Familienangehörigen ein Recht auf Gesundheit. Hier stimme ich unserem Gesundheitsminister zu, der gemeint hat, es habe absolute Priorität, Leben zu schützen. Daher werden wir auf möglichst sichere Rahmenbedingungen achten und immer wieder nachjustieren müssen. Wir fahren jetzt sozusagen auf halbe Sicht."

Frage der Amtshaftung

Die weitreichenden Entscheidungen, die von der sogenannten Öffnungskommission getroffen werden, in der hauptsächlich Politiker sitzen, könnten zumindest theoretisch auf der Verwaltungsebene ein juristisches Nachspiel haben. Dann nämlich, wenn sich in Schulen neue Cluster bilden und Eltern oder Lehrer Amtshaftungsklagen verfolgen. Andreas Geroldinger, Vorstand des Instituts für Zivilrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz, hält solche für möglich, wenn "die Behörde eine unvertretbare Rechtsansicht verfolgt". Die "entscheidende praktische Hürde" wäre aber "die Beweisbarkeit, wo man sich genau angesteckt hat. Da brauchte man etwa Datenzugang zu Sequenzierungen", betont Geroldinger. (Lara Hagen, Colette M. Schmidt, Eja Kapeller, 27.4.2021)