Bei den vergangenen ÖH-Wahlen im Jahr 2019 kam der Verband sozialistischer Student_innen (VSStÖ) auf 22 Prozent der Stimmen. Das war ein leichtes Plus von zwei Prozentpunkten, man landete damit jedoch knapp hinter den grünen Studierenden (Gras) und klar hinter der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) nur auf Rang drei. Wie immer im letzten Jahrzehnt beteiligten sich die Roten an einer linken Koalition in der Bundesvertretung – gemeinsam mit Gras und Fachschaftslisten (FLÖ). Zur Hälfte der zweijährigen Periode – im Sommer 2020 – hätte der VSStÖ eigentlich den Vorsitzposten von der Gras übernehmen sollen, doch dazu kam es nicht mehr. Ein emotional aufgeheizter, aber von außen schwer durchschaubarer Koalitionskrach sorgte für das Ende der linken Zusammenarbeit.

In der ÖH-Bundesvertretung hält der VSStÖ momentan 13 von 55 Mandaten.

Die AG nutzte das resultierende Chaos und stellt seither mit Sabine Hanger die ÖH-Chefin, wiewohl sie keine stabile Mandatsmehrheit hinter sich hat. Bei der Vorgangsweise zur Novelle des Universitätsgesetzes (UG) zeigte sich die ÖH gespalten. Während Hanger Demos gegen die UG-Novelle mit Verweis auf das Infektionsgeschehen als "unverantwortlich" abtat, versuchte der VSStÖ gegen die Reform zu mobilisieren und beteiligte sich an den Initiativen von Bildung Brennt.

Einen juristischen Erfolg konnte man zuletzt anlässlich einer länger zurückliegenden Uni-Aktion erzielen: Der Verfassungsgerichtshof gab der Beschwerde einer VSStÖ-Aktivistin recht, die gegen die aufsehenerregende polizeiliche Räumung einer Protestaktion im Festsaal der TU Wien Beschwerde eingelegt hatte.

Dieses Jahr steigen zwischen 18. und 20. Mai die ÖH-Wahlen. Schon jetzt können Studierenden per Briefwahl die Stimme für ihre Interessenvertretung abgeben. In einer STANDARD-Serie stellen sich in den kommenden Wochen alle acht Fraktionen mit der schriftlichen Beantwortung eines Fragenkatalogs vor. Für den VSStÖ geht die 21-Jährige Politikwissenschaftsstudentin Sara Velić als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Sara Velić ist Spitzenkandidatin des VSStÖ. Sie ortet bei den Studierenden Frust wegen der Vernachlässigung durch die Regierung.
Foto: APA/ Pfarrhofer

STANDARD: Was sollten die Hochschulen aus drei Semestern Pandemie lernen?

Velić: Reines Distance-Learning ist für viele eine große Herausforderung. Hybrides Studieren ermöglicht uns Studentinnen und Studenten hingegen Freiheit und Flexibilität, um ein Studium mit Jobs und Betreuungspflichten unter einen Hut zu bringen, ohne vollständig auf die Präsenzlehre zu verzichten. Wir fordern, dass das Lehrveranstaltungsangebot so ausgebaut wird, dass wir uns Semester für Semester selbst aussuchen können, welche Teile des Studiums wir digital und welche wir in Präsenz machen wollen.

STANDARD: Wie steht der VSStÖ zu Studiengebühren – auch vor dem Hintergrund des Corona-bedingten "neutralen Semesters" vergangenes Frühjahr?

Velić: In dieser Pandemie gibt es nur eine richtige Umgangsweise mit den Studiengebühren: den Erlass und die Rückerstattung an die Studierenden. Diese Verantwortung hat die Regierung leider nicht übernommen. Das "neutrale Semester", das stattdessen gekommen ist, kann die gravierenden Verzögerungen und finanziellen Schwierigkeiten durch Corona nicht ausgleichen und reicht uns nicht.

STANDARD: Was sind eure zwei wichtigsten Forderungen für Unis?

Velić: Wir wollen, dass endlich wirklich alle studieren können – egal woher sie kommen oder wie viel Geld ihre Eltern haben. Das heißt, wir brauchen erstens soziale Sicherheit durch die Abschaffung aller Studiengebühren – auch für Studierende aus Drittstaaten, an FHs und an PHs. Zweitens ist es höchste Zeit für die Einführung eines Teilzeitstudiums. Man soll jedes Semester entscheiden, wie viel man studieren kann: also Vollzeit im Umfang von 30 ECTS- Punkten, Teilzeit mit 16 ECTS-Punkten oder auch das Studium pausieren, wenn man Vollzeit arbeiten muss.

STANDARD: Und für Fachhochschulen?

Velić: Auch die FHs müssen soziale Sicherheit für Studierenden schaffen. Das bedeutet auch hier die Abschaffung der Studiengebühren, zudem sollen alle Pflichtpraktika gerecht bezahlt werden. Es kann nämlich nicht sein, dass FH-Studierende lediglich als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden.

STANDARD: Mit wem würdet ihr (k)eine Koalition eingehen?

Velić: Wir werden abgesehen vom RFS mit allen Organisationen Gespräche führen, die bereit sind, unser Wahlprogramm gemeinsam umzusetzen und die keine Angst davor haben, die türkis-grüne Regierung lautstark zu kritisieren.

STANDARD: Wie hoch ist euer Wahlkampfbudget und wer finanziert es?

Velić: Wir finanzieren uns durch Spenden und Mitgliedsbeiträge und werden von der SPÖ unterstützt. Die Einnahmen und Ausgaben werden wir im Laufe des Wahlkampfs veröffentlichen, sobald wir sie genau festlegen können.

STANDARD: Was wollt ihr anders machen, damit es nicht wieder zu einem Koalitionschaos in einer linken Exekutive kommt?

Velić: Für uns war es definitiv keine leichte Zeit, und wir möchten uns auf keinen Fall in einer ähnlichen Situation wiederfinden. Unser Ziel ist es, linke, verlässliche und laute Vertretungsarbeit zu leisten. Und wir werden nur dann eine Koalition eingehen, wenn wir uns zu hundert Prozent darauf verlassen können, dass sie dieses Ziel auch erreicht.

STANDARD: Es droht eine historisch niedrige Wahlbeteiligung – ab welchem Wert wäre die Legitimationsbasis der ÖH gefährdet?

Velić: Die Pandemie macht die Mobilisierung zu einer historisch einmaligen Herausforderung. Jedoch sieht man auch: Es ist keine passende Zeit, um wegzuschauen. Wir haben erlebt, wie wenig sich Türkis-Grün dafür interessiert, auch uns Studierende aus dieser Krise zu führen. Der Frust darüber wird sich sicherlich auch in der Wahlbeteiligung niederschlagen. Ich möchte die Leserinnen und Leser vor allem auf die Möglichkeit zur Briefwahl hinweisen, die noch bis zum 11. Mai beantragt werden kann.

Sara Velić (21) stammt aus Vorarlberg und studiert in Wien Politikwissenschaften und Raumplanung. Sie ist Spitzenkandidatin des VSStÖ für die ÖH-Wahl.