Chemiestudentin Gabriele Urban ist Spitzenkandidatin der Fachschaftslisten (Flö).

Foto: Flö

Die Fachschaftslisten (Flö) wollen bei dieser ÖH-Wahl wieder zu früherer Stärke zurückkehren. Beim letzten Urnengang 2019 musste die parteiunabhängige Fraktion auf Ebene der Bundesvertretung einen Verlust von vier Prozentpunkten verzeichnen und kam damit nur auf rund zehn Prozent der Stimmen. Gemeinsam mit Gras und VSStÖ traten die Flö wieder in eine linke Koalition ein, die jedoch nach einem Jahr zerbröselte.

Die Fachschaftslisten sprachen bei ihrem Rückzug aus der Koalition von parteipolitisch motivierten "destruktiven Fraktionskämpfen". Zudem sei mit der Gras nicht mehr möglich gewesen, "das Versagen der türkis-grünen Regierung" aufzuzeigen. Danach ging es für die Flö in Opposition – auch bei den Protesten gegen die Novelle des Universitätsgesetzes war die Fraktion aktiv.

Auffällig ist, dass die Fachschaftslisten traditionell vor allem an den Technischen Universitäten stark vertreten sind. An der größten Uni des Landes, der Universität Wien, finden sie hingegen wenig Anklang.

Dieses Jahr steigen zwischen 18. und 20. Mai die ÖH-Wahlen. Schon jetzt können Studierende per Briefwahl die Stimme für ihre Interessenvertretung abgeben. In einer STANDARD-Serie stellen sich alle acht Fraktionen durch die schriftliche Beantwortung eines Fragenkatalogs vor. Für die Flö geht die 23-jährige Chemiestudentin Gabriele Urban als Spitzenkandidatin ins Rennen, sie ist bereits Mandatarin in der Bundesvertretung.

Gabriele Urban ist ÖH-Spitzenkandidatin der Fachschaftslisten.
Foto: Flö

STANDARD: Was sollten die Hochschulen aus drei Semestern Pandemie lernen?

Urban: Früher wurden Vorlesungsaufzeichnungen oft abgelehnt, doch sie sind möglich und unterstützen vor allem berufstätige Studierende und jene mit Betreuungspflichten. Zudem hat sich gezeigt, dass Anwesenheit keine Voraussetzung für die Absolvierung von Lehrveranstaltungen ist – auch diese Flexibilität soll beibehalten werden.

STANDARD: Was sind eure wichtigsten Forderungen für Unis?

Urban: Wir fordern mehr Qualität im Studium, die durch einen stärkeren Fokus auf die Studierbarkeit der Studienpläne gewährleistet werden soll – etwa durch einen angemessenen Arbeitsaufwand für die zu erreichenden ECTS-Punkte und mehr Flexibilität bei Wahlfächern und individuelle Schwerpunktsetzungen. Außerdem muss das Beihilfen- und Stipendiensystem an die Lebensrealitäten der Studierenden angepasst werden, indem Altersgrenzen abgeschafft und die Höhe der finanziellen Unterstützung angehoben wird.

STANDARD: Und an FHs?

Urban: Besonders wichtig ist die faire Bezahlung von Praktika. Wenn man 40 bis 60 Stunden pro Woche in einem Praktikum tätig ist, hat man keine Möglichkeit, nebenbei noch zu arbeiten, um sich das Leben zu finanzieren. Da auch die Pädagogischen Hochschulen einen wichtigen Sektor bilden, haben wir auch hier spezifische Forderungen.

STANDARD: Welche sind das?

Urban: Eine davon ist die umfassende Betreuung der Studierenden während der Induktionsphase an der Schule. Darüber hinaus braucht es finanzielle Entschädigung von Studierenden, die in den Sommerschulen unterrichten.

STANDARD: Wie stehen die Flö zu Studiengebühren – auch vor dem Hintergrund des Corona-bedingten "neutralen Semesters" vergangenes Frühjahr?

Urban: Wir sind grundsätzlich gegen Studiengebühren und für die Abschaffung der Studienbeiträge. Besonders kritisch sehen wir die erhöhten Studienbeiträge für Studierende aus Drittstaaten. Die automatische Verlängerung von Beihilfen durch das neutrale Semester war zwar ein Erfolg, kann aber nur der erste Schritt sein. Bereits bezahlte Studienbeiträge und Studiengebühren seit dem Sommersemester 2020 müssen rückerstattet werden, da Studierende keine Möglichkeit auf ein herkömmliches Studium hatten.

STANDARD: Wie steht ihr zu den Aufnahmeverfahren an Unis?

Urban: Wir sprechen uns allgemein gegen Aufnahmeverfahren aus, sehen jedoch, dass sie bei manchen Studien nicht von heute auf morgen abgeschafft werden können. Hier müssen mehr Kapazitäten geschaffen werden, damit wirklich alle studieren können, die das wollen. Nicht sofort abschaffbare Aufnahmeverfahren müssen so weit korrigiert werden, dass sie weder diskriminierend noch sozial selektiv wirken.

STANDARD: Mit wem würdet ihr (k)eine Koalition eingehen?

Urban: Wir werden mit allen Fraktionen verhandeln, die mit unseren Grundsätzen vereinbar sind. Eine Koalition mit dem RFS schließen wir aus.

STANDARD: Wie hoch ist das Wahlkampfbudget, und wer finanziert es?

Urban: Unser Wahlkampfbudget beläuft sich aktuell auf 2.074 Euro. Wir finanzieren uns rein durch Spenden von aktiven und ehemaligen Flö-Mitgliedern. Die genauen Zahlen werden wir auf unserer Website aufschlüsseln.

STANDARD: Wo steht ihr als parteiunabhängige Fraktion allgemeinpolitisch. Würdet ihr euch als links einordnen?

Urban: Wir vertreten sowohl hochschulpolitisch als auch gesellschaftspolitisch durchaus linke Werte: den freien Hochschulzugang, das allgemeinpolitische Mandat der ÖH oder den Einsatz für eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle an jeder Hochschule. Viel wichtiger jedoch als die Einordnung in ein eindimensionales politisches Spektrum ist uns die Tatsache, dass wir bedingungslos hinter den Studierenden stehen – ohne Einfluss einer politischen Partei.

Gabriele Urban (23) ist Spitzenkandidatin der Fachschaftslisten. Sie studiert Technische Chemie an der Technischen Universität Wien.